Pfaffenhofen
Altersarmut "nicht akzeptabel"

Eindringlicher Appell an die Politik bei Festakt zur Wiedergründung der Arbeiterwohlfahrt

12.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr

Würdigung der AWO-Gründerin: Zweiter Bürgermeister Albert Gürtner überreichte an den stellvertretenden Kreisvorsitzenden Volker Hoppe ein "Marie-Juchacz"-Straßenschild. - Foto: Engl

Pfaffenhofen (PK) Sie zählt zu den größten und bedeutendsten Wohlfahrtsverbänden Deutschlands. Am Samstag hat die Arbeiterwohlfahrt ihre Wiedergründung vor 70 Jahren im Landkreis Pfaffenhofen mit einem großen Festakt gefeiert.

Welchen Stellenwert die AWO in Stadt und Landkreis Pfaffenhofen hat - neben dem Kreisverband feierten übrigens auch die Ortsvereine Geisenfeld, Pfaffenhofen und Wolnzach ihr 70-jähriges Bestehen - konnte man bereits bei der Begrüßung durch Volker Hoppe, dem stellvertretenden Kreisvorsitzenden, erleben. Hoppe vertrat den Ersten Vorsitzenden Gerhard Ludwig, der zwar an dem Festakt teilnahm, nach einem Unfall aber noch gesundheitlich angeschlagen ist. In Vertretung des Landkreises war Pfaffenhofens Altbürgermeister Hans Prechter, selbst langjähriges AWO-Mitglied, erschienen. Unter den Gästen befanden sich unter anderem Europa-Abgeordnete Maria Noichl, Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer, Landtagsabgeordneter Karl Straub sowie mehrere Bürgermeister.

Breiten Raum nahm im Rahmen des Festakts auch eine Würdigung des Lebenswerks von Marie Juchacz, Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, ein. Ihr zu Ehren findet derzeit im Foyer des Rathauses eine Ausstellung statt, die noch bis zum 8. Dezember läuft. Als besondere Überraschung hatte Pfaffenhofens Zweiter Bürgermeister Albert Gürtner ein Straßenschild mit den Namen der Frauenrechtlerin mitgebracht. Eine Straße in einem Neubaugebiet der Kreisstadt werde demnächst nach Marie Juchacz benannt, so Gürtner.

Den Festvortrag hielt mit Thomas Beyer der Landesvorsitzender der AWO. In seiner oft nachdenklich stimmenden Rede kam der Professor auf zahlreiche soziale Probleme zu sprechen und richtete auch an die Politik den eindringlichen Appell, sich so mancher Dinge im Sozialbereich viel stärker als bisher anzunehmen. So könne es doch in der heutigen Zeit bei uns nicht akzeptabel und normal sein, dass viele Menschen, darunter oft auch ältere oder kranke Mitbürger, nach einem arbeitsreichen Leben auf die Unterstützung von Wohlfahrtsverbänden oder Einrichtungen wie der "Tafel" angewiesen seien. Damit wolle er das hohe Engagement der Tafel-Einrichtungen in keinster Weise schmälern, sondern nur auf Missstände hinweisen, die derartige Hilfen überhaupt erst notwendig machen würden. Marie Juchacz bezeichnete Beyer als eine Vorkämpferin für viele, heute selbstverständliche soziale Rechte, insbesondere der Frauen. Rechte, die es weiter auszubauen, aber auch zu bewahren gelte.

Nicht einfach war die Zeit für die AWO unter dem NS-Regime. "Die Aktivitäten mussten komplett eingestellt werden, beugten sich doch viele Persönlichkeiten der AWO-Führung den damaligen Nazi-Forderungen nicht", betonte der Landesvorsitzende. So sei es ein durchaus zu feiernder Anlass, dass ab 1947 viele Ortsverbände, unter anderem Geisenfeld, Wolnzach oder Pfaffenhofen, wieder neu gegründet werden und ihre oft ehrenamtliche Tätigkeit wieder aufgenommen werden konnten. Viel Hilfe erfuhren so auch Kriegsheimkehrer, die oft vor dem "wirtschaftlichen Nichts" gestanden hätten.

In mehreren Grußworten wurde deutlich, wie wichtig es sei, auch jüngere Leute wieder mehr für die dringend erforderlichen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu gewinnen, um so einer Überalterung und Arbeitsüberlastung der Organisationen und Gruppierungen vorzubeugen. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von einem Streicherquartett mit Eva Kornas (Leitung), Marlene von Streit, Sarah Garstecki sowie Jaana Kretzschmar.