Wolnzach
Ein scheues Reh für einen stolzen Markt

WZ-Serie "Spurensuche". Das Wolnzacher Wappen, seine Herkunft, Bedeutung und ein paar Kuriositäten

26.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:17 Uhr
Im Sandsteinportal des Rathauses springt das Reh über den Dreiberg. −Foto: Trouboukis

Wolnzach - Ein goldenes Reh, anmutig springend über einen silbernen Dreiberg vor grünem Hintergrund - das ist das Wolnzacher Wappen. Es begrüßt von der Autobahn Kommende auf dem Wappenhügel am Feuerwehrgerätehaus, weht auf Fahnen und ziert zahlreiche Gebäude im Markt. Bei genauem Hinsehen zeigt sich schon hier: Das Wappen sah nicht immer so aus wie jetzt. Seine Geschichte geht viele Jahrhunderte zurück.

Ein Reh - in der Heraldik, also der Wappenforschung, ist das eine eher selten vorkommende Figur. Adler oder Löwe sind da viel präsenter. Vielleicht, weil das Reh als eher scheues Wesen gilt und sich die Herrscher damaliger Zeiten selbiges wegen seines panischen Fluchtverhaltens nicht unbedingt auf die stolzen Fahnen heften wollten. Deshalb waren es auch Hirsche, die als Erstes überhaupt Einzug in das Wappenwesen fanden, vermutlich Anfang des 13. Jahrhunderts. Rehe wurden später dargestellt - und diese Tatsache macht das Wolnzacher Wappen wiederum besonders: Denn wie der Historiker Andreas Sauer in seinen Forschungen für das zum Wolnzach-Jubiläum im Jahr 2014 erschienene Wolnzachbuch herausgefunden hat, gibt es vom Wolnzacher Wappen Abbildungen aus dem 14. Jahrhundert, das Wolnzacher Reh dürfte damit zu den ersten Wappendarstellungen dieser scheuen Tierart überhaupt zählen. Woher kommt das Wolnzacher Wappen, wieso sieht es so aus, wie es aussieht, was ist der Grund für diese Darstellungen - und warum ausgerechnet ein Reh? Alles Fragen, die sich nicht eindeutig beantworten lassen. "Der früheste bekannte Nachweis stammt von einem Siegel aus dem Jahr 1380, das im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München erhalten ist", schreibt Sauer im Wolnzachbuch. Auch auf dieser Abbildung fehlt, ebenso wie beim Abdruck des Wachssiegels aus dem Jahr 1616 oder auch beim Siegel für offizielle Schreiben aus dem Jahr 1818, noch der Dreiberg. Allerdings dürfte er bereits einige Zeit vorher Bestandteil des Wolnzacher Wappens geworden sein. Sauer hat Nachweise auf den Wolnzacher Wappendreiberg gefunden, die weit zurückreichen. Er schreibt: "Einer der Schlossherren aus dem seit 1584 ansässigen Geschlecht der Elsenheimer muss das Wappen in dieser Art gebessert, also ein neues Element eingebracht haben."

Einen Beweis dafür, dass der Dreiberg bald fester Wappenbestandteil war, haben auch Passanten im Marktzentrum praktisch ständig vor Augen, ohne freilich darauf zu achten: Das prägnante Sandsteinportal des Wolnzacher Rathaus, gebaut in den Jahren 1878 bis 1880, ziert eine besonders eindrucksvolle Darstellung des Wappens - mit Reh und Dreiberg.

Der Dreiberg machte das Wolnzacher Wappen erst rund, gab ihm eine Basis und ließ das Reh anmutig springen und nicht - so wirkt es auf sehr alten Darstellungen durchaus - ungelenk knien. Der Dreiberg ist - im Gegensatz zum Reh - ein Symbol, das auf vielen Wappen zu finden ist - in allerlei Variationen, versteht sich, und oft übrigens angelehnt an ein Kleeblatt, ein Glückssymbol.

Wolnzach hatte also sein Wappen gefunden und blieb auch dabei, als im Zuge der Neuordnung des Königreichs Bayern die neue Staatsregierung von allen Städten und Märkten eine Wappendarstellung forderte: Viele wurden kreativ und variierten ihr eigentliches Wappen. Nicht jedoch die Wolnzacher: Sie standen zu ihrem Wappen, behielten Reh und Dreiberg bei und lehnten kreative Auswüchse ab.

Das bekam auch ein unbekannter Künstler zur spüren, der sich mit der Ausgestaltung des Wolnzacher Wappens Anfang des 19. Jahrhunderts sehr große Mühe gegeben hatte: Er zeichnete sogar eine Königskrone und zwei starke Löwen, die sie halten sollten. Quasi eine Hommage an das 1806 zum Königreich erhobenen Land Bayern, meint Andreas Sauer im Wolnzachbuch. Aber das mit der Krone passte nicht. Nicht zu Wolnzach und auch nicht dem Innenministerium, das gegen den kühnen Entwurf sofort den mahnenden Zeigefinger erhob: Krone und Löwen könnten doch nicht einfach so angewendet werden und demzufolge "jenem Markt nicht gestattet werden". Schließlich sei es allein dem Königreich Bayern vorbehalten, diese Insignien zu führen.

Hopfen taucht im Wolnzacher Wappen übrigens nicht auf, zumindest nicht direkt im Wappenschild, dennoch ist er irgendwie präsent: in der satten grünen Farbe, die heute die gängige Wappendarstellung prägt. Grüne Dolden umrahmen auch noch eine andere Wappendarstellung, die die Wolnzacher Hopfensiegelhalle an der heutigen Anton-Dost-Straße ziert: Dolden und Blätter umranken das Reh, das in seiner ursprünglichen Darstellung über dem Eingang zur Siegelhalle übrigens auch etwas anders aussah. Der damals vom Markt beauftragte Kunstmaler, der zahlreiche Gebäude mit seinen eindrucksvollen Bildern verziert hat, hatte es besonders gut gemeint und das Reh mit deutlich sichtbaren Merkmalen als stattlichen Hirsch ausstaffiert gehabt. Nur kurz durfte der Hirsch seine Manneskraft an der Siegelhalle präsentieren, dann musste der Maler wieder ran und die Geschlechtsmerkmale mit grüner Farbe übermalen - und der Hirsch ward entmannt im Sinne der Korrektheit.

WZ