Pfaffenhofen
Zeit für Helden

Nach einem Raubüberfall hat Peter Sattler den mutmaßlichen Täter geschnappt

15.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:58 Uhr
Peter Sattler hat Zivilcourage bewiesen. −Foto: Straßer

Pfaffenhofen (PK) Ohne Peter Sattler hätte die Polizei wohl keine Chance gehabt, den Handtaschenräuber derart schnell zu fassen. Als der 51-jährige Pfaffenhofener vor einer Woche eine Seniorin um Hilfe rufen hörte, überlegte er nur einen Moment - dann nahm er die Verfolgung des Räubers auf. In welche Gefahr er sich dabei brachte, wurde ihm erst hinterher klar.

Ein Räuber versucht, einer 81-Jährigen die Handtasche zu entreißen, die Frau stürzt bei dem Überfall, der mutmaßliche Täter macht sich aus dem Staub. Peter Sattler hört die Hilferufe der Frau und rennt los. Der 51-jährige Pfaffenhofener nimmt die Verfolgung auf und schafft es tatsächlich den Räuber zu fangen. Als die Polizei da ist, stellt sich heraus, dass der junge Mann mit einem Küchenmesser bewaffnet ist.

"Als ich hinterher gesehen habe, dass er ein Messer hat, hab ich schon Herzklopfen bekommen", sagt Sattler. "Ob man einen Täter verfolgt, sollte man immer im Einzelfall abwägen", sagt auch Gerhard Haltmayer von der Pfaffenhofener Polizei. "Sollte ich feststellen, dass ich körperlich überlegen bin und es keine Anhaltspunkte gibt, dass er eine Waffe hat, kann man es wagen. Wenn einer bewaffnet ist sollte man es tunlichst vermeiden." Trotzdem: Ohne Peter Sattler würde der mutmaßliche Täter vermutlich immer noch frei herumlaufen. "Ich würde es immer wieder machen, vielleicht etwas besonnener", sagt er. "Ich habe eine hilflose Person da liegen sehen. Da schrillen bei mir alle Alarmglocken. Sowas geht gar nicht. Und die Kripobeamtin hat schon zu mir gesagt: ,Toll, was sie da gemacht haben.'"

Am Mittwoch vor einer Woche hatte hatte der Vater von zwei erwachsenen Töchtern gegen 14 Uhr Besorgungen am Hauptplatz erledigt; er war mit einem Buch in der Hand und einem Kollegen am Telefon auf dem Weg zu seinem Auto. Kurz vor seinem Parkplatz bei der Apotheke in der Münchener Straße hörte er die Hilferufe. Auf Höhe des Modegeschäfts Ledrella sah Sattler dann die Frau auf dem Boden liegen. "Man braucht zwei, drei Sekunden, bis man das überrissen hat", sagt er. "Man rechnet ja mit allem, aber nicht mit einem Raubüberfall." Allerdings war genau das passiert. Ein 20-jähriger Pfaffenhofener hatte laut Polizei versucht, einer 81-Jährigen ihre Handtasche von der Schulter zu reißen. Die Seniorin stürzte und verletzte sich. Der Räuber lief davon. Einsatz für Peter Sattler.

Der mutmaßliche Täter lief entlang des Schwarzbachs bis er sich in einer engen Häuserflucht verstecken wollte. "Da hab' ich ihn nur noch gehört", erzählt Sattler. Vorsichtig lief er hinterher. Erst im Nachhinein wurde ihm bewusst, in welche Gefahr er sich begeben hatte. "Der hätte da nur stehen müssen, dann wäre Feierabend gewesen", sagt er. Der Räuber wartete aber nicht mit einem Knüppel an der Hausecke, er hatte sich in eine Sackgasse manövriert. Peter Sattler rief erstmal die Polizei an. "Und dann hab' ich ihn erstmal angequatscht. Mit lauter und fester Stimme hab' ich gesagt, dass er wieder mit auf die Straße kommen soll." Und tatsächlich kam der junge Mann auf Peter Sattler zu. "Da wusste ich: ,Jetzt wird's ernst.'" Der Räuber ließ sich aber widerstandslos von Sattler zum Tatort zurück bringen. "Ich habe ihm gesagt, dass er sich friedlich verhalten soll - und dass ich Wing Chun beherrsche", sagt er. Peter Sattler nimmt man den Kampfsportler durchaus ab, er ist groß, drahtig, wirkt durchtrainiert - ganz wahr ist es trotzdem nicht. Vor längerer Zeit hat er zwar mal ein paar Stunden genommen, von Bruce Lees Kampfkünsten ist er aber doch weit entfernt. Eindruck hat es aber offensichtlich gemacht.

Trotzdem: "Als ich von der Kripo wieder daheim war hatte ich heftigste Kopfschmerzen. Da ist das alles gesackt." Aber auch ein paar Tage später, nach längerem nachdenken, ist er sicher, richtig gehandelt zu haben. "Jede Art von Zivilcourage ist es wert. Irgendwie kann man immer handeln. Sich wegducken, ignorieren finde ich ganz gruselig." Man müsse sich nur mal vorstellen, was so ein Überfall mit der Psyche des Opfers mache - besonders wenn der Täter davonkommt. "Dann gäbe es da vielleicht eine 81-jährige Dame, die sich nicht mal mehr tagsüber auf die Straße trauen würde", sagt Sattler. "Sie war natürlich höchst dankbar."

Der mutmaßliche Täter muss sich bei einer Verurteilung übrigens auf eine Haftstrafe einstellen. Wer bei einem Überfall eine Waffe dabei hat, sie aber nicht einsetzt, muss sich laut Gerhard Reicherl von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt üblicherweise wegen schweren Raubs verantworten. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren. Momentan sitzt der 20-jährige Pfaffenhofener in Untersuchungshaft. Ermittlungen der Kripo zufolge dürfte der junge Mann auch für eine weitere Straftat verantwortlich sein. Diese hatte sich kurz zuvor am Sparkassenplatz ereignet: Der Täter versuchte erfolglos, einer Rentnerin die an ihrem Rollator befestigte Handtasche zu stehlen.

Severin Straßer