Pfaffenhofen
Von Murnau siegen lernen

Pfaffenhofener Kandidat Richard Fischer holte sich bei ÖDP-Bürgermeister Rolf Beuting Tipps

09.02.2020 | Stand 25.10.2023, 10:28 Uhr
Bürgermeisterkandidat Richard Fischer (2. von rechts) besuchte Murnau, im Hintergrund die Fußgängerzone, um sich für seinen Wahlkampf vom Erfolg des dortigen ÖDP-Bürgermeisters inspirieren zu lassen. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - 22,45 Prozent!

 

Sieben Sitze im 24-köpfigen Stadtrat! Ein sensationelles Wahlergebnis für eine Kleinpartei wie die ÖDP, die sich in Pfaffenhofen mit 5,15 Prozent begnügen musste. In Murnau hat das Rolf Beuting geschafft, seit 2014 Bürgermeister der 12000-Einwohner-Gemeinde am Fuß des Wettersteingebirges. Grund genug für den Pfaffenhofener ÖDP-Bürgermeister-Kandidaten Richard Fischer, mit seinem Stadtratskollegen Reinhard Haiplik und Kreisverbands-Schriftführerin Judith Neumair an den Staffelsee zu fahren, um nach dem Erfolgsrezept zu fragen.

Beuting, 51, ist mit seinem E-Bike zum Bahnhof gekommen, um die Pfaffenhofener Delegation zum Rathaus am Untermarkt zu begleiten und in den großen Sitzungssaal des denkmalgeschützten Gebäudes aus dem Jahr 1842 zu führen. Nackte weiße Wände, da könnten doch Gemälde von Gabriele Münter und Wassily Kandinsky hängen, jener expressionistischen Maler, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Murnau gelebt haben. Aber deren Bilder hängen im Museum, Beuting hat eine Künstlerin mit einer Lichtinstallation beauftragt, die eigentlich schon alles über seinen politischen Erfolg aussagt: Dünne Lichtstränge sollen von draußen kommend über der Tür an die Längswand führen und sich dort zu einer leuchtenden Installation vereinigen. Bedeutet übersetzt: Die Belange der Murnauer fließen in diesen Ratssaal. "Nein", sagt Beuting, ein gebürtiger Münsteraner im tiefsten Oberbayern, "ich mache keine ÖDP-Politik, sondern arbeite sachorientiert. " Wobei das nicht ganz stimmt; er fühlt sich wie auch die Pfaffenhofener ÖPDler dem Gemeinwohl verpflichtet. Aber er hat die Erfahrung gemacht, dass viele Bürger "ein ambivalentes Verhältnis zu Parteien haben". Deshalb haben sich Gleichgesinnte, die nicht der Partei beitreten wollten, zu einem "Bürgerforum" zusammengeschlossen, das mit der ÖPD eine Listengemeinschaft eingegangen ist. Seither steigt der Zuspruch bei den Wählern, allein von 2008 auf 2014 um fast drei Prozent. Für Fischer als Kreisvorsitzendem nur bedingt eine Option, er sieht sich durch die wachsenden Mitgliederzahlen bestätigt.

Die Probleme, die Murnau hat, sind mit denen von Pfaffenhofen fast identisch, wenn nicht gar krasser: Die Grundstückpreise haben sich seit Beutings Amtsantritt verdreifacht auf 1500 Euro pro Quadratmeter (Pfaffenhofen: etwa 900 Euro). "Die Kinder", sagt der Bürgermeister, "können nicht ausziehen und müssen bei ihren Eltern wohnen bleiben, weil sie sich die Mieten nicht leisten können. " Die Konsequenz des Bürgermeisters: Er baut an einem zweiten Immobilienmarkt. Derzeit entstehen 30 Mietwohnungen für Normalverdiener, rund zehn Euro soll der Quadratmeter kosten. 30 Prozent der Kosten schieße der Freistaat aus seinem Wohnbauförderprogramm zu, "da wäre es doch sträflich, das nicht mitzunehmen", sagt Beuting. "Ich will nicht, dass sich Murnau zum ,Grünwald am Staffelsee' entwickelt. " Denn diese Klientel stelle nach seiner Erfahrung nur Ansprüche und beteilige sich nicht am Gemeindeleben, engagiere sich beispielsweise nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Verschönerungsverein.

Deshalb hat sich Bürgermeister vorgenommen: "Ich gebe keinen städtischen Grund mehr her, ich kaufe alles, was ich bekommen kann. Wer bauen will, bekommt das Grundstück in Erbpacht. "

Ein großes Thema ist wie in Pfaffenhofen der Verkehr. Beuting hat allen Gemeindestraßen Tempo 30 verordnet, offenbar ohne großen Widerspruch in der Bevölkerung. Die Fußgängerzone soll um einen Spielstraßen-Abschnitt verlängert werden. "Da begegnen sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt", so Beuting. Eine Option für den Pfaffenhofener Hauptplatz? Schon möglich, sagt Fischer, aber es sei den Bürgern nicht zu vermitteln, dass der Platz, der gerade erst für knapp 400 000 Euro umgestaltet wurde, erneut aufgerissen wird.

Und wie schafft es der Murnauer Bürgermeister, die anderen Fraktionen auf seine Seite zu ziehen? Gibt es da Gräben zwischen der ÖPD, den Freien Wählern, der SPD, den Grünen und der FDP auf der einen Seite und der CSU mit 34 Prozent als stärkster Fraktion auf der anderen Seite? "Nein", sagt Beuting, "man muss die anderen Parteien mitnehmen, man darf nicht mit der Faust auf den Tisch hauen, das liegt mir auch nicht. Man braucht Ausdauer und Geduld. "

Fischer, der als Bürgermeister ebenfalls "alle mitnehmen" will, sieht sich bestätigt: "Er hat mir gezeigt, dass meine Ideen einer Zusammenarbeit aller Stadträte auf Argumentationsbasis keine naiven Wunschträume sind, sondern funktionieren können. "

PK

 

 

 

Albert Herchenbach