Geisenfeld
Pollen und Klima sind ihr Fachgebiet

<DK-XY_trifft></DK-XY_trifft>Die in Geisenfeld aufgewachsene Professorin für Landschaftsökologie, Dr. Susanne Jochner-Oette, sieht auch Kommunen in der Verantwortung

24.07.2021 | Stand 23.09.2023, 19:55 Uhr
Professor Susanne Jochner-Oette (links) mit Studenten auf dem Campus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie erklärt hier die Funktion einer neuen Wetterstation, die auch als Pollenfalle viele Vorteile bietet. −Foto: Christian Klenk/KU Eichstätt

Geisenfeld - Beim Besuch in ihrer alten Heimat sind sie ihr gleich aufgefallen, die im Stadtzentrum gepflanzten Baumhaseln. "Diese haben zwar ein tolles Blattwerk und spenden viel Schatten - sie produzieren aber auch enorm viel Pollen", sagt Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette - und sie muss es wissen: Die in Geisenfeld aufgewachsene Wissenschaftlerin ist anerkannte Expertin in Sachen Pollen und Klima.

Beim digitalen Video-Plausch mit der Zeitung erinnert sich die 39-Jährige mit einem Lächeln an den März 2004. Da machte sie nach gerade bestandenem Abitur ein dreiwöchiges Praktikum in der Geisenfelder Redaktion. Jetzt, als Professorin für Landschaftsökologie, geht es in ihren Forschungen und Veröffentlichungen um hochwissenschaftliche Fragen - etwa, wie sich durch den fortschreitenden Klimawandel auch die Pollenbelastung und die Pollenmenge ändern. Als zweiten Schwerpunkt ihrer derzeitigen Arbeit nennt Jochner-Oette das Eschentrieb-Sterben. Verursacht durch einen Pilz, der Sporen freisetzt, die in den Blättern der Eschen die Leitbahnen verstopfen.

Leib- und Magenthema der Wissenschaftlerin (siehe Portrait unten) sind aber die Pollen in Hinblick auf das Klima. Dass sie dabei urbane Ökosysteme besonders in den Fokus genommen hat, lässt sich, vereinfacht gesagt, so erklären: In Großstädten ist nicht nur die Luft vielfach schlechter, wegen der dichten Bebauung und geringeren Vegetation ist es dort auch wärmer als im Umland. So hat die 39-jährige Wissenschaftlerin im Rahmen ihrer Doktorarbeit zum Beispiel herausgefunden, dass Kastanien, Birken und Haselnussbäume in Ingolstadt bis zu drei Tage früher blühen als in den ländlichen Gebieten außen herum.

Womit wir wieder bei den eingangs angesprochenen Geisenfelder Baumhaseln wären. Diese seien recht hitze- und trockenheitsresistent und erfreuten sich deshalb auch bei innerstädtischen Pflanzungen zunehmender Beliebtheit. Solche Aspekte bei der Bauauswahl zu berücksichtigen, sei auch "wichtig und richtig", so Jochner-Oette. Allerdings wird aus ihrer Sicht "viel zu wenig darauf geachtet, ob es sich um allergene Baumarten handelt, zu denen etwa Birke, Erle, Hainbuche oder Hasel zählen. Die Wissenschaftlerin weist darauf hin, dass mittlerweile jeder Siebte in Deutschland zu Heuschnupfen neigt und fast jeder fünfte Erwachsene im Bundesgebiet mindestens von einer Allergie geplagt wird. In Parkanlagen genüge oft schon ein prozentual geringer Anteil allergener Pflanzen, um bei Allergikern massive Reaktionen auszulösen, hat Jochner-Oette herausgefunden. Generell gelte: Weniger Allergien werden von solchen Baumarten ausgelöst, die von Insekten bestäubt werden. Wenn dies durch den Wind passiert, sei natürlich die erforderliche Pollenzahl viel höher.

Über allen Einzelaspekten stehe jedoch der Klimawandel, und so will die 39-Jährige einen Beitrag leisten, die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, "dass dieser Wandel auch in unserem Leben in Bayern massive Auswirkungen haben wird". Die Eichstätter Pollenforschung unter Leitung von Jochner-Oette ist deshalb Teil eines Verbundsprojekts des Bayerischen Netzwerks für Klimaforschung. Bei diesem wird in mehreren Teilprojekten untersucht, wie sich der Klimawandel auf Pflanzen und Tiere im Freistaat auswirkt. Indem die Bürger hier als "Laienforscher" mit einbezogen werden, wolle man die komplexe Materie anschaulich vermitteln und für die Bürger so besser erfahrbar machen, erläutert Jochner-Oette. Konkret umgesetzt wird dies mit einer kostenlosen App namens Baysics, mit der die Bürger durch Meldung von blühenden allergenen Pflanzen dabei helfen, eine Risikokarten für Heuschnupfen-Geplagte zu erstellen. Zum anderen leisten die Mitmacher auf die Weise eine Beitrag, Daten für die Erforschung des Klimawandel und seiner Auswirkungen zu sammeln.

Wie massiv diese Auswirkungen sein werden, dafür fehle in weiten Teilen der Bevölkerung noch das Bewusstsein, so der Eindruck der Wissenschaftlerin. Bei dieser Bewusstseinsbildung, so die Professorin, komme auch den Kommunen eine wichtige Aufgabe zu. Diese seien aufgerufen, mit gutem Beispiel voranzugehen, um den Wandel einzudämmen und dessen Folgen zu begrenzen. Sei es mit mehr Baumpflanzungen etwa an den Schulen und Kindergärten, mit Dach- und Fassadenbegrünungen bei den städtischen Liegenschaften oder mit der Freihaltung von Frischluftschneisen bei der Stadtplanung. Natürlich, so Jochner-Oette, müssten die Maßnahmen individuell entsprechend der örtlichen Gegebenheiten erfolgen. "Doch Möglichkeiten, proaktiv tätig zu werden, hat jede Kommune."

VON DER BÜROKAUFFRFAU ZUR LEHRSTUHL-INHABERIN Professor Dr. Susanne Jochner-Oette ist seit April 2015 Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geografie, Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die 39-Jährige gilt in wissenschaftlichen Kreisen als Koryphäe in Sachen Pollen und Klima. Dabei hatte sie eine akademische Karriere zunächst gar nicht in auf dem Schirm. Ihr Abitur machte die in Geisenfeld aufgewachsene Wissenschaftlerin erst nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau, ihren Doktor der Naturwissenschaften dann mit summa cum laude - also der "Bestnote".Thema ihrer 2012 erschienenen Doktorarbeit sind die veränderten Blühzeitpunkte und Pollenemissionen von Bäumen infolge des Treibhauseffekts. Dabei konzentrierte sich Jochner-Oette auf urbane Ökosysteme, "die aufgrund des Klimawandels immer mehr in den Fokus der forstwissenschaftlichen Forschung rücken", wie sie wissen lässt. Die Umweltbedingungen in der Stadt haben nach ihren Untersuchungen große Auswirkungen auf die Menge und die Aggressivität der Pollen.Für die Forstwissenschaften sind Susanne Jochner-Oettes Forschungen von besonderem Interesse. Weil - vor dem Hintergrund des Klimawandels - die von ihr untersuchten Faktoren für die Stoffkreisläufe in Waldbeständen von erheblicher Relevanz sind. Aus diesem Grund wurde der Tochter eines gelernten Elektrikers 2014 der Deutsche Forstwissenschaftspreis verliehen, die mit 15 000 Euro höchstdotierte forstwissenschaftliche Auszeichnung im deutschsprachigen Raum. Auch in ihrer 2015 erschienenen Habilitationsschrift geht es um die Erforschung von wissenschaftlichen Prozessen in Hinblick auf die Pollenkonzentration.Susanne Jochner-Oette lebt mit ihrem Mann und ihrem dreijährigen Sohn in Eichstätt. Alle paar Wochen kommt sich jedoch zurück in ihre alte Heimat nach Geisenfeld, um ihre Eltern zu besuchen.kog

Gerhard Kohlhuber