Pfaffenhofen
"Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig"

Während die meisten Videotheken in Deutschland schließen, hält sich Moni Michl wacker

09.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:55 Uhr
Tina Blum
Moni Michl betreibt die Videothek Monte Video in Pfaffenhofen. Während die meisten Läden in der Branche schließen, kämpft sie gegen den Vormarsch der Internet-Streaming-Dienste. −Foto: Blum

Pfaffenhofen (PK) Die Zahl der Videotheken im Landkreis ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Das Videocenter Wolnzach, die Videoverleiher in Vohburg, Reichertshofen und Umgebung haben bereits vor Jahren ihre Pforten geschlossen. Von einst drei Videotheken in Pfaffenhofen gibt es nur noch das Monte Video. Moni Michl betreibt ihren Laden seit knapp 25 Jahren und hat mit den Folgen des zunehmenden Internetkonsums zu kämpfen. Ans Zusperren denkt sie jedoch nicht.

"Es wird einfach zu wenig gegen die illegalen Streaming-Seiten im Internet getan", sagt Moni Michl mit wütendem Unterton in der Stimme. Kein Wunder, denn in Zeiten des Streamings und Online-Shoppings bangen der Einzelhandel und auch die Videotheken um ihre Existenz. Dank zahlreicher Stammkunden hält sie ihre Videothek am Laufen - einfach ist es jedoch nicht. Laut einem Gutachten, das das "Handelsblatt" in Auftrag gegeben hat, betreiben rund 1,9 Millionen Deutsche "Online-Piraterie" auf illegalen Internet-Seiten. Filme und Serien werden auf unautorisierten Webseiten zur Verfügung gestellt und stehen dann unentgeltlich zur Verfügung. Auch wenn das bloße Streamen seit 2017 eine Verletzung gegen das Urheberrecht darstellt und strafrechtlich verfolgt wird, dauere es laut Michl zu lange, bis wirklich "etwas passiert". Das ärgert sie. Sie wehrt sich mit aller Kraft gegen die Verlagerung des Filmekonsums ins Internet.

"Mit meinem Laden umziehen musste ich zum Glück noch nie. Ich habe mich jedoch verkleinert und habe alles aus dem Erdgeschoss in den Keller umgelagert", erzählt sie. Im oberen Stockwerk ist jetzt ein Wettbüro eingezogen. Aus Kostengründen habe sie sich einschränken müssen. Sehr genau habe sie sich das überlegt, sagt sie, da sie sich von keinem ihrer 9000 Filme trennen wollte. Auch ihre beiden Angestellten, die auf Mini-Job-Basis in der Videothek arbeiteten, damit Michl an zwei Tagen pro Woche für ein paar Stunden frei machen konnte, musste sie 2016 schweren Herzens entlassen. "Wie sagt man so schön in Bayern: ?Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig'. Ans Zumachen denke ich allerdings nicht." Dass es das Monte Video in Pfaffenhofen noch gibt, liegt am unerschütterlichen Kampfgeist von Moni Michl - die ihre Leidenschaft für Filme zum Beruf gemacht hat.

Ein Film-Freak sei sie schon immer gewesen. Zur Videothekenbetreiberin wurde die gelernte Sportfachverkäuferin eher zufällig. Über einen Bekannten kam sie zu dem Münchner Franchise-Unternehmen Monte Video und eröffnete am 10. August 1994 ihr Geschäft in Pfaffenhofen.

Nicht nur über die illegalen Film-Dateien im Internet ärgert sich Michl. Auch das legale "Video on Demand" - also jederzeit abrufbare, bezahlte Serien- und Filmprogramme wie es sie bei Online-Plattformen wie beispielsweise Netflix, Amazon Prime Video und Maxdome gibt - ist ihr ein Dorn im Auge und gefährde ihrer Ansicht nach die Video-Verleihbranche. Michl würde selbst nie streamen: "Das würde ich meinen Augen und Ohren nie antun." Sie wartet bis die Filme legal im Verkauf oder Verleih erscheinen und genießt lieber die "gute Ton- und Bildqualität". "Außerdem rentieren sich die Kosten für die gestreamten Filme selten. Man zahlt mehr und erhält ein schlechteres Produkt", sagt sie. Die Auswahl sei bei Weitem nicht so groß und für viele Filme und Serien müsse man mehr bezahlen als im Monte Video.

Die Digitalisierung hat in Michls Augen nicht nur Veränderungen in technischen Bereich mitgebracht. Auch der gesellschaftliche Wandel, der damit einhergeht, missfällt ihr. "Früher war die Videothek ein sozialer Treffpunkt. Hier haben sich Paare kennengelernt und ich habe Kinder groß werden sehen." Früher seien ganze Gruppen in ihren Laden gekommen und hätten gemeinsam Filme ausgesucht. Das kollektive Ansehen des Films wurde in ihren Augen früher geradezu zelebriert: "Heute läuft der Fernseher und die Leute haben nebenbei noch ihr Handy laufen", schimpft die 50-Jährige, "und außerdem jeder glotzt allein auf seinem Tablet und nicht mehr in der Gemeinschaft".

Die dritte Generation an Kunden bediene sie mittlerweile. Viele bleiben ihr treu. Einer davon ist Wolfgang Müller aus Pfaffenhofen. Meistens bringt er am Vormittag vor seiner Schicht die DVDs, die er sich ausgeliehen hat, wieder zurück. Seit 1996 kommt er gut alle zwei Wochen ins Monte Video und leiht sich mindestens einen Film bei Michl aus. "Ich würde Moni sehr vermissen. Ich habe eine gute Sound-Anlage und einen neuen Fernseher und möchte die Filme dann auch in entsprechender Qualität sehen", sagt Müller. Denn bei den Streaming-Diensten bekommt man keine echte Full-HD-Qualität wie bei den Blue-rays, die Michl in ihren Regalen stehen hat. Somit erhalte man nicht die volle Bildqualität: "Zwischen Full HD und HD ist ein Unterschied", sagt Michl.

Ein weiterer Nachteil sei, dass der Stream immer von der Internetqualität abhänge. Bei der kleinsten Störung hake es. Während einem Kindergeburtstag oder einem gemütlichen Filmabend mit Freunden könne das zum Stimmungskiller werden. Und deswegen macht Moni Michl weiter - für ihre treuen Stammkunden. "Aus wirtschaftlicher Sicht sollte ich eigentlich schließen, aber der Laden ist mein Baby, und das gibt man nicht so einfach her", sagt sie. Ihr Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen will sie im August kommenden Jahres auf jeden Fall feiern.

Videothekensterben verschärft sich

In Konkurrenz zu den aufstrebenden Online-Diensten verschwinden in Deutschland immer mehr Videotheken vom Markt. Von 2016 bis 2017 machte jede dritte Verleihstelle zu, das heißt die Zahl der Verleihstellen brach von rund 900 auf 600 ein, wie aus Zahlen des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels in Deutschland (IVD) hervorgeht. Damit hat sich der Strukturwandel verschärft, 2016 lag der Filialenrückgang noch bei etwa einem Fünftel.

2008 gab es in Deutschland noch fast 3000 herkömmliche Videotheken. Der IVD nannte Produktpiraterie als Grund – es werde zu wenig vom Gesetzgeber getan gegen illegale Downloads und Abrufe im Internet. Der Umsatz der Videotheken mit Spielfilmverleih sank von 2016 auf 2017 um ein Viertel auf 121 Millionen Euro.

Experten sehen hingegen Online-Dienste wie Netflix, Amazon Prime, Maxdome oder iTunes als Hauptgrund für den Niedergang –  anstatt DVDs in einer Videothek auszuleihen und später zurückbringen zu müssen, reichen heute ein paar Klicks im Internet, um sich einen Film anzuschauen.dpa

Tina Blum