Pfaffenhofen
Schwarzer Block gegen rote Herker-Fans

Alle vier Pfaffenhofener Bürgermeisterkandidaten schlagen sich auf dem Podium wacker

07.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:05 Uhr
Bauen, Verkehr und Klimaschutz: Mit diversen Fragen, die auf die jeweiligen Kandidaten abgestimmt waren, löcherte Moderator Julio Segador (von links) die vier Bürgermeisterkandidaten Richard Fischer, Christian Moser, Thomas Herker und Franz Niedermayr bei der Podiumsdiskussion des Forums Baukultur. −Foto: Patrick Ermert

Pfaffenhofen - Einen kurzweiligen Schlagabtausch haben sich die vier Pfaffenhofener Bürgermeisterkandidaten bei der vom Forum Baukultur organisierten Podiumsdiskussion geliefert. Als „Titelverteidiger“ erwehrte sich Thomas Herker (SPD/Grüne) der Attacken seiner Herausforderer Christian Moser (CSU), Franz Niedermayr (FDP) und Richard Fischer (ÖDP). Wobei die Veranstalter um Heinz Kindhammer bilanzierten, dass sich „kein Bewerber blamiert“ habe, sondern sich „alle gut verkauft“ hätten.

Kindhammer übernahm die Begrüßung, wonach Mikrofone das einzige seien, was sich Politiker gerne vorhalten ließen. Er ermahnte das Quartett zur Demut, weil „die Politiker jeden Wähler brauchen – umgekehrt aber nicht“. Und er tröstete die Unterlegenen vorab: „Wenigstens braucht ihr eure Wahlversprechen nicht einhalten.“

Das Publikum im rappelvollen Rathaussaal war in einen schwarzen Block zur Linken sowie ähnlich viele rote Unterstützer zur Rechten unterteilt. Dazwischen mischten sich neutrale Zuhörer, die sich von der Debatte letzte Impulse für ihre Wahlentscheidung erhofften – und dazu reichlich Fragen stellten. Für den Kitt sorgte mit Julio Segador ein kritisch hinterfragender, aber auch stets eine Prise Humor unterfütternder Moderator. Der kleine Fauxpas zu Beginn, als er Richard Fischer auf dessen Wahlplakat mit dem Kirchturm um die Wette strahlen ließ – es handelt sich ums Rathaus – war schnell verziehen. Denn Segador schaffte es durch zugeschnittene Fragen der Diskussion ordentlich „Flow“ zu verpassen.

Die Auswahl der Themen war begrenzt. Vorrangig ging es ums Bauen und die Stadtentwicklung. Die Verkehrsproblematik als ewiges Thema durfte nicht fehlen – und für den Klimaschutz blieben wenige Minuten. Freilich würde es viel mehr Aspekte geben, über die es sich zu reden lohnen würde, räumten die Helfer vom Forum Baukultur ein. Aber dafür fehlte schlichtweg die Zeit. Bei der Vorstellungsrunde wirkten die „Neulinge“ auf dem Podium etwas nervös. Richard Fischer fiel es zunächst nicht leicht, zwischen Herker-Fans und der pauschalen Opposition seinen Platz zu finden. Er sei „echt“, weil er sein Herz auf der Zunge trage. Neue Koalitionen wolle er nicht schmieden, „sondern alle mitnehmen“, wandte er sich strikt gegen Parteipolitik. Diese sei in Pfaffenhofen sowieso unnötig. „Weil 95 Prozent der Entscheidungen einstimmig fallen und damit Konsens sind.“

Christian Moser wurde von Segador auf dessen unterschwellige Spezlwirtschaft-Vorwürfe angesprochen, wo doch gerade dessen Partei über Jahrzehnte darauf spezialisiert gewesen sei. „Nur weil es das angeblich gegeben haben soll, heißt das nicht, dass wir es jetzt nicht besser machen können“, konterte der Christsoziale und fügte an, dass er Auslagerungen wie die Stadtwerke gerne rückgängig machen würde. Sein „Moser für alle“-Motto erklärte er mit Erlebnissen bei Besuchen in Pfaffenhofener Ortsteilen. „Die Leute meinten, da sei noch nie jemand da gewesen“, sagte Moser. Und der Südamerikaner Segador entgegnete: „Sowas hab ich auch schon mal gehört – im Amazonas.“ Der Saal tobte, das Eis war gebrochen – und die Diskussion konnte starten.

Thomas Herker punktete mit Kompetenz und Errungenschaften der letzten zwölf Jahre. Segador meinte, dass Pfaffenhofen so gut wie jeden Preis – vom Oscar mal abgesehen – erhalten habe. Und er fragte, weshalb Herker nicht nach Höherem strebe? „Weil es nichts Schöneres gibt, als Bürgermeister in Pfaffenhofen zu sein“, lautete seine Liebeserklärung an die Heimatstadt. Auch weil in den Landkreisgremien eine „teilweise schlimme politische Kultur“ herrsche, wolle er die Vertragsverlängerung.

Wer nichts zu verlieren hat, kann locker aufsprechen: Damit lässt sich wohl erklären, weshalb Franz Niedermayr mit Nadelstichen in alle Richtungen immer wieder punkten konnte. Der FDP-Kandidat wirkte entspannt und konnte sich auf seine Erfahrung verlassen. Als sich Herker und Moser über die Gewinnmarge, die Bauträger beim Wohnungsbau abschöpfen, in die Haare bekamen, war Niedermayr der Schlichter. Wobei sämtliche Lösungsansätze, wie die Krise am Wohnungsmarkt zu bewältigen sei, ausbaufähig wirkten. Herker setzt auf Sozialwohnungsbau und ein konsequent angewandtes Einheimischenmodell, Moser auf immer noch kleinere Bauparzellen, Niedermayr auf überarbeitete Bebauungspläne, Fischer auf den „Einheimischen als Maßstab“ – und irgendwie alle auf Nachverdichtung und Mikrohäuser. Als Moser den Frontalangriff des Bürgermeisters auf die Bauträger als „wenig konstruktiven Stil“ brandmarkte, hielten sich tosender CSU-Applaus und laute Buhrufe aus der roten Ecke die Waage – und danach knirschte es nur bei der Südumgehung noch einmal ähnlich heftig zwischen Herker und Moser. Die CSU setzt hier auf den eigenverantwortlichen Bau unter kommunaler Sonderlast. Herker äußerte sich süffisant über Mosers aufgebauschten PR-Besuch beim inzwischen abgetretenen Verkehrsminister und lehnte angesichts von Kosten bis zu 25 Millionen Euro und der Kooperation mit dem Nachbarn Hettenshausen das eigenverantwortliche Bauen ab. Auch Fischer und Niedermayr setzen auf „Lösungen mit Hand und Fuß“ (Fischer) in Kooperation mit dem Bauamt und nicht auf die finanziell riskante Eigeninitiative (Niedermayr).

Überhaupt waren es ausufernder Verkehr, Stadtbus, Hauptplatzsperrung und kontroverse Ansichten zu Klimawandel und Windrädern, Kreisel und Poller, wodurch die Debatte lebendig blieb. Der Umgangston war freundlich und respektvoll. Und am Ende sprachen sich die vier Kandidaten auf Segadors Drängen hin für verschiedene fiktive Fahrgemeinschaften auf dem Weg durch Pfaffenhofen aus. Hier zeigte sich, dass dann doch alle ganz gut miteinander können. Auch wenn tatsächlich keiner wusste, wie viele Kreisel vom Edeka in der Hohenwarter Straße bis zum Kino passiert werden müssen. „Vier“, preschte Herker mit der Antwort vor – und seine drei Konkurrenten schlossen sich an. „Es sind tatsächlich sogar sechs“, klärte sie der Moderator auf. Man lernt eben nie aus, wenn es um Pfaffenhofen geht, selbst wenn man sich in der Stadt noch so gut auskennt.

Patrick Ermert