Pfaffenhofen
Eine Heimat auf Zeit

Zählerwerk wird zum Boardinghouse: Landkreis mietet zwei Etagen für bis zu 38 Berufsschüler an

15.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:09 Uhr
Im Gemeinschaftsraum verschafften sich Petra Schuller (von links), Christoph Habermann, Walter Reisinger, Kristin Antelmann, Sebastian Daser und Albert Gürtner einen Eindruck von den zwei Etagen, vom Landratsamt langfristig für Berufsschüler angemietet werden. −Foto: Ermert

Pfaffenhofen - Jahrelang ist das alte Zählerwerk an der Ingolstädter Straße in Pfaffenhofen leer gestanden. Jetzt hat der Bau nicht nur eine Kernsanierung hinter sich, sondern auch einen völlig neuen Zweck erhalten: Die Münchner IGP Immobilien GmbH nutzt es als Boardinghouse mit 79 Mikroapartments, wobei die Schlagworte "digital" und "smart" bei der Vorstellung des Konzepts immer wieder fallen. "Vom Check-in bis zur Bezahlung läuft alles über das Smartphone", berichtet mit Kristin Antelmann die IGP-Projektleiterin.

Und der besondere Clou ist das Engagement des Landratsamts: In erster Linie für Berufsschüler hat der Landkreis das Untergeschoss und das Erdgeschoss mit 20 Doppelapartments, einem Waschraum, einem Gemeinschaftsraum und einer Küche angemietet. Er will Berufsschülern, die von weiter her kommen und in Pfaffenhofen ihren Theorieunterricht absolvieren, eine lebenswerte Heimat auf Zeit bieten zu können.

Weshalb es so wichtig ist, dass der Landkreis die Initiative ergriffen und sich auf fünf Jahre eingemietet hat, kann mit Petra Schuller die stellvertretende Leiterin der Beruflichen Schulen erklären. "Die Sprengel werden immer größer gefasst", sagt sie. "Außerdem spezialisieren sich die einzelnen Schulen immer mehr, sodass heute viel größere Gebiete abgedeckt werden müssen als früher. Und in Zukunft wird sich das noch verstärken", ergänzt sie. Konkret heißt das, dass auch Berufsschüler aus Rosenheim in Pfaffenhofen unterrichtet werden müssen. "Und diesen Azubis ist der lange Fahrtweg nicht zuzumuten - vor allem nicht bei Blockunterricht", fügt Schuller erklärend an.

Somit war der Landkreis gezwungen, aktiv zu werden. "Es geht darum, den Berufsschulstandort zu stärken - und damit auch die heimische Wirtschaft", führt Kreiskämmerer Walter Reisinger aus, wie es zu den ersten Überlegungen kam, die sich mit einem Wohnheim befassten. Schullers Vorgesetzter Hubert Ruisinger fasste den Wunsch der Berufsschule als Erster in konkrete Worte - und etablierte damit die Hoffnung auf ein Wohnheim im Kreistag. Vor zwei Jahren ergab sich schließlich die Option, sich im Zählerwerk dauerhaft einzumieten. Das Gebäude wurde vor über zehn Jahren von einer Vorläuferfirma des jetzigen Investors gekauft. Lange ist nichts passiert. "Dann ergab sich die Option mit dem Boardinghouse, bei dem der Landkreis mit im Boot ist", erinnert Antelmann. Die Situation mit Vorteilen für Firma wie Landkreis beschleunigte erst das rechtliche Verfahren und dann die Sanierungsarbeiten. "Das Gebäude wurde komplett entkernt und von Grund auf alles neu installiert. Das war teurer als wenn wir neu gebaut hätten, aber jetzt ist etwas Gutes dabei herausgekommen", ergänzt die Projektmanagerin.

Die Wünsche des Landkreises wurden allesamt umgesetzt. Von den 20 Apartments wird lediglich eines von den Sozialpädagogen belegt, die sich täglich ab 16 Uhr, die Nacht hindurch und bis 8 Uhr früh um die Betreuung der Schüler kümmern. "Wir arbeiten mit Respect Training Ingolstadt zusammen", erläutert Antelmann. Und Landrat Albert Gürtner (FW) meint dazu: "So können auch minderjährige Schüler hier bedenkenlos wohnen - und ihre Eltern wissen sie immer in guten Händen." Für den Landkreis sei die Kooperation ein Glücksfall. "So müssen wir nicht für viel Geld selber bauen, sondern können uns anschauen, wie groß der Bedarf wirklich ist", sagt Gürtner. Die Berufsschule hat die 40 Betten von sich aus angegeben. So viele stehen jetzt zur Verfügung, wobei momentan nur elf Betten belegt sind. Tendenz steigend.

Für die Schüler ist die Unterbringung komplett kostenfrei. "Da gibt es einen Zuschuss vom Freistaat und eine Kostenübertragung auf den jeweiligen Landkreis, aus dem der Schüler stammt", erläutert Gürtner. Ein Nullsummenspiel kommt für Pfaffenhofen jedoch erst heraus, wenn alle 38 Betten belegt sind. "Sind es weniger, bezuschussen wir das Projekt eben ein wenig", ergänzt Reisinger. Und bleiben dauerhaft Kapazitäten frei, können theoretisch auch FOS-Schüler oder Krankenschwestern auf ein vorübergehendes Zuhause an der Ingolstädter Straße - also in unmittelbarer Nähe zum Freibad, zum Sportgelände und einer Stadtbushaltestelle - freuen.

Die Baustelle ist derweil noch nicht abgeschlossen. Die Außenanlagen sind noch zu errichten, Bäume zu pflanzen und 57 Stellplätze im Hinterhof zu pflastern. Die bereits fertigen Apartments in den unteren Etagen sind zwischen 20 und 30 Quadratmeter groß, haben eigene Bäder und Küchennischen. Im Dachgeschoss, wo 50 Quadratmeter große Zimmer für bis zu vier Personen entstehen, wird noch bis Ende Oktober gewerkelt.

Christoph Habermann kümmert sich um den Hotelbetrieb. "Willkommen ist jeder, Schüler und Bauarbeiter, Ingenieure und Touristen. Einfach jeder, der entweder einen Tag oder sechs Monate in Pfaffenhofen zu tun hat", sagt er. Die Daten fließen mit einem Gigabit durchs ganze Haus. Ein Co-Working-Space ist nahe der Rezeption im Entstehen. Alles kann hier digital erledigt werden. "Kann. Muss aber nicht", ergänzt Habermann. "Wir sind für alle Fragen da - Gastfreundschaft und das Persönliche schreiben wir sehr groß."

PK

Patrick Ermert