Pfaffenhofen
"Schreiben unterschlagen"

Käser attackiert im Tarnów-Streit das Landratsamt - Engelhard schießt gegen SPD-Kreischef zurück

14.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:11 Uhr
Die polnischen LGBT-Aktivistinnen kämpfen in Tarnów gegen Diskriminierung. −Foto: Teczowy Tarnów

Pfaffenhofen - Nach Bekanntwerden der "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" in Pfaffenhofens polnischem Partnerlandkreis Tarnów ist in der Kommunalpolitik ein heftiger Streit über den Sinn der Partnerschaft losgebrochen. Während die einen sich an Nazi-Methoden erinnert sehen, mahnen andere zur Besonnenheit. Auch vor sehr persönlichen Angriffen machen die Akteure nicht Halt.

Die Pfaffenhofener LGBT-Community suchte am Wochenende den Austausch mit polnischen Aktivisten. SPD-Kreischef Markus Käser zeigte sich nach der Videokonferenz empört über das Landratsamt. Denn die Aktivistinnen aus dem Kreis Tarnów hätten erklärt, sich bereits Anfang März hilfesuchend und offiziell an den Landkreis Pfaffenhofen gewendet zu haben. "Dieses Schreiben von Anfang März und wurde dem Kreistag wohl unterschlagen", kritisierte Käser. In dem Schreiben heißt es unter anderem: "Die staatlichen Behörden vergessen, dass sie verpflichtet sind, innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts zu handeln und die unveräußerliche Menschenwürde, die Menschenrechte und die Gleichberechtigung zu schützen." Offizielle Dokumente in Polen nutzten eine entmenschlichende Sprache, etwa "Homopropaganda", "gefährliche Ideologie" und "eine Bedrohung für die traditionelle Familie und Kinder". Die Einrichtung von "LGBT-freien Zonen" ähnele in gefährlicher Weise der Vernichtungsrhetorik des vergangenen Jahrhunderts und beeinträchtige die Sicherheit der in Polen lebenden "nicht-heteronormativen und transgender Menschen". Die polnischen Aktivisten erwarteten eine "eindeutige Reaktion (Einstellung oder Aussetzung der Zusammenarbeit bis zur Rücknahme der Resolution)".

Das Schreiben sei wohl vom damaligen Landrat Martin Wolf (CSU) oder dem Landratsamt unbeantwortet geblieben, kritisierte Queer-Pfaffenhofen. Das Pfaffenhofener Landratsamt war am Sonntag nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

"Was in Tarnów passiert, ist nationalistisch und nah an den Methoden der Nazis zur Verfolgung von Homosexuellen", sagte Käser. Mit einem Schreiben an den Landrat des Kreises Tarnów, das Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner (FW) angekündigt hatte, sei es nicht getan. "Ich empfehle dem Kreistag die bestehende Partnerschaft ultimativ zu stoppen, solange derart diskriminierende Verhältnisse vorherrschen. Der Beschluss des Kreistages ist nicht vertretbar mit dem verbindenden Geist einer Landkreis-Partnerschaft", sagte Käser.

Norbert März von Queer-Pfaffenhofen erklärte, die Videokonferenz habe gezeigt, was es bedeute, in einer LGBT-freien Zone zu leben. Das tägliche Leben der Community müsse dort notgedrungen in einer Grauzone stattfinden. Obgleich die Deklaration keinen Gesetzescharakter habe, "führt sie dennoch zu einer massiven Stigmatisierung von Menschen, die in der Öffentlichkeit, staatlich gefördert und unterstützt, als ,krankhaft', abartig und Menschen zweiter Klasse dargestellt werden", sagte März. Dies werde durch eine extrem hohe Rate von Selbstmordgefährdungen unter den jüngeren Mitgliedern der Community in Polen unterstrichen. Auch Claudia Hander aus der Pfaffenhofener Community sagte, es sei "schockierend, welche Polemik und Wortwahl hierbei von Offiziellen in Polen verwendet wird, die rechtsradikale, wenn nicht faschistische Tendenzen erkennen lassen".

Auch andere Kreisräte kritisierten Tarnów, stellten die Partnerschaft aber nicht infrage. CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann und der Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) etwa mahnten zu einem besonnen Vorgehen. "In einer Partnerschaft soll es vorkommen, dass es auch Unstimmigkeiten gibt oder man die Meinung des anderen nicht teilt", heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Am Ende mache die Partnerschaft aus, dass die Beziehung gelebt werde. "Eine Trennung wäre ein Indiz für eine anhaltende Disharmonie, die schließlich unerträglich wird", sagte Rohrmann. Die langjährige Verbindung dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Gerade jetzt sei auf Dialogbereitschaft zu setzen. Auch Straub betonte, es sei eine "kontraproduktive Kurzschlusshandlung" die Partnerschaft auf Eis zu legen. Man müsse abwarten, wie sich Taróws Landrat Roman Lucarz positioniere, "dann kann über weitere Schritte gesprochen werden".

Auch Altlandrat Rudi Engelhard (CSU), unter dessen Amtszeit die Partnerschaft begann, lehnte Käsers Forderungen ab: Dies sei "auf den ersten Blick nachvollziehbar. Bei einigem Nachdenken erkennt man aber, dass das mit Sicherheit der falsche Weg ist." Wer etwas für die betroffenen Menschen ändern wolle, müsse im Dialog bleiben. Bestrafungsaktionen von außen seien nur Wasser auf die Mühlen der Hardliner. "Auch wir in Deutschland haben einen langen Weg bis zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften hinter uns und noch einiges vor uns", sagte er. Er sehe auch Polen auch auf dem Weg. Dabei müsse man auch den gerade in Südpolen massiven Einfluss der katholischen Kirche berücksichtigen.

Der Altlandrat griff zudem Käser, der erklärt hatte, die Partnerschaft basiere auf alten Jagdfreundschaften Engelhards, scharf an: "Hauptsache er kann andere in ein schlechtes Licht setzten. Auf die Wahrheit legt er dabei kein besonderes Gewicht." Die Initiative zur Partnerschaft sei alleine vom Powiat Tarnów ausgegangen - "von damaligen Kreistagsmitgliedern, die als Studenten als Saisonarbeiter im Landkreis Pfaffenhofen gearbeitet haben". Käsers Vorwürfe empfinde er als persönliche Beleidigung. Rohrmann und Straub sprangen Engelhard zur Seite: Die Vorwürfe seien "so unverschämt wie falsch".

Auch die ÖDP positionierte sich gegen ein Ende der Partnerschaft. "Natürlich sind wir für Vielfalt, Offenheit und Toleranz", sagte Fraktionssprecher Reinhard Haiplik. Der Kreis sollte mit einer entsprechenden Botschaft an Tarnów herantreten. Aber die Partnerschaft sollte nicht beendet, sondern - im Gegenteil- intensiviert werden, um mit den Verantwortlichen in einen Dialog zu treten. Gegenüber einem Land, dem Deutschland so viel Leid zugefügt habe, sollten "wir uns nicht zu moralischen Lehrmeistern" aufschwingen, betonte er.

PK