Manching
Dringend benötigter Wohnraum oder Zerstörung der Natur?

In der Manchinger Gemeinderatssitzung wird über das umstrittene Baugebiet Niederstimm West abgestimmt

16.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:10 Uhr
Knapp 30 Wohnungen sollen auf dieser Wiese entstehen. Viele Anwohner sind dagegen. −Foto: Pehl

Manching - Weit über drei Jahre beschäftigt der Bebauungsplan Nr.

64 Niederstimm West nun schon die Gemeinde Manching und deren Bürger. Diesen Donnerstag wird im Marktrat über das von Anfang an umstrittene Baugebiet abgestimmt. Auf einer Fläche von rund 8500 Quadratmetern sollen an der Ortsstraße mehrere zwei- oder dreigeschossige Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser mit insgesamt knapp 30 Wohnungen entstehen - nach den neuesten Planungen etwas weniger als zunächst vorgesehen.

Bereits die erste Debatte im Gemeinderat Anfang 2017 war ziemlich kontrovers verlaufen. Gegen die Stimmen der CSU-Fraktion war die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen worden. Einigkeit herrschte damals unter allen Gemeinderäten, dass Manching dringend Baugrund benötigt. Das war es aber dann schon. Denn ob es denn ausgerechnet dieses Gelände sein muss, darüber gingen die Meinungen dann doch auseinander - und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Zerstörung wertvoller Lebensräume für Tiere und Pflanzen, mögliche Probleme mit dem Grund- und Oberflächenwasser sowie der zunehmende Verkehr bereiten Anwohnern und den CSU-Gemeinderäten Sorgen, während andere auf die positiven Gutachten der Experten und Fachbehörden verweisen.

Die Anwohner haben bereits mehrere hundert Unterschriften gesammelt und jetzt nochmals ihre Argumente vorgebracht, nachdem es dazu bereits eine Info-Versammlung im Rathaus gegeben hatte. Es sind mehrere Punkte, die etlichen Niederfeldern sauer aufstoßen. Da ist zum einen die ihrer Meinung nach viel zu massive Bebauung auf der bislang landwirtschaftlich genutzten Wiese. "Gegen ein paar Einfamilienhäuser hätte niemand was einzuwenden", heißt es unisono. Aber knapp 30 Wohneinheiten auf der anderen Straßenseite? "Das passt nicht ins Ortsbild. "

Weiter war das Flurstück 47 als "Grünfläche mit besonderer Bedeutung für die Ökologie oder das Landschaftsbild" ausgewiesen. Dass das jetzt plötzlich nicht mehr gelten soll, können viele Bürger nicht verstehen. Die Bürger wie auch CSU-Fraktionsvorsitzende Birgid Neumayr weisen darauf hin, dass es dort noch viel Niederwild sowie Eulen, Fasane, Ringelnattern oder Frösche gibt, was gerade in einer zersiedelten Landschaft von großer Bedeutung sei. Umgekehrt sei zu befürchten, dass sich die künftigen Mieter von den Gänsen, die unmittelbar angrenzend grasen, gestört fühlen könnten.

Außerdem befürchten die Anwohner eine massive Zunahme des Parkens auf der Straße und des Verkehrs, und das auf einer Strecke, die jetzt schon intensiv von Autofahrern und Radlern genutzt werde - an schönen Sonntagen über 130 Radler in eineinhalb Stunden. Die Ortsstraße soll so bleiben, wie sie ist, ein Gehweg ist auf dem Grundstück geplant. Schließlich herrscht noch die große Sorge, dass einige Niederstimmer durch die Neubauten samt Tiefgarage später Wasser in ihren Kellern haben. Bereits jetzt stehe nach Starkregen immer wieder das Wasser auf der Wiese. Der Grundwasserspiegel schwanke um bis zu 70 Zentimeter, und der Neubau würde laut Gutachten rund einen Meter im Grundwasser liegen.

Ganz anders dagegen Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (FW): Er erinnert an besagte Gemeinderatssitzung, in der drei Fraktionen sich für das Bauvorhaben ausgesprochen hatten, wenn den Anwohnern keine Nachteile entstehen. Der Investor habe gegenüber den ursprünglichen Plänen in der vorderen Häuserreihe etwas abgespeckt und die Tiefgarageneinfahrt verlegt. Auch die Zahl der Parkplätze sei völlig ausreichend. Einige Wohnungen verfügen nach seinen Worten über Tiefgaragenplätze direkt unterm Gebäude. Darüber hinaus stehen laut Nerb noch weitere oberirdische Parkplätze zur Verfügung, und zwar im Quartier. Was den Rathauschef weiterhin positiv stimmt: "Der Bauträger hat am Urferwasser schon das Projekt Fischerlohe verwirklicht und dabei alle Auflagen der Gemeinde erfüllt. "

Nerb verweist außerdem auf zwei Gutachten, die der Investor auf Wunsch der Gemeinde bezahlt hat - und die durchaus positiv ausgefallen seien. Das Fazit des hydrologischen Gutachtens: "Eine Beeinträchtigung der Bestandsgebäude durch aufstauendes Grundwasser in Folge des in den Untergrund einbindenden Bauwerks ist daher u. E. nicht zu erwarten. " Außerdem liegt eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt vom November 2017 vor, dem zufolge "das Ergebnis des Gutachtens aufgrund der unter der Bodenplatte lagernden Kiesschicht mit einer Mächtigkeit von vier Metern, in der das Grundwasser unter dem Bauwerk durchströmen kann, plausibel und nachvollziehbar" ist. Das Planungsgebiet ist entsprechend der Kartierung der bayerischen Wasserwirtschaft auch nicht im Überschwemmungsbereich eines Gewässers.

"Artenschutzrechtliche Aspekte stehen dem Vorhaben mit der Umsetzung von Maßnahmen nicht entgegen", so der Umweltschutzbericht. Es seien "überwiegend Auswirkungen geringer Erheblichkeit zu erwarten. Unter Berücksichtigung der Vermeidungs-, Minderungsmaßnahmen bzw. Ausgleichsflächen kann das städtebauliche Vorhaben als umweltverträglich eingestuft werden", so der Umweltbericht abschließend.

Die SPD-Fraktion wird dem Bauvorhaben zustimmen, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Pfaffenhofener Landrätin Elke Drack. "Wir können die Befürchtungen der Anwohner verstehen und nehmen sie auch ernst", betont sie. Daher habe die SPD bei ihrer Zustimmung die Einbeziehung von Fachbehörden und Gutachten gefordert. "Es ist alles da, daher können wir zustimmen", so Drack. Außerdem sei der Bauträger bekannt, da er vor einigen Jahren ein ähnliches Projekt verwirklicht hat und selber dort wohnt. "Auch für Anlieger dort ist kein Schaden eingetreten", betont sie.

Aus der Sicht von Klaus Semmler (UW) ist die Bebauung selbst nicht zu massiv, wenn auch die Tiefgarage nicht gerade klein ist. "Ich habe Verständnis für die Anwohner", betont Semmler: "Aber für Manching ist es notwendig. " Für ihn gibt es in diesem Fall gute Gründe sowohl für die Ablehnung als auch für die Zustimmung - das müsse jeder Gemeinderat selber entscheiden. Und einen Fraktionszwang werde es für die UW nicht geben.

PK

Bernhard Pehl