"In tiefster Treue zum Herrscherhaus"

Es war eine der größten Zäsuren der jüngeren bayerischen Geschichte. Vor genau 200 Jahren, am 26. Mai 1818, wurde die zweite bayerische Verfassung erlassen. In Pfaffenhofen wurde damals groß gefeiert. <DK-Autor> <?ZS> <?ZA> <?ZuVor "-9dp">Von Andreas Sauer<?ZE></DK-Autor>

25.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:20 Uhr
Das Ende der Verfassung von 1818: Vom Rathausbalkon wurde am 8. November 1918 die Republik ausgerufen. Die Tage der alten Verfassung waren gezählt. −Foto: Fotos: Sauer/Repro

Es war eine der größten Zäsuren der jüngeren bayerischen Geschichte. Vor genau 200 Jahren, am 26. Mai 1818, wurde die zweite bayerische Verfassung erlassen. In Pfaffenhofen wurde damals groß gefeiert.

Pfaffenhofen wurde seit dem 12. Jahrhundert von den Wittelsbacher Herzögen, Kurfürsten und Königen als Markt oder Stadt sowie Sitz eines Landgerichts gefördert. Die Pfaffenhofener sicherten als Gegenleistung den Landesherren unverbrüchliche Treue in Kriegs- und Friedenszeiten zu. Die gute Beziehung zum Herrscherhaus setzte sich auch in der Zeit des Königreichs Bayern (1806 bis 1918) fort und zeigte sich in einigen Festakten und Feiern.

nVerfassungsfeier 1818 und Hommage an die bayerischen Regenten: Mit der Erhebung Bayerns zum Königreich zum 1. Januar 1806 setzte eine Phase der Umstrukturierung und Modernisierung des Landes ein. Neben zahlreichen Eingriffen in Justiz und Verwaltung nach französischem Vorbild bildete nach der Konstitution von 1808 der Erlass der (zweiten) bayerischen Verfassung vom 26. Mai 1818 eine der wichtigsten Zäsuren der jüngeren bayerischen Geschichte.

Mit der neuen Rechtsgrundlage, die nur wenige Tage nach dem "organischen Edikt" zur Bildung der politischen Gemeinden für das Königreich erlassen worden war, erhielt Bayern eine für damalige Verhältnisse liberale und fortschrittliche Verfassung mit einer parlamentarischen Vertretung, der Kammer der Reichsräte und der Kammer der Abgeordneten. Der Verfassungstag wurde dem Ereignis angemessen in den Städten und Märkten des Königreichs würdevoll begangen. Über die Pfaffenhofener Feierlichkeiten berichtet der langjährige Stadtschreiber Max Joseph Holzmann in seinem von 1818 bis 1839 reichenden "Vormerkungsbuch ueber alle in der Stadt Pfaffenhofen merkwürdige Gegenstände und Begebenheiten."

Am Sonntag nach dem Erlass, dem 31. Mai 1818, beging die Stadt Pfaffenhofen den Verfassungstag nach einem feierlichen Gottesdienst mit "Te deum laudamus" auf dem Hauptplatz. In Anwesenheit aller Beamten des Landgerichts, der Geistlichkeit, der Ortsvorsteher und des Landwehr-Bataillons verlas Landrichter Joseph Haindl die Verfassung "auf öffentlichem Platze". Die anwesenden Staatsbeamten, die Geistlichkeit und weitere Offizielle legten anschließend den Eid auf die Verfassung ab.

Nachdem die Stadt Pfaffenhofen erst im September 1818 erstmals seit zehn Jahren wieder einen Magistrat wählte, gab es zum Zeitpunkt der Verfassungsfeier weder einen gewählten Bürgermeister noch Stadträte. Erst mit deren Wahl war in Pfaffenhofen auch das Edikt über die Gemeindebildung vollzogen und als "magistratischer Stadt III. Klasse" mit weniger als 500 Familien galten für die Stadt neue Rahmenbedingungen ihrer künftigen Entwicklung im Königreich Bayern.

nDie Wittelsbacher-Feier von 1824: In den folgenden Jahren wurde die Wiederkehr des Verfassungstags begangen. Vor allem 1824 war Pfaffenhofen Schauplatz einer prächtigen Veranstaltung. Anlass war die "Jubelfeier der 25-jährigen Regierung Max Josephs I." am 16. Februar. Auf einen feierlichen Zug mit großer Parade zum Gottesdienst in der Kirche folgte nach Ende der Messe ein Gang zum Hauptplatz zu einer gegenüber dem Gasthaus "Zur Post" (heute Hauptplatz 14) aufgestellten Pyramide.

Zunächst wurden dort an die Jugend Denkmünzen ausgeteilt, beeindruckten Paraden des Militärs die Anwesenden, wurden 28 Stadtarme "ausgespeist" und 6 arme Schulkinder eingekleidet. Der Höhepunkt stand aber noch bevor: Abends wurde die mit 3500 "Ampeln" geschmückte Pyramide festlich beleuchtet. Ihre Gesamthöhe mit Postament betrug 31 Schuh (etwa 9 Meter), an ihren Seiten waren vier Transparente angebracht: "1799. Bayern Glückliche Morgenröthe", "1806. Dem geliebten König und Vater", "1818. Dem großen Geber der Verfassung des Reiches" und "1824. Dem allgeliebten Jubilar". Auf diese prächtige Weise gedachte man der vier historischen Einschnitte der jüngeren Zeit, die Bayerns Entwicklung zum Königreich darstellten, darunter auch der Verfassung vom 26. Mai 1818.

An den 4 Ecken der Pyramide standen "beleuchtende Bäume und Laternen mit färbigen Lichtern", die Häuser am Hauptplatz waren beleuchtet und mit schönen Inschriften versehen. Der Festtag klang schließlich mit "Soupée und Ball" im Gasthaus Zur Post aus.

nRathauseinweihung zum 50. Verfassungstag: Mit der Verfassung von 1818, die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder den Entwicklungen der Zeit angepasst wurde, begab sich Bayern auf den Weg der Demokratisierung und der Modernisierung, die insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Schwung gewann.

Auch in Pfaffenhofen bewegte sich in den 1860er Jahren unter Bürgermeister Anton Rieder (Amtsjahre 1852 bis 1870 und 1882 bis 1883) einiges. Mehrere große Bauprojekte und die Eröffnung der Eisenbahn mit einem Bahnhof südlich der Stadt am 14. November 1867 begannen Pfaffenhofen und sein Aussehen zu verändern. Ein Höhepunkt in dieser ereignisreichen Zeit war die Einweihung des neuen Rathauses der Stadt nach dreijähriger Bauzeit im Jahr 1868. Dabei wählte man ein besonderes Datum: In Erinnerung an das Inkrafttreten der bayerischen Verfassung am 26. Mai 1818 fiel die Eröffnung des Rathauses auf den 50. Tag der Wiederkehr des Verfassungstags.

An diesem 26. Mai 1868 erfolgte die feierliche Einweihung des Rathauses am unteren Hauptplatz mit einem Festprogramm, nicht ohne das hohe Herrscherhaus und seine Verdienste für das Königreich, aber auch um die Stadt Pfaffenhofen zu loben. Im prächtig geschmückten Festsaal des neuen Rathauses war das Bildnis König Max' I. mit einem Eichenlaubkranz geschmückt, die Kapelle von Musikmeister Karl Nast und die Liedertafel brachten ausgewählte Musikstücke. Bürgermeister Rieder verwies auf die doppelte Bedeutung des Tages, ehe ein lautstarkes "Hoch" auf die Verfassung und König Ludwig II. erscholl.

Auch die folgenden Jahrzehnte sollten Veränderungen bringen. Durch die wirtschaftlich labilen letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts und die nur vordergründig idyllische und beschauliche Prinzregentenzeit hindurch steuerte das Pulverfass Europa im Jahr 1914 in einer politisch über Jahre aufgeladenen und explosiven Phase in die "Urkatastrophe" des 20. Jahrhundert, den Ersten Weltkrieg. An dessen Ende standen nach sinnlosen Materialschlachten, die einen bis dahin nicht gekannten Blutzoll forderten, massive politische Umwälzungen, die auch Bayern betrafen.

Mit dem Ende der über 700 Jahre währenden Dynastie der Wittelsbacher und der Ausrufung der Republik in München am 8. November 1918 begann eine neue Epoche der Geschichte.

Nach 100 Jahren hatte die bayerische Verfassung von 1818 ausgedient, an die noch ein halbes Jahr zuvor zum 100-jährigen Bestehen in schlichter Form erinnert worden war. In Pfaffenhofen hatte der Gefreite Gohlke, Angehöriger des 13. Infanterie-Regiments und Kommandant des hier gebildeten Soldatenrats, die Republik und das Ende der Wittelsbacher-Dynastie nach mehr als 700 Jahren verkündet. Mit der "Bamberger Verfassung" vom 17. März 1919 als Folge der Ereignisse seit dem November 1918 war die Entwicklung Bayerns vom Königreich zum Freistaat abgeschlossen und damit auch das Ende der königlich-bayerischen Verfassungsfeiern gekommen.

Andreas Sauer