Rohrbach
Der Rohrbacher Alan Whittaker ist ein Pionier mit Seil und Säge

Der Experte pflegt Bäume ganz ohne Hebebühne - er klettert einfach rauf

04.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:49 Uhr

−Foto: Whittaker/Ermert

Rohrbach (PK) "Ich hab einen wunderbaren Beruf, den ich gegen keinen anderen tauschen möchte", erzählt Alan Whittaker, der in Rohrbach eine Baumpflegefirma aufgebaut hat und betreibt. Er ist Ire, hat seine Heimatstadt Dublin 1986 Richtung Deutschland verlassen und ist nach Zwischenstationen in Berlin, Wien, Burgau bei Augsburg über München dann in Rohrbach gelandet.

Er sich hier im Jahr 2003 selbständig gemacht und arbeitet mit einer Seilklettertechnik (SKT), die erst seit dem Jahr 2000 in Deutschland zugelassen ist. Inzwischen blickt er auf über 30 Jahre Berufserfahrung zurück, in deren Verlauf sich in seinem Berufsfeld "Baumpflege" vieles verändert hat.

Doch nicht immer sind es so coole Aktionen wie etwa eine Hubschrauberfällung im Altmühltal. "Ich war begeistert als ich gefragt wurde und musste mich schon sehr zurückhalten, dass ich nicht gleich sagte: Das mach ich auch umsonst."

Oder gerne denkt er immer noch an die Pflege der riesigen Hindenburglinde in der Ramsau im Berchtesgadener Land zurück. Dort hatten sie auch noch Dutzende von Platanen und Linden, alle dreißig Meter breit und hoch, zu pflegen und verkehrssicher zu machen. Das war für Whittaker eine absolute "Champions League-Arbeit".

Dabei fällt ihm ein, dass man oft von 1000-jährigen Linden spricht: "Aber die meisten sind nur 200 bis 300 Jahre alt". Die Linde galt früher als heiliger Baum und wuchs fast in jeder Dorfmitte. In Geisenhausen steht die sogenannte Kaiserlinde, in der Ortsmitte von Geisenfeldwinden steht ebenfalls ein solches Naturdenkmal - und diese liegen dem Baumpfleger Whittaker sehr am Herzen und werden von ihm umhegt und gepflegt.

"Als ich 1986 nach Deutschland kam, gab es hier keine Seilklettertechnik-Baumpfleger.", sagt er. Erst ab dem Jahr 2000 war dieser Beruf dann in Deutschland auch legal (SKT mit Motorsäge) und ab diesem Zeitpunkt durfte SKT auch in Deutschland angewandt werden, die man bis dahin nur in England kannte.

Doch Whittaker arbeitete schon vorher in München und Berlin mit dieser Technik, auch bei öffentlichen Einrichtungen: "Man hat dabei immer ein Auge zugedrückt und sagte: Das geht schon." Im Jahr 2001 begann er ein dreijähriges Studium an der University of Central Lancester Myerscough Collage und schloss mit dem Diplom in Arboristik ab. "Das ist wie ein Fachhochschulabschluss, aber keiner kennt das in Deutschland", sagt Whittaker. Nach dem Studium hat er sich dann in Rohrbach 2003 selbstständig gemacht und in Heidelberg die Prüfung zum Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung abgelegt: "Das machte ich gleich nach dem College, denn da hatte ich alles noch frisch im Kopf", erzählt er in seinem netten irisch-bairischen Dialekt.

Als er sich selbstständig machte, war Baumpflege in der Gegend um Rohrbach absolutes Neuland, in der ganzen Region Ingolstadt war keine Baumpflegefirma vorhanden.

Das Ziel der Baumpflege sind gesunde, möglichst vitale und verkehrssichere Bäume, die zu einem harmonischen Miteinanderleben von Mensch, Bäumen und Gebäuden führen sollen. Whittaker arbeitet heute für Privatleute, Gemeinden, Hausverwaltungen, Landratsämter, verschiedene Organisationen wie die AOK, Deutsche Bahn, Audi, Park-, Schloss- und Seenverwaltungen, Naturdenkmalinstandhaltung und diverse weitere Unternehmungen.

"Ich sehe alle Bäume, die ich pflege, als meine Bäume an. Junge Bäume brauchen Erziehung, damit sie eine Krone machen und die älteren müssen gepflegt werden und etwas darf dabei nicht vergessen werden: Der Baum braucht die Menschen nicht unbedingt, aber der Mensch braucht die Bäume."

Whittaker führt Einkürzungen, das Zurückschneiden von Kronenteilen, Totholzentfernungen, Fällungen, also alle Arbeiten rund um den Baum, auch mit Hilfe der Seilklettertechnik durch. Dadurch kann unter beengten und schwer zugänglichen Verhältnissen gearbeitet werden, ohne Einsatz von großen Maschinen und die Umgebung wird geschont: "Was man zu Fuß erreichen kann, können wir auch bearbeiten", so erklärt Whittaker seine Arbeit.

Als er noch in München arbeitete, gab es dort den sogenannten Hausmeisterschnitt, wo auf Leiterhöhe der Baum gekappt wurde. "Hier in der Hallertau hat der Baum ein bisschen mehr Luft, weil er mit Hilfe der Hopfenkanzel gekappt wird und die ist höher als eine normale Leiter", sagt Whittaker. Gut ist aber auch das nicht. "Gekappt ist gekappt und die Versicherungen wissen inzwischen auch, dass Kappung keine fachgerechte Arbeit ist. Ich versuche meine Kunden umzuerziehen, aber das ist sehr schwierig!"

"Ich kappe nie einen Baum und egal in was für einer Sprache man es sagt, Kappung ist kein Fachbegriff, sondern Kappung ist als eine baumzerstörende Maßnahme anzuschauen. Ich vergleiche immer Metzger und Chirurg, Beide benutzen Messer, aber es ist nicht dasselbe Ergebnis, das sie erzielen".

Kappung macht die Bäume instabil, der obere Teil stirbt ab und es heißt: "Der König ist tot und die Prinzen versuchen zu überleben, denn normal sind sie alle gleich stark, machen einen neuen Kranz und dadurch werden die Bäume instabil. Kommt ein Sturm bricht er genau an der gekappten Stelle ab."

Aber nicht nur Pflegemaßnahmen führt die Firma Whittaker durch, auch Gutachten sowie das Erstellen von Baumkatastern und Ausschreibungen mit Hilfe des digitalen iSiMan Baumkatasterprogramms, mit dem professionelles Baummanagement etwa für Gemeinden effizient gesteuert und regelmäßig dokumentiert wird, bietet Whittaker an.

So werden für die Gemeinde Rohrbach 643 Bäume im Kataster geführt, jeder Baum hat eine Nummer, wird regelmäßig kontrolliert und die Firma Whittaker kann damit der Gemeinde immer mitteilen, welche Baumpflegemaßnahmen fällig sind, was der Bauhof selbst durchführen kann oder wo der Profi zum Einsatz kommen muss. "Dieser Baumschatz ist ein wunderbares Naturkapital für die Gemeinde Rohrbach mit einem Wert von mindestens 1,5 Millionen Euro."

Und mit solchen Arbeiten verbringt Alan Whittaker heute viel Zeit am Schreibtisch, nicht unbedingt seine Lieblingsbeschäftigung. Aber er ist 51 Jahre alt und arbeitet selbst kaum mehr auf den Bäumen. "Man muss hundertprozentig fit sein, denn Arbeiten mit Seilklettertechnik ist nicht ungefährlich."

Er beschäftigt zwei Vollzeitangestellte, Daniel ist seine rechte Hand und Max ist ein Kletterer der nächsten Generation, der jetzt angefangen hat mit seinem ersten Kurs in Seilklettertechnik. "300 Stunden Klettern, Motorsägekurs und dann nochmals eine Woche Baumklettern mit der Motorsäge, er muss Erfahrung sammeln und das mindestens drei Jahre lang, weil jeder Baum anders ist und weil es unbestritten ein gefährlicher Job ist."

Whittaker arbeitet auch mit Subunternehmern, das sind Solokämpfer für die großen Jobs. "Da hole ich mir Spezialisten über die man sagen kann: Das sind Champions League-Kletterer, zwei Engländer, Mark und Craig, sie kenne ich seit 20 Jahre und die habe ich direkt aus dem College in England geholt, damals als ich noch in München wohnte." In den vergangenen Jahren hat auch mehrmals der spanische Baumkletterer Miguel für Whittaker gearbeitet: "Er ist ein Star und gefragt in der Szene, der kann sich seinen Arbeitsplatz immer aussuchen", meint Whittaker, denn die Kletterer-Szene ist klein aber international.

Früher wurde die Seilklettertechnik nur in England praktiziert, auch die Ausrüstung bekam man nur dort: Heute gibt es gute Ausstatter auch in Deutschland. Die Ausrüstung für einen Mann kostet mindestens 5000 Euro, alles muss hochwertig sein, denn um stabil arbeiten zu können braucht man vorrangig drei Dinge: Das Seil muss straff sein, die Gurte müssen sitzen und man braucht einen festen Stand. Durchs Klettern kommt man gut an die zu bearbeitenden Äste, was mit der Hebebühne nicht möglich ist, nur der Kletterer kommt überall hin, sägt und seilt dann die abgeschnittenen Baumteile ab." Sehr zum Positiven für zu schützende Bäume hat sich die Kronenverankerung geändert, erzählt Whittaker. Bis ins Jahr 1992 schoss man Stahlseile durch den Holzkörper und befestigte sie mit Bolzen: "Das tat dem Baum weh und er litt Jahre darunter."

Zwischenzeitlich wird eine Kronensicherung verletzungsfrei für den Baum mit Kunststoffseilen gemacht, die eine Drucklast bis zu 14 Tonnen aushalten, der Baum bekommt eine elastische Bandage verpasst, die alle paar Jahre erneuert werden muss und er leidet nicht mehr.

Vorbilder in der Baumpflege sind für Whittaker der "Gott der Baumpflege" Alex Shigo und als einen "Propheten" bezeichnet er Klaus Matteck, der alte biomechanische Vorgänge wieder in Erinnerung brachte: "Man versteht die Körpersprache des Baums, wenn man Interesse daran hat", ist sich Alan Whittaker sicher.

Und was für ihn auch ganz wichtig ist: Seine neue Heimat. "Wir fühlen uns wohl in Rohrbach", sagt er. "Es passt einfach alles und nach 30 Jahren Deutschland habe ich inzwischen Augustiner-Weißbier in meinem Adern."

Anna Ermert