Pfaffenhofen
Der Dampfmacher

Grüne Fernwärme aus den Wäldern: Biomasse-Heizkraftwerk ist auf Expansionskurs

30.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:37 Uhr
Das Herz des Biomasse-Heizkraftwerks mit Geschäftsführer Michael Jakuttis. −Foto: Herchenbach, Albert, Pfaffenhofe (herchenbach)

Pfaffenhofen (PK) Der Mann macht Dampf, und das gewaltig: Michael Jakuttis heizt den Pfaffenhofener Schülern, Patienten oder Stadträten ein. 200 Haushalte beliefert er mit Fernwärme beliefert. Der 38-Jährige ist seit zwei Jahren Geschäftsführer des Biomasse-Heizkraftwerks.

Die meisten Pfaffenhofener kennen davon nur die beiden weiß-roten Schlote. Wer sich auskennt, das sind die Waldbesitzer. Sie liefern den Rohstoff an, die Biomasse: Das sind vor allem Fichten-Wipfel, die für die Holzindustrie wertlos sind, aber auch das sogenannte Käferholz, vom Borkenkäfer befallene Stämme und Holz aus Windbruch - Bäume, die der Sturm zersplittert hat. Die Waldbauern zerkleinern das alles zu handlichen "Hackschnitzeln", die das Kraftwerk verbrennt und in Dampf, Wärme und Strom verwandelt, in 100 Prozent grüne Energie. Deren nachwachsender Rohstoff wird auf möglichst kurzen Wegen angeliefert. An die 20 Prozent des Materials kommen aus dem Landkreis, der Rest aus der näheren Umgebung, auf jeden Fall aber aus Bayern. 5000 Kubikmeter Schnitzel, die die Waldbauern Schüttmeter nennen, lagern in einer riesigen Halle des Kraftwerks. 700 davon werden jeden Tag verfeuert. Mit einer durchschnittlichen Temperatur von 800 Grad wird Wasser erhitzt, der Dampf wird in eine Turbine geleitet, von dem sich auch der Großabnehmer Hipp je nach Bedarf etwas abzapft zum Garen seines Gemüses und zum Sterilisieren. 2000 Kubikmeter Wasser werden stündlich mit einer Temperatur von 125 Grad in Rohre gepumpt. Elf Kilometer davon liegen in 1,20 Meter Tiefe unter Pfaffenhofens Straßen vergraben. Faszinierend: Auch nach einigen Kilometer Durchfluss bis zu den Kunden etwa im Gewerbegebiet an der Raiffeisenstraße verliert das Wasser gerade mal drei Grad an Temperatur. Wärmetauscher verwandeln dann dessen Hitze in mollige Raumtemperatur. Ein geschlossener Kreislauf: Das Wasser fließt zurück zum Kraftwerk, wo es dann mit immer noch 90 Grad ankommt. Energie, die nicht fürs Fernwärmenetz gebraucht wird, schickt das Kraftwerk als grünen Strom an die Energiekonzerne. Würden die Hackschnitzel ausschließlich in Strom verwandelt, könnten mit den 50 000 Megawatt jährlich sämtliche rund zehntausend Pfaffenhofener Haushalte versorgt werden.

Man braucht bei der Methode keine Brennstoffe wie zum Beispiel Öl mehr zu lagern, Heizkessel für Gas werden überflüssig, die Umwelt freut sich, weil durch die zentrale Energieerzeugung jährlich rund 45 000 Tonnen des Klimakillers CO2 eingespart werden. Und verglichen mit heimischen Kachelöfen bewegt sich der Ausstoß von Staub im Milligramm-Bereich.

Jakuttis, promovierter Physiker, ist ein nüchterner Mann, der das Kraftwerk - für Laien ein undurchschaubares silbern blinkendes Gewirr von Rohren, Kesseln und Turbinen - im Griff hat. Was mal Stress machte, das hat er in seinem Büro in einer Glasvitrine aufbewahrt: kaputte Rohrteile, angekokelte Isolierungen. Jedes Teil habe "richtig Nerven gekostet", sagt er. Seine und die seiner 16 Mitarbeiter. Nicht die der Kunden. Da garantiert er die Versorgungssicherheit. Zur Not gibt's zwei Reservekessel für Gas- und Ölbetrieb. Die älteren Pfaffenhofener werden sich erinnern: 2001 wurde das Kraftwerk in Privatinitiative gegründet, ging dann pleite, wurde von der Hypo Alpe Adria gekauft, und als die Bank in Konkurs ging, übernahm es 2014 der Potsdamer Wärmeversorger Danpower. Der ist mit seinen fünf deutschen Standorten, 400 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 170 Millionen Euro seit Anfang März eine 100-Prozent-Tochter der Stadtwerke Hannover.

In Pfaffenhofen ist noch Luft nach oben, Jakuttis will sein Netz um 25 Prozent ausbauen. Der VW-Händler Stigl-mayr, der gleich nebenan sein neues Autohaus baut, ist mit dabei, die neuen Wohnungen an der Kellerstraße sollen angeschlossen werden, und auch am Martin-Binder-Ring werden Rohre verlegt. Wer auf den grünen Energiezug aufspringen will, sollte allerdings wissen, dass jeder verlegte Rohrmeter bis zu seinem Haus rund 500 Euro kostet. Die reinen Energiekosten sind mit denen anderer Anbieter konkurrenzfähig.

Jakuttis, der auch noch das Kraftwerk in Sulzbach-Rosenberg leitet, macht sich nichts vor. Die Anlage in Pfaffenhofen rentiert sich, weil sie durch das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, bezuschusst wird. Diese Förderung läuft 2022 aus, dann muss er sie neu beantragen. Mit der Pfaffenhofener Anlage sieht er sich auf der sicheren Seite: "Biomasse-Kraftwerke, die ausschließlich Strom produzieren, werden wohl auslaufen", glaubt er, weil die Regierung für die reine Stromerzeugung auf Wind- und vor allem Solaranlagen setze.

Und wer sich jetzt fragt, warum Jakuttis den Dampf, der aus den beiden weißen-roten Schornsteinen in den Pfaffenhofener Himmel steigt, so einfach ziehen lässt und nicht auch noch verkauft, dem verrät der Physiker: Das ist "anderer" Dampf. Nämlich die Feuchtigkeit in den Hackschnitzeln.