Pfaffenhofen
Liebevolle horizontale Wurzelbehandlung

Kulturhimmel: Gelungener Kabarettabend mit der vielseitigen Franziska Wanninger

26.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:45 Uhr
Kabarettistin, Schauspielerin und Erz-Komödiantin in einer Person vereint: Franziska Wanninger. −Foto: Steininger

Pfaffenhofen - Von der affektierten Esoterikerin bis zur rustikalen Oktoberfest-Bedienung, von der radebrechenden Putzfrau bis zur banalen Influencerin reicht die Palette der Charaktere, die Franziska Wanninger in ihrem dritten Programm "Furchtlos glücklich" dem Publikum im Rahmen des Pfaffenhofener Kulturhimmels präsentiert. Das amüsierte sich köstlich über eine Erz-Komödiantin mit Tiefgang.

Die Franziska hat nämlich Probleme mit ihrer unerfüllten Liebe zu ihrem Zahnarzt Andi. Und sie hat mit Mitte 30 Angst vor einer Zukunft ohne drei Kinder, Eigenheim, zwei Autos und Weber-Grill. Deshalb bucht sie das Seminar "Furchtlos glücklich", um ihre Ängste zu bekämpfen. Und das stellt auch die Rahmenhandlung, in der Franziska Wanninger in verschiedene Rollen schlüpft, mit Charakteren, die sie kabarettistisch überzeichnet und persifliert, aber durchaus nah an Typen, wie man sie manchmal trifft. Da spielt sie die Seminarleiterin und "Angstexpertin" Melissa, die völlig abgehoben ihre Chakra-Weisheiten verkündet, aber auch unterschiedliche Seminarteilnehmer, die ihre Ängste in der Runde "outen". Melissa sei früher Stewardess gewesen, gesteht die, musste aber aufhören, wegen Flugangst.

Mit einem Gongschlag wird die Melissa zur Franziska Wanninger. Die hat eine aus Osteuropa stammende Putzfrau, die sie wegen ihres unverständlichen Namens nur "Lady Gaga" nennt, und deren radebrechendes Deutsch sie derart glaubwürdig zum Besten gibt, dass man meint, sie persönlich zu kennen. Dem Andi, sagt Franzi, sei sie näher gekommen, "in der Horizontalen im Zuge einer Wurzelbehandlung". Und die schildert sie singend nach der Melodie von Dean Martins "That's Amore".

Dann wieder ein Gong und der Herbert aus der Seminarrunde tritt vor und ärgert sich über einen Wurstsemmel essenden Fahrgast in der S-Bahn, das heiße nicht "Ess-Bahn", klärt er den auf. Mit jedem neuen Gong stellt die Melissa alias Franzi Wanninger ihre Seminarteilnehmer vor. Die Wiesn-Bedienung Brigitte zählt zu der Runde, die ihren Gästen anstelle des gewünschten Kaiserschmarrns immer ein Brathendl aufschwatzt, weil sie sich da nicht solange anstellen muss. Absolut lebensecht in Diktion und Tonfall, wie sie überhaupt die unterschiedlichsten fiktiven Seminarteilnehmer schauspielerisch in Mimik, Gestik und Wortwahl charakterisiert. Franziska Wanningers Wandelbarkeit ist phänomenal, sie beherrscht alle möglichen Dialekte, wie den Robert wie frisch aus dem Wiener Prater, oder den Hans, der mit schwerer Stimme Enzian trinkt, denn "vom Bier wer i ja gor nimmer b'suffa".

Dazwischen nervt sie die schwäbische Verwandtschaft, vor allem ihre Cousine Christa, da schwäbelt Wanninger, als wäre das ihr angeborener Dialekt. So kommt sie vom Hundertsten ins Tausendste, insbesondere den Influencerinnen widmet sie eine ganze Sequenz: "In Niederbayern ist das eine Krankheit", behauptet sie und imitiert deren manierierte Sprechweise anhand von etlichen Banalitäten: "Morgens bin ich voll müde und so, dann reib' ich mir den Schlaf aus den Augen, danach habe ich voll Hunger, da mach' ich mir heißes Ingwerwasser, das hab' ich am Vorabend schon vorgekocht, damit es schneller geht."

Manche Menschen hätten "Angst vor Veränderung. Da gibt es Menschen, die bleiben 30 Jahre mit dem falschen Partner beieinander, aber i schau' jetzt niemand o", sagt sie von der Bühne herab. In der Tierwelt dagegen fresse die Gottesanbeterin ihren Partner nach dem Sex sofort auf, Gelächter im Publikum. Das muss aufmerksam zuhören, denn die Gags kommen Schlag auf Schlag, das Sprechtempo der Franziska ist beachtenswert. In ihrer Kindheit habe sie für längere Sprechpausen jeweils eine Münze erhalten, erst zu spät habe sie bemerkt, dass sie damit eine Eigentumswohnung hätte finanzieren können.

Aber sie verliert den roten Faden nicht, denn ihr angebeteter Andi hat sich zum gleichen Seminar angemeldet, und ausgerechnet den bestimmt die Melissa für eine Partnerübung mit der Franziska zusammen. Dann aber eskaliert die Situation und erst hinterher erkennt Franziska, dass ihre Chancen bei Zahnarzt Andi doch zu Hoffnungen berechtigen. Mit einem Lied über das furchtlose Glücklichsein, sich ein Herz zu fassen, über den eigenen Schatten zu springen und Vertrauen zu haben, endet stimmungsvoll ein Kabarettabend wie ein Theaterstück, mit zahlreichen humoristischen Höhepunkten und einer Protagonistin, die mit dem Publikum spielt, eine außerordentliche Vielseitigkeit demonstriert und ihre Beobachtungsgabe für die Vielfalt menschlicher Typen unter Beweis stellt. Da darf man sich getrost auf ein viertes und weitere Programme freuen, die Themen dazu werden der Franziska Wanninger nicht ausgehen.

PK

Hans Steininger