Pfaffenhofen
Picknick im Paradies

Couscous und Zwetschgendatschi: Mehr als 100 Besucher genießen im Interkulturgarten die Gemeinschaft

15.07.2018 | Stand 25.10.2023, 10:30 Uhr
  −Foto: Fotos: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Picknicken im Paradies - dazu hatte der Arbeitskreis Inklusion und der "InterKulturGarten" auf seinem Gelände am Heimgartenweg eingeladen. Mit Decken, Brotzeitkörben, Thermoskannen und Geschirr waren an die hundert Besucher gekommen - mit und ohne Migrationshintergrund. Aber das war hier ohnehin niemandem wichtig.

Schon vor fünf Jahren hatten die Veranstalter anlässlich der Paradiesspiele dieses "himmlische" Picknick ausgerichtet. Jetzt ist es fester Programmpunkt des Lutz'schen Kulturfestivals. Der Frieden des biblischen Gartens Eden, wie er im Brandner Kaspar beschrieben wird, war hier auf der blühenden Wiese im Schatten von üppig tragenden Apfelbäumen, bei Vogelgezwitscher und Bienensummen, spürbar. Die unterschiedliche Herkunft der Gäste, ob aus Afghanistan, Kolumbien oder der Türkei, war kein Thema. Kulturelle Unterschiede lösten sich bei Lammspießen, Couscous, Wurstsalat und Zwetschgenstreusel auf.

"Wollen Sie mal probieren?" Jawad, 30, hat vom Grill einen Fleischspieß geholt und hält ihn dem Besucher einladend entgegen. "Lamm", sagt er, "und Lammherz. Sehr lecker!" Der dreijährige Theodor auf dem Arm seiner Mutter Annelie greift neugierig zu, nachdem seine Mama die Hitze vom Fleischstückchen weggepustet hat. Mmh, schmeckt! Jawad ist vor fünf Jahren aus Afghanistan geflohen und wohnt jetzt mit Frau und zwei Kindern in Pfaffenhofen. Einen Arbeitsplatz, freut er sich, hat er auch. "Wo denn?", fragt Annelie. "Bei Hipp", erwidert Jawad. "Na so 'was", staunt Annelie, "dann haben wir ja denselben Arbeitgeber!" Und schon sind beide im Gespräch und überlegen, ob sie sich vielleicht mal in der Kantine über den Weg gelaufen sind.

Die 34-jährige Annelie bearbeitet auf dem Gelände eine der Gartenparzellen. Auch Jawad pflanzt auf seinem Areal Gemüse an, Zucchini, Kartoffeln, Tomaten, Gurken. "Die müssen Sie probieren", sagt er. "Das sind afghanische Gurken, schmecken ganz anders. "

40 Parzellen, erklärt Manfred "Mensch" Meier, Stadtrat und Gründer des InterKulturGartens, sind zu vergeben. "Je ein Drittel an Bayern und Zug'reiste, ein Drittel an Pfaffenhofener mit Migrationshintergrund, und ein Drittel an Asylsuchende." Miriam und Nikolaus Matern haben mit ihren beiden Kindern den Picknick-Nachmittag genutzt, um sich bei Meier für eine der Parzellen zu bewerben. Kein Problem, aber sie müssen sich auch verpflichten, bei Gemeinschaftsarbeiten anzupacken.

Wie die Materns wohnt auch der 36-jährige Robert mitten in der Stadt. Vom Paradies-Picknick hat er in der Zeitung gelesen. Jetzt verzehrt er mit ein paar Freunden auf einer Decke Salat, Radieschen und Knabberstangen. Interkultur? "Die Hauptsache, es sind nette Menschen", sagt er.

Und die gibt's hier auf jeder Picknick-Decke. "Probieren Sie doch mal diesen Kaffee!" Alexander Sacher hält einen dampfenden Becher in der Hand. "Die erste Kaffee-Ernte von unserer Finca", strahlt er. "Für einen Espresso noch nicht ganz so rund, aber das bekommen wir schon hin." Seine Frau Irma kommt aus Kolumbien. Irma hat eine Freundin mitgebracht: Merxi kommt aus Ecuador, wo sie einen deutschen Entwicklungshelfer kennengelernt hat. Mit dem ist sie jetzt verheiratet und wohnt seit 20 Jahren im Landkreis. "Ich bin glücklich hier", sagt sie bestimmt. "Mein Sohn hat sich jetzt bei der Bundeswehr beworben." Werbeslogan: "Wir. Dienen. Deutschland." So richtig begeistert scheint sie von seinem Berufswunsch nicht zu sein.

Alice Eichhorn, die in der interkulturellen Kita am Schleiferberg als Erzieherin arbeitet, hat eine Bildergeschichte "für Kleine und Große" mitgebracht. Die Zeichnungen klammert sie an eine lange Wäscheleine, die zwischen zwei Bäumen gespannt ist. Thema: Wie aus Fremden Freunde werden.

Der Rassismus sei hausgemacht, sagt Meier. Er glaubt, dass die Ressentiments gegenüber Fremden von manchen Politikern bewusst geschürt werden, um von den wirklichen Problemen abzulenken: Altersarmut, Bildungsmisere, löchriges Gesundheitssystem. "Bitte", winkt Keziban den Besucher heran, "probieren Sie." In der ausgestreckten Hand hält sie ein kleines Glas. "Echter türkischer Tee." Die 52-Jährige bewirtschaftet seit drei Jahren ihren Garten mit Tomaten, Paprika, Bohnen, Mais und Trauben. Trauben? Ja, das Klima hier lasse das zu.

Auch Waltraud und ihr Mann "Dietz" haben hier ein Beet. Die beiden, 70 und 77 Jahre alt, sind Gartler der ersten Stunde. Waltraud genießt es, mit jungen Familien zusammenzukommen. Auch die Äpfel werden gemeinsam gepflückt und dann zur Obstpresse gebracht. Und das lohnt sich? "Jetzt schauen Sie doch mal", sagt die 70-Jährige, "wie das hier wächst." Die Bäume hängen dicht voll mit Äpfeln. Der Garten ist auf einem Bunkergelände angelegt. Und das gefällt Waltraud am meisten: "Aus einem kriegerischen Platz ist ein Ort des Friedens geworden."

Albert Herchenbach