Pfaffenhofen
Nicht viel los im Audi-Zug: Schichtplan passt, doch nur wenige fahren mit

20.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:22 Uhr
Wolfgang Kollmeyer
Gähnende Leere: Im Zug zur Frühschicht bei Audi ist fast nichts los. Auf dem Weg durch den Landkreis Pfaffenhofen bis zur Haltestelle beim Ingolstädter Autobauer steigen nur wenige Passagiere ein. −Foto: Kollmeyer

Pfaffenhofen - Es hat lang gedauert bis der Audi-Bahnhof in Ingolstadt Realität wurde. Jetzt gibt es ihn aber - und sogar die Schichtarbeiter können seit der Fahrplanänderung im Dezember mit dem Zug fahren. Los ist in den Waggons aber so gut wie gar nichts: ein Fahrbericht.

Schichtarbeiter aus dem Landkreis Pfaffenhofen können jetzt also morgens um 5 Uhr in Pfaffenhofen in den Zug einsteigen und über die Bahnhöfe Rohrbach, Baar-Ebenhausen, Ingolstadt Hauptbahnhof und Ingolstadt Nord um 5.31 Uhr bei Audi aussteigen. Aus der Gegenrichtung startet um 5.07 Uhr der Zug vom Bahnhof Eichstätt und trifft um 5.25 Uhr beim Autobauer ein - eine Fahrt ohne Stress und Umsteigen. Gleiches gilt für die Spätschicht, für die der Zug um 13.02 Uhr in Pfaffenhofen abfährt - Fahrtzeit 33 Minuten.

Dass mit dem Bahnangebot nicht nur der Straßenverkehr generell entlastet und die Fahrt zur Arbeit erleichtert wird, sondern auch die Umwelt geschont und besonders der Stadtverkehr und mögliche Staus in Ingolstadt reduziert werden, spricht eigentlich voll für die Bahn. Auch Nicht-Schichtarbeiter kommen mit dem Zug problemlos nach Ingolstadt - der Audi- Bahnhof wird stündlich angefahren.

Nach Angaben von Audi-Sprecherin Linda Kawan wohnen gut 3500 Beschäftigte entlang der Bahnlinie Pfaffenhofen-Ingolstadt, darunter gut 2000, die in einem Schichtsystem arbeiten. Um die Mitarbeiter vom umweltfreundlichen Weg zur Arbeit zu überzeugen, bezuschusst Audi das 1589 Euro teure Job-Ticket ab Pfaffenhofen mit 300 Euro pro Jahr. Pro Monat bleiben für die Audianer also gut 107 Euro - und das Ticket kann auch sonst für Bahnfahrten bis Ingolstadt verwendet werden. Die bisher bestehende Buslinie wurde mittlerweile eingestellt.

Los ist in den Zügen aber nicht viel - obwohl das Ingolstädter Audi-Werk seine Schichten laut Unternehmensangaben mittlerweile wieder hochfährt. Erst in Baar-Ebenhausen stiegen bei der Testfahrt neun Fahrgäste ein, erzählt ein Bahnmitarbeiter, der für die Zählung der Fahrgäste im Zug saß. Darunter zwei, die keine Frühschicht hatten sowie eine 16-jährige Auszubildende.

Die restlichen Zugfahrer aus Baar-Ebenhausen oder Freinhausen haben früher das eigene Auto oder den Schichtbus genutzt. Die meisten sind mit dem neuen Angebot zufrieden. Weniger zufrieden sind zwei Schichtarbeiter, die am südlichen Ende des Audi-Geländes arbeiten. Grund: Sie verspäten sich immer leicht bei der Schichtübergabe, weil der Fußweg zum Arbeitsplatz zu weit ist - früher hielt der Schichtbus beim Audi-Forum gleich in der Nähe der Werkhalle. Beschwerden beim Betriebsrat seien erfolglos gewesen, berichten sie.

Beim Autobauer ist man offenbar froh, dass es jetzt eine Bahnverbindung für Schichtarbeiter gibt. Aber bei Gesprächen mit anderen Audianern, die nicht mit der Bahn fahren, stellt sich heraus, dass sie das Angebot nicht annehmen, weil es mit dem Auto bequemer sei und man wegen der Coronaregeln nicht mit so vielen Menschen und Maske im Zug sitzen mag. Selbst dass die Fahrt mit der Bahn bequem ist und gerade im Winter bei Eis und Schnee viel ungefährlicher, kann Einzelne nicht überzeugen - auch nicht die geringeren Kosten und die Zeit, die man nicht im Stau oder bei der Parkplatzsuche verbringen muss.

Dabei sagen neuste Studien zum öffentlichen Nahverkehr, dass viele Menschen ihr Auto eher stehen lassen würden, wenn es gute Nahverkehrsverbindungen gibt. Den Nachweis müssen die Pendler erst noch erbringen.

DIE GESCHICHTE

Die ersten Forderungen nach einem Bahnhalt kamen vom Audi-Betriebsrat schon vor über 30 Jahren, doch das Interesse war zu der Zeit weder von der Stadt Ingolstadt noch von der Audi AG sehr groß. Bis alle beteiligten Gremien überzeugt waren, dauerte es bis 2016, als im Juli der Vertrag von den Partnern Bahn, Stadt, Audi und Freistaat unterzeichnet wurde.

Auch die damaligen Landräte der umliegenden Landkreise Martin Wolf (Pfaffenhofen), Roland Weigert (Neuburg-Schrobenhausen) und Anton Knapp (Eichstätt) waren voll des Lobes für dieses wichtige Infrastrukturprojekt. Die Baugenehmigung lag im November 2017 vor und im März 2018 erfolgte schließlich der erste Spatenstich. Bahn und Freistaat teilten sich die Kosten für den Bau des Bahnhofs, die Stadt Ingolstadt und Audi die Kosten für die Anbindung an das öffentliche Straßennetz. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 15 Millionen Euro.

Im Dezember 2019 wurde der reguläre Betrieb der Station nach eineinhalb Jahren Bauzeit dann aufgenommen; die offizielle Eröffnung sollte eigentlich später im April 2020 mit Beginn der Landesgartenschau in Ingolstadt stattfinden, doch diese wurde bekanntermaßen wegen der Coronapandemie um ein Jahr verschoben. Trotzdem hatten die Gartenschau-Besucher aus Nord und Süd im vergangenen Jahr die Möglichkeit beim Bahnhof Ingolstadt Audi auszusteigen.

Vor dem Bahnhof wurden Parkplätze, Radlständer und Haltestellen für Busse des öffentlichen Nahverkehrs eingerichtet. 16 Buslinien des Ingolstädter Verkehrsverbundes (INVG) fahren den Bereich nun an. Der anfängliche Fahrplan der Bahn war zur Anfangszeit zwar noch nicht so optimiert, dass auch Audi-Schichtpersonal den Bahnhof wirklich nutzen konnte, doch mit der jetzigen Änderung des Fahrplans im Dezember sind auch diese Stolpersteine beseitigt, auch wenn es noch einige Verbesserungen geben könnte.

So fehlt noch eine direkte Verbindung von Schrobenhausen und aus der Richtung Regensburg/Vohburg, hier ist der Bahnbetreiber Agilis zuständig. Doch dieses Problem soll mit einem Wendegleis am Gaimersheimer Bahnhof gelöst werden, wie die dortige Bürgermeisterin Andrea Mickel (SPD) erläutert; bis Ende 2024 sollte das Projekt umgesetzt sein, so eine frühere Prognose der Bahn.

PK

Wolfgang Kollmeyer