Pfaffenhofen
Gar nicht so gebietsfremd

<DK-XY_trifft>NEULINGE IN DER NATUR:</DK-XY_trifft> Spanische Wegschnecke ist heimisch und der Asiatische Marienkäfer will es werden

09.11.2020 | Stand 02.12.2020, 10:11 Uhr
Sie wollen auch die Hallertau zu ihrer Heimat machen: Der Asiatische Marienkäfer (oben) vermehrt sich bis zu viermal im Jahr, die Spanische Wegschnecke (von links) stammt offenbar gar nicht aus dem südeuropäischen Land. Maiswurzelbohrer haben bisher in der Region schlechte Karten, immer mehr auf dem Vormarsch ist jedoch der Buchsbaumzünsler. −Foto: Zurek/Pleul, dpa/Baufeld, dpa/Söllner

Pfaffenhofen - Wenn es um gebietsfremde Arten geht, dann zeigen drei Beispiele aus der Landwirtschaft, wie unterschiedlich deren Folgen sein können, wie leicht sich manchmal Lösungen finden und wie sehr die Genetik althergebrachte Einschätzungen über den Haufen werfen kann.

Konkret geht es um den Asiatischen Marienkäfer, den Maiswurzelbohrer und die Spanische Wegschnecke.

? Spanische Wegschnecke: Vermeintlich stammte die Spanische Wegschnecke aus Südwesteuropa, zählte man sie zu den Neo-Zoen, also zu den nicht heimischen Arten. Offenbar eine Fehleinschätzung: Der Naturschutzbund Deutschland verweist nun aber auf neueste genetische Studien am Biodiversitäts- und Klima-Forschungszentrum sowie der Goethe-Universität Frankfurt. Deren überraschende Erkenntnis: Das angeblich nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Südwesten Europas mit Obst und Gemüse eingeschleppte, schleimige Kriechtier ist "definitiv" nicht in dem eigentlich vermuteten Ursprungsgebiet zu Hause - dort war kein einziges Exemplar zu finden.

In Deutschland aber ist das Tierchen mit der hungrigen Raspelzunge (wissenschaftlich Arion lusitanicus), das Pflanzen und Aas vertilgt, inzwischen die häufigste Schneckenart überhaupt. Und sie scheint sich fröhlich weiter zu vermehren. Wie Martin Gruber vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pfaffenhofen (AELF) zu berichten weiß, haben sich die von der Schnecke verursachten Schäden auch im Landkreis seit Jahrzehnten "deutlich verschärft". Ohne den Einsatz von Molluskiziden komme der Raps- oder Zuckerrübenanbau kaum aus. Und im heimischen Garten ist sie ebenfalls ein Ärgernis. Wer dort auf Schneckenkorn verzichten möchte, dem können Tigerschnegel (selbst eine Schneckenart), Gemeiner Grabkäfer und Indische Laufenten eine Hilfe sein - sie haben den Schädling respektive seine Eier "zum Fressen gern".

? Maiswurzelbohrer: Auf einfachem Weg, ganz ohne Gift, ist hingegen dem Diabrotica virgifera Le Conte genannten Blattkäfer beizukommen. Es reicht, seine Hauptnahrung nicht zwei Jahre in Folge an der gleichen Stelle anzubauen und schon hat der Maiswurzelbohrer verspielt. "Das hängt mit den Entwicklungszyklen des Insekts zusammen", erklärt Gruber. Das Weibchen der Spezies legt zwischen Juni und September rund 500 Eier im Boden der Maisfelder ab. Diese überwintern und ab Ende Mai schlüpfen daraus Larven, die sich im Juni des Folgejahres durch die nächste Generation Maiswurzeln fressen. Die befallene Pflanze wird geschwächt und es können Sekundärschädlinge wie Pilze eindringen. "Bei uns im Landkreis wird nur auf wenigen Flächen zwei Jahre in Folge Mais auf Mais gepflanzt. Die Wurzelbohrerpopulation wird also mangels Hauptnahrungsquelle sozusagen ausgehungert - weshalb wir also im Vergleich zu anderen Regionen entsprechend wenig Probleme mit dem Schädling haben", freut sich der Fachmann.

Die ursprüngliche Heimat des Maiswurzelbohrers ist Mexiko, von wo er in den 1950er Jahren in die Monokulturen der USA gelangte. Flugtransporte brachten ihn nach Europa, wo er erstmals 1992 am Flughafen von Belgrad nachgewiesen wurde. Seit 2007 fühlt er sich auch in Baden-Württemberg und Bayern heimisch.

? Asiatischer Marienkäfer: Heimisch fühlt sich hierzulande auch ein vermeintlicher Glücksbringer, der Ende des 20. Jahrhunderts als tierischer Helfer gegen Blattlausplagen nach Europa importiert wurde. Der Asiatische Marienkäfer, auch Harlekin-Marienkäfer genannt, vertilgt mit 250 dieser Schädlinge nämlich rund fünfmal so viele am Tag wie die heimische Siebenpunkt-Variante. Aber wie man heute weiß: Er ist auch sehr vermehrungsfreudig. Nicht nur einmal wie die europäischen Arten sondern bis zu viermal im Jahr sorgt er für Nachwuchs. Allein das macht ihn aus Sicht von Artenschützern "sehr konkurrenzfähig".

Aber wie es seitens des Naturschutzbundes heißt, bleibt abzuwarten, "ob er seinen europäischen Verwandten ernsthaften Schaden zufügen wird". Obwohl es ihn inzwischen auch im Landkreis überall gibt, fällt er in der Landwirtschaft nicht negativ auf. "Es sei denn, er landet auf Trauben und damit im Wein", so Gruber humorig. Von Winzern weiß er, dass das Getränk dann einen unangenehmen Beigeschmack bekommt. Ob das für einen hiesigen Marienkäfer im Bier auch gelten würde, ist indes nicht überliefert.

Rein optisch sind jedenfalls beide gleich hübsch. Die asiatische Variante hat jedoch bis zu 19 Punkte, ist orange bis dunkelrot gefärbt und trägt als besonderes Merkmal meist eine Art "M" als Zeichnung auf dem Kopfschild.

? Buchsbaumzünsler: Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch der Buchsbaumzünsler genannt, der in jüngster Zeit in der Heimatzeitung öfter Anlass zu Berichten über seine verheerenden Auswirkungen gab. Doch es gibt Hoffnung: Die heimische Arten - darunter Singvögel - lernen, wie die Gartenakademie in Rheinland-Pfalz berichtet, den Falter als Nahrung schätzen. Auch Wespen tun sich an seinen Raupen gütlich.

PK