Wolnzach
Großes Stück Heimat im Miniformat

Tüftler von "Bockerl, fahr zua" haben das Leben an und mit den Gleisen in der Hallertau nachgebaut

08.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:22 Uhr
Es geht nicht nur um die Gleise: Mit viel Liebe zum Detail stellen die Vier von "Bockerl, fahr zua" das Leben in der Hallertau nach. −Foto: Lohr

Wolnzach (WZ) Sie haben ihre Module schon in Wien gezeigt. Oder auf der Dortmunder Intermodellbaumesse, wo sie unter 600 Ausstellern heißer Aspirant auf die "Anlage des Jahres" waren und am Ende Dritter wurden. Sie waren in Au, in Zolling und in Wolnzach und kommen jetzt sogar für die Reihe "Eisenbahn-Romantik" ins Fernsehen. Die Tüftler vom Verein "Bockerl, fahr zua!" sind nur zu Viert, aber sie haben schon fast die ganze Hallertau in ihren Miniatur-Modulen nachgebaut, auf rund 50 Modulmetern inklusive pickender Hühner, barfüßiger Kinder und Klohäusl mit Herzerl.

Zwiebeltürme. Kleine und sehr bauchige, längliche und eher spitze. Dunkle Zwiebeln, helle Zwiebeln auf breitem Mauerwerk oder auf einer anderen Zwiebel sitzend. Nichts anderes hat Manfred Lohr mehr gesehen. Nur Zwiebeltürme. Damals war das, als sich der passionierte Modellbauer, der wie viele andere auch mit Fantasiebauten, also aus dem Bauch heraus, anfing, mit Nachbauten befasste. Also mit Darstellungen echter Landschaftsszenen, Häuser, Bahnhöfe. "Weil ich auf einer Ausstellung einfach erlebt habe, dass das bei den Leuten am besten ankommt", sagt er. Einen "neuen Weg" habe er damals eingeschlagen, eine neue Ära für ihn, der er sich schon seit seiner Kindheit mit Modelleisenbahnen und Bauten befasste.

Landschaften und Häuser, wo nichts vom Reißbrett kommt, kein Stein ist wie der andere. Das nachzubauen, ist nicht so einfach, schon gar nicht, wenn man logisch denkender Perfektionist ist wie Manfred Lohr. Da muss sie stimmen, die Zwiebel - und zwar vollends. Und weil die Holledauer Schimmelkapelle, eines von Lohrs Erstlingswerken, eben einen Zwiebelturm hat, verfiel Lohr kurzzeitig in die Zwiebelmanie, bis sie endlich stand, die Schimmelkapelle im Miniaturformat, selbstredend eingepasst in die identisch nachgebildete Landschaft.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die vier Freunde vom Verein "Bockerl, fahr zua" schon gefunden, vor etwa 17 Jahren war das: Bernhard Steinhauser, Reinhard Altmann, Günter Schreiner und Manfred Lohr, vier Männer mit ganz unterschiedlichen Charakteren und Herangehensweisen, aber alle gefangen vom Virus der detailgetreuen Nachbauten aus Liebe zu ihrer Hallertauer Heimat. Eine Leidenschaft, die gewachsen ist.

Wie bei Günter Schreiner. Er ist der Mann, der heute praktisch ein Stück Wolnzach im Schrank seiner heiligen Hallen, seiner kleinen Werkstatt, hortet. "Gell, das glaubt man nicht", lächelt er, als er das Wolnzacher Modul mit einem Handgriff aus der maßgefertigten Schublade zieht. Acht Meter ist es groß, ein Werk, auf das Günter Schreiner besonders stolz ist: Es zeigt nicht nur den Wolnzacher Bahnhof mit dem daneben stehenden Backsteinlager, sondern auch das gesamte Klöpferholz-Areal im Detail. Das war Schreiner als Mitarbeiter dieses Unternehmens besonders wichtig.

Aber am Anfang dieses Wolnzach-Moduls stand erst einmal ein Schock. "Schockstarre", beschreibt das der Hobbybauer. Denn im Gegensatz zu seinen drei Kollegen, die zum Zeitpunkt der ersten Treffen schon viele Modelle rund um ihre Eisenbahnschienen herum gebaut hatten, hatte Schreiner nicht viel vorzuweisen. "Ich habe eine Märklin." Seinen Satz beim allerersten Treffen der Modellbauer wird er nicht vergessen. "Was hätte ich denn sonst sagen sollen? Es war ja auch so." Aber was Schreiner hat und was ihn mit den anderen verbindet, ist großes handwerkliches Geschick, Geduld im filigranen Tüfteln und kreativer Schöpfungsreichtum, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Dass er sich eben ausgerechnet den Wolnzacher Bahnhof in den Kopf gesetzt hatte, sollte er kurzzeitig bereuen - nämlich dann, als er die Gleispläne dazu sah: "Acht Meter waren das, ein acht Meter großes Modul. Oh mei, dachte ich mir, wie soll ich das nur schaffen?" Rückendeckung bekam er von seinen Vereinskollegen, die ihn nicht nur motivierten, sondern ihm Tipps gaben: Sperrholz, Kork, Gips, Fliegendraht, Spaxschrauben, Tacker, Laser, PVC, Hartschaum, Stahlplatten - aus der Vielfalt der schöpferischen Möglichkeiten und mit Rat und Tat der Kollegen ist das Wolnzach-Modul entstanden. Und es ist so gelungen, wie alle Module der vier Freunde von "Bockerl, fahr zua": Wenn man ein Foto davon sieht, meint man, das Original zu erblicken. Etliche Module haben die Vier mittlerweile gebaut, viele Details sind Originalfotos nachgebildet oder aufgrund von Erzählungen von Leuten entstanden, die sich noch erinnern können. Wie die Geschichte der Frau, die als Kleinkind vom vorbeifahrenden Bockerl überrollt wurde - und unverletzt überlebte. "Laut war's scho", soll sie als kleines Mädchen damals gesagt haben, als der erleichterte Vater sie in die Arme schloss. Solche Geschichten interessieren den Verein besonders, die Erzählungen und Erinnerungen der Menschen wecken, sie sammeln, das macht ihre Module lebendig. Und wenn es geht, schreiben sie die Geschichten auf und stellen sie, passend zu den gezeigten Szenen, aus.

Beinahe das ganze Hallertauer Schienennetz mit allen kleinen, noch existierenden oder auch schon verschwundenen Bahnhöfen drum herum können sie heute darstellen. Jede Ausstellung - die nächste findet in Zolling statt - wird individuell arrangiert, so dass die Besucher sich im Gezeigten wiederfinden können. Nicht selten stehen sie dann vor einer Anlage mit 50 Metern Länge, fühlen sich beim Anblick in vergangene Zeiten versetzt, wollen sich gar nicht mehr lösen, sind ganz verzückt, wenn sie mit dem Drücken auf einen der "roten Knöpfe" Bewegung in das Gezeigte bringen können: eine Radlerin, die um den Baum fährt, ein Maulwurf, der sich aus dem Hügel gräbt.

Die besondere Faszination nicht nur der Eisenbahn, sondern auch des Hallertauer Lebens an den Gleisen hat auch die Redaktion des Südwestrundfunks SWR so gefangen, dass sie für ihre Reihe "Eisenbahn-Romantik" einen Beitrag gedreht hat - nicht nur ein kleines Schnipsel, sondern ganze 23 Fernsehminuten (siehe Infokasten). Das "Bockerl", der Schienenbus von damals, braucht halt Platz: im Modul und auch im Fernsehen.

Das Bockerl im Fernsehen

Der Fernsehbeitrag in der Reihe "Eisenbahn-Romantik" ist am Freitag, 15. November, um 14.15 Uhr im SWR zu sehen.Dabei werden historische Bahnstationen sowohl im Modell als auch im Original gezeigt; gedreht wurde auch auf einer Bockerl-Sonderfahrt zwischen Wolnzach und Rohrbach. Eine Anlage von 45 Metern Länge stellt der Verein "Bockerl, fahr zua" dann in Zolling im Bürgerhaus aus, die Ausstellung dort ist geöffnet am Sonntag, 24. November, Samstag, 30. November, Sonntag, 1. Dezember, Samstag und Sonntag 7. und 8. Dezember, jeweils von 13 bis 18 Uhr. WZ

Karin Trouboukis