Pfaffenhofen
Notbetreuung: "Das nehme ich der Regierung sehr übel"

Bürgermeister im Landkreis Pfaffenhofen kritisieren Regelung - manche Einrichtungen zu 50 Prozent ausgelastet

14.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:25 Uhr
Bis zu 50 Prozent der Kinder besuchen die Notbetreuung in manchen Pfaffenhofener Kindertagesstätten: Wie hoch die Quoten in den Einzelnen Einrichtungen, wie hier im Burzlbaam, darüber schweigt sich die Stadt aus. −Foto: Jobst

Pfaffenhofen - Eigentlich sind sie bis Ende Januar geschlossen, wirklich leer sind Krippen und Kindergärten aber nicht. So sind beispielsweise in der Reichertshausener Kinderkrippe 17 der 32 Kinder für die Notbetreuung angemeldet - zusätzlich läuft die Eingewöhnung von acht Kindern.

Laut Bürgermeister Erwin Renauer (UWG) ist das explizit vom Ministerium genehmigt, wenn die Eltern danach eine Notbetreuung wünschen. Heißt im Klartext: 25 von 40 Kindern besuchen die Krippe, dazu kommen zumindest teilweise die Eltern der Eingewöhnungskinder - obwohl die Einrichtung eigentlich geschlossen sein sollte. Gut findet Renauer die Regelung nicht. "Ich nehme unserer Regierung sehr übel, dass sie gesagt hat, jeder Berufstätige hat Anspruch auf eine Notbetreuung, und nicht nur wer in einem systemrelevanten Beruf tätig ist."

Kritik an der Regelung übte auch schon die Gewerkschaft GEW: Durch die schwammigen Formulierungen finde häufig kein Not-, sondern ein Normalbetrieb statt, heißt es in einer Pressemitteilung. Eltern brauchten keine Appelle, sondern Unterstützung, um bei den Kindern bleiben zu können. Für die Notbetreuung brauche es engere Vorgaben, ähnlich wie im Frühjahr. Insgesamt sind für die Reichertshausener Tagesstätten 60 von 216 Kindern für die Notbetreuung angemeldet, das sind immerhin 28 Prozent.

Ähnlich ist die Situation in Pfaffenhofen. Die Notbetreuung in den städtischen Pfaffenhofener Kitas wird rege in Anspruch genommen, heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Die Zahl der betreuten Kinder in den sieben Einrichtungen steige täglich. "Wir wissen, dass es derzeit keine einfache Situation ist, weder für die Familien noch für das Personal in unseren Kitas. Dass die Kindergärten und Krippen derzeit geschlossen sind, ist jedoch eine Mär angesichts eines Anteils von bis zu 50 Prozent der Kinder, die zur Notbetreuung angemeldet sind", sagt Bürgermeister Thomas Herker (SPD). "Im Schnitt ist ein Viertel der Kinder in den Einrichtungen. Das bedeutet, wer einen Platz braucht, bekommt auch einen. Trotzdem appelliere ich an die Eltern, wenn immer es möglich ist, ihre Kinder zu Hause zu betreuen." Für die städtischen Kitas habe die Stadt Pfaffenhofen ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu verhindern. Luftreinigungsgeräte in den Räumen sollen Aerosole aus der Raumluft filtern und so das Ansteckungsrisiko verringern.

In Vohburg ist die Situation entspannter - zumindest noch. Laut Bürgermeister Martin Schmid (SPD) nehmen die Eltern für etwa zehn Prozent der Kinder die Notbetreuung in Anspruch. "Das passt, wir sind zufrieden", sagt Schmid. Laut Silke Finger-Rechenauer, Leiterin der Kindertagesstätte Spatzennest, gibt es für nächste Woche aber bereits mehr Anmeldungen als bisher. Den Kindern in der Notbetreuung versuchen die Mitarbeiterinnen einen möglichst normalen Kitaalltag zu bieten - unter Einhaltung der Hygieneregeln und der Maskenpflicht.

Aber auch die Daheimgebliebenen will Finger-Rechenauer nicht vergessen. Mit ihrem Team stellt sie unter dem Titel "Treffen mit dem Spatzennest" auf Youtube kurze Videos ein. Da gibt es eine Anleitung für eine Schneeeulen-Collage und eine Fingerpuppe oder eine Sprachübung zum "sch". Solange es keinen geregelten Kindergartenbetrieb gibt, wollen die Mitarbeiterinnen so Kontakt zu den Kindern halten.

An den Grundschulen ist die Situation nicht mit der in den Kindertagesstätten vergleichbar. Für den Dienstag waren an den 21 Grundschulen für die das Staatliche Schulamt zuständig ist, weniger als sechs Prozent der Kinder für die Notbetreuung angemeldet. Von Schule zu Schule gibt es aber deutliche Unterschiede. In der Grundschule Ernsgaden geht kein einziges der 131 Kinder in die Notbetreuung, an der Grund- und Mittelschule Pfaffenhofen tummeln sich immerhin 27 der 158 Grundschüler - über 17 Prozent. Rektor Reinhard Bachmaier hat den Grund dafür ausgemacht: Seine Schule ist für die Erst- bis Viertklässler eine reine Ganztagesschule, das sei das Alleinstellungsmerkmal. "Die Eltern haben ihre Kinder bei uns angemeldet, weil beide berufstätig sind", sagt Bachmaier. "Deshalb sind die Zahlen für mich nicht überraschend. Wir müssen unsere Aufgaben erfüllen." Grundsätzlich hält Bachmaier die Regelungen zur Notbetreuung für richtig. "Die Eltern gehen im Großen und Ganzen verantwortungsvoll damit um", sagt er, gibt aber auch zu bedenken: "Je länger die Situation dauert, desto mehr werden ihre Kinder anmelden." Dass bei ihr kein einziges Kind für die Notbetreuung angemeldet ist, führt Karoline Finkenzeller von der Grundschule in Ernsgaden darauf zurück, dass es dort kein Ganztagesangebot gibt. "Die Eltern haben schon im Regelbetrieb nicht den Bedarf, den andere haben", sagt sie. Außerdem würden im ländlichen Raum einige auch auf Oma und Opa zurückgreifen. "Ich glaube, dass sich da beide Haushalte nicht so strikt trennen. Je nach Alter der Großeltern."

Ob die Kinder in der Notbetreuung an Videokonferenzen mit ihren daheimgebliebenen Mitschülern teilnehmen können, hängt laut Schulamtsleiter Erich Golda von der technischen Ausstattung an den Schulen ab. Die Schüler brauchen Computer und auch Headsets, wenn mehrere in einem Raum sitzen, die betreuenden Lehrer müssen sich erst auf die Situation einstellen. "Wir sind dabei die technischen Möglichkeiten zu schaffen", sagt beispielsweise Bachmaier.

In Schulen mit einer hohen Quote an Notbetreuungskindern kann laut Golda auch die Datenleitung der Schule ein Flaschenhals sein. "Wenn es mit den Videokonferenzen nicht klappt, haben die Kinder in der Notbetreuung ihren Wochenplan wie die Kinder zu Hause auch", sagt er. Bei Fragen steht die Aufsicht zur Verfügung. Unterricht im eigentlichen Sinn gibt es laut Bachmaier nicht. "Davon sind wir ein Stück weit entfernt. Sonst würde es auch keinen Sinn machen."

PK

Severin Straßer