Pfaffenhofen
Gefangen im eigenen Kopf

Dichterpreis "Goethes Schlittschuh" geht in diesem Jahr an Fitnat Ahrens

09.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:47 Uhr
Applaus für die Siegerin: Moderator Benedikt Erl freut sich mit Fitnat Ahrens. −Foto: Bornemann

Pfaffenhofen - Zum Dichterwettstreit sind am Samstagabend neun Kandidaten im Pfaffelbräu angetreten, galt es doch den Preis "Goethes Schlittschuh" zu erringen. Den gleichnamigen Wettbewerb richtete der Verein Mobile nun schon zum zwölften Mal aus, im komplett besetzten Wirtshaus bekamen die zahlreichen Gäste eine spannende Mischung aus unterschiedlichsten Beiträge geboten. Am Ende kürte die Jury die deutsch-türkische Autorin Fitnat Ahrens zur Preisträgerin 2020.

Moderator Benedikt Erl erläuterte zu Beginn noch einmal kurz die Spielregeln des Wettbewerbs, die Kandidaten haben sieben Minuten Zeit einen eigenen Text oder auch ein Lied vorzutragen. Jeder Beitrag wird anschließend sofort von der Jury besprochen, die dann am Ende der Veranstaltung den Gewinner des Preises kürt. Das Publikum darf derweil wählen, welcher Beitrag den Publikumspreis erhalten soll.

Den Auftakt machte Mathias Petry, der, nach einer geschickten Überleitung, ein Kapitel aus seinem aktuellen Hudlhub-Roman vortrug. Darin prallen, in liebevoll gezeichneten Klischees, bayrische Urgesteine mit ihren Ecken und Kanten, auf aalglatte, austauschbare Städter, Petry hauchte diesem Panoptikum an schrägen Figuren mit seinem Vortrag ein eigenes Leben ein.

In schönstem Bairisch dann die Texte von Mathilde Moll, die von der Beschwerlichkeit des Fensterputzens, von einer Mäuseplage im Haus oder auch dem schrecklichen Husten erzählten. Genau beobachtet und in absolut authentischem Dialekt begeisterte der Vortrag das Publikum.

Aktuell, engagiert und kritisch der Beitrag von Johanna Descy, die in ihrem "Text ohne Namen" auf einen Leserbrief zu den Verbrechen von Hanau antwortete. Klug und fundiert entlarvte sie darin die verharmlosenden Aussagen und erinnerte der Opfer dieses Verbrechens.

Einblicke in seine Kindheit gab Wolfgang Vielhauer mit einem Auszug der von ihm verfassten Familienchronik. Mit seiner bildhaften Sprache zeichnete er ein deutliches Bild der damaligen Verhältnisse.

Hans Geisslinger, der Mann mit der Gitarre, begeisterte mit seiner Ballade einer "Beziehungs- Weise", rund um die Begriffe des Ziehens und Gezogen werdens. Gewitzte Wortklaubereien harmonierten hervorragend mit dem Inhalt und wurden zudem noch perfekt musikalisch unterlegt. Sein Beitrag wurde am Ende des Abends mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Nachdenklich und leicht die beiden Texte von Erika Helstab, wobei insbesondere die Geschichte vom gebrauchten Mann für allgemeine Heiterkeit sorgte.

Die spätere Preisträgerin Fitnat Ahrens erzählte eine surrealistische Geschichte von der Gefangenschaft im eigenen Kopf. Mit dem Bild des in einer Flasche gefangenen Selbst schuf sie eine beklemmende, aber auch klug hinterfragende Erzählung, wie Menschen mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen umgehen, scheitern oder sich doch noch in Bewegung setzen. Mit geschickten Perspektivwechseln von Innen- und Außenansicht und sprachlich ausgefeilt, zog diese Geschichte die Zuhörer in ihren Bann.

Schräg und auf wildem Denglisch, also Englisch auf eingedeutschte Art, dozierte Michael Suda als amerikanischer Berater, über die fantastischen Vermarktungsmöglichkeiten der deutschen Wälder. Der trump'sche Sprachduktus und die nicht übersehbaren Bezüge zur Realität machten diese Comedy aus.

Den letzten Beitrag lieferte Michael von Benkel, der aus seinem Kinderbuch "Königreich der Inseln" stimmgewaltig vortrug. Wie bei einem Hörspiel gab er jeder Figur eine eigene Stimmfarbe und brachte sein Werk so zum Funkeln.

Die Jury, bestehend aus dem Studenten Kilian Funk, dem Vorsitzenden von Mobile Joachim Treffer und dem Gewinner des Vorjahrs Peter Biber, hatte keine leichte Aufgabe, aus dieser vielseitigen Mischung unterschiedlichster Beiträge den Gewinner und die Platzierten auszuwählen. Aber schlussendlich entschieden sie sich für Fitnat Ahrens, die Plätze zwei und drei gingen an Michael von Benkel und Hans Geisslinger. Dass die Jury damit auch den Geschmack des Publikums getroffen hatte, zeigte sich daran, dass beim Publikumsentscheid die gleichen Personen ausgewählt wurden, nur in einer anderen Reihenfolge.