Rohrbach
Die Heimat als Kunstobjekt

Der Rohrbacher Hans Dollinger entdeckt in der Hallertau unzählige Vorlagen und Modelle

12.07.2021 | Stand 17.07.2021, 3:33 Uhr
Hans Dollinger ist Rohrbachs bekanntester Künstler, er stellt momentan im Pumphäuschen aus. −Foto: A. Ermert

Rohrbach - Die Rohrbacher Kinder kennen ihn von diversen Töpferkursen. Als langjährger Incontri-Vorsitzender hat er den Musikliebhabern versucht, die Schönheit von Jazz und Blues näherzubringen. Aber eigentlich ist Hans Dollinger Rohrbachs wohl bekanntester Künstler. Also keiner, der nur so nebenbei im Wohnzimmer vor sich hin pinselt, sondern ein Profi.

Die Kunst prägte dabei schon seinen beruflichen Werdegang als Grund- und Hauptschullehrer: Er studierte in Eichstätt mit Schwerpunkt Kunsterziehung. Als Assistent von Franz Rindfleisch gab er während der Studienzeit selbstständig Kunstkurse. An der Technischen Universität Pasing hängte Dollinger noch ein Jahr Kunsterziehung für Realschulen an. Anschließend aber folgte der Wechsel ins Handwerk: Besuch der Fachschule für Keramik in Landshut mit Gesellenprüfung, zwei Jahre später die Meisterprüfung.

Eine eigene Werkstatt in den 1980er Jahren

"Nach dem Bau der Werkstatt mit Atelier im Jahr 1980 ging es los. Wir produzierten Geschirr und Kacheln, es war noch der Boom für handgemachte Keramik zu spüren", erinnert sich der Rohrbacher. Er konnte dadurch die Lehrlinge bezahlen, die aber auch einmal in der Woche für das Mittagessen samt Abwasch zuständig waren. "So waren wir am Mittagstisch mit der Familie des öfteren sechs Personen. Eine herrliche Zeit." Bis 1992 bildete Dollinger aus. "Nach der Ausbildung konnten die Gesellen und Gesellinnen noch drei Monate bei mir arbeiten und sich in Ruhe nach einer weiteren Anstellung umschauen oder auch um einen Grundstock für die Walz zu haben. Das war mir wichtig." Dollingers Zeit kam dann abends: "Wenn Ruhe in der Werkstatt war, widmete ich mich den Reliefs, den Spuren aus der Landschaft, den Objekten, der keramischen Malerei."

Ein Tiefschlag war 1994 das vernichtende Hochwasser in Rohrbach, die Werkstatt war ruiniert. "Ab da nahm ich mir die Freiheit und war mit der Kunst unterwegs - Handwerk und Kunst geben sich die Hand", lautet sein heutiges Fazit aus dieser Misere.

Sakrale Kunst als Herausforderung

Was Hans Dollinger auch noch sehr gerne macht: Er singt im Rohrbacher Kirchenchor. "Auch sakrale Themen haben mich schon immer fasziniert und das tun sie noch bis heute", erzählt er. Die Kunst speist sich seit Jahrhunderten aus der Religion und aus der Mythologie. "Aber die sakrale Kunst ist nicht ganz einfach", meint Dollinger. Dennoch findet man in Rohrbach sakrale Gegenstände, die Hans Dollinger gefertigt hat: Für die evangelischen Kirche in Rohrbach und Wolnzach hat er Altarkreuze, Kerzenständer, Taufbecken gefertigt. In der Kinderkrippe schmücken zwei keramische Tafeln mit vergoldeten Kreuzsymbolen die Gänge. "Kunst am Bau"-Projekte gibt es auch von Hans Dollinger, unter anderem im Landgericht Ingolstadt, an der Hauptschule Rohrbach, im Kindergarten Wolnzach und bei der Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Ingolstadt.

Die Holledauer Landschaft als Modell

Begonnen hat Hans Dollinger mit der Keramik, dann kam sakrale Kunst dazu, Kleinplastiken und Objekte und bereits seit etwa 1985 findet er Bilder in der Hallertauer Landschaft, die in den letzten Jahrzehnten durch intensiv betriebenen Acker- und Hopfenbau zur Kulturlandschaft wurde - "eine Kunstlandschaft", nennt sie Hans Dollinger, die strukturiert ist durch die Reihungen der Hopfenanlagen.

"Kurz vor der Ernte schaut es aus, als sei das Land mit großen grünen Schachteln verstellt, aber nach der Ernte ist der Blick wieder frei." Das ist eine gute Zeit für Hans Dollinger, um nach Traktorspuren und reizvollen Erdformationen zu suchen. Der Boden ist hart genug für die Aufnahme des flüssigen Gipses, die Motive sind zahlreich - "eben Erntezeit für meine Objekte". Die gefundenen Motive, festgehalten im Gipsnegativ, dienen zum einen als Bausteine für Objekte und Figuren wie Idole, Engel, Schützer, oft aber liegt das Bild schon "fertig" auf dem Boden. "Gesteuert wird das ganze durch Farbgebung, es ist ein gewisses Spiel mit Fund, Form und Farbe. Das ist so etwas Tolles, Unglaubliches für mich", schwärmt der Künstler. Doch er schränkt ein: "Es gilt auch abzuschätzen: Ist es gut oder nicht, oder ist es gefällig, oder ist es einfach schön?"

Seit 2013 lässt Hans Dollinger Drucke mittels einer Hopfensackpresse entstehen. Für ihn gleicht auch diese Arbeit einem Spiel: "Aus spontanen Entscheidungen ergeben sich überraschende Bilder - oder Misserfolge", sagt er. Drahtreste und Drahtknäuel aus Hopfengärten oder auch Rebenstücke, die man auf Feldwegen findet, liefern die Druckstöcke. Da eine Hopfensackpresse keine Präzisionsdruckmaschine ist, gleicht auch kein Druck dem anderen.

Doch Hans Dollinger findet auch in der Küche beim Gemüseschälen schöne Vorlagen für keramische Kleinplastiken. "Nature Mades" nennt er sie. "Die Natur gibt so wunderschöne Sachen vor. Wir müssen sie nur sehen." Für Dollinger ist Kunst wie eine Art Weltreise, doch man muss nicht reisen. "Kunst findet man auch in Ausstellungen und Museum - und man kann dort dann eine Weltreise unternehmen, in die Welt der Kunst."

AUSSTELLUNG AM WOCHENENDE

Auch als Organisator für drei Ausstellungen mit dem Thema "Passion" trat Hans Dollinger in Erscheinung: eine in der Krypta der neuen Kirche und zweimal in der Alten Kirche. Und die letzte findet im Rohrbacher Pump-heisl statt, wie die Ur-Rohrbacher das alte Wasserwerk nennen. "Das hat mich immer schon gereizt", sagt Dollinger. Seine Objekte und Hopfenpressdrucke passen in dieses Ambiente: "An den Wänden kannst nicht überall was aufhängen, die sind eigentlich selbst ein Gemälde", meint Dollinger, "der abbröselnde Putz schafft das." Das erste Wochenende kam gut an, viele interessiert es auch, das Pumpheisl einmal von innen zu sehen. Es ist weiter geöffnet an diesem Wochenende von Freitag bis Sonntag, 16. bis 18. Juli, jeweils von 15 bis 18 Uhr.

era

PK