Pfaffenhofen
Die Saubermacher

Bei der Firma Horn wird so ziemlich alles gereinigt - sogar die Klamotten von Tatort-Kommissaren

20.07.2018 | Stand 25.10.2023, 10:31 Uhr
Bügeln, plätten, knöpfen: Das erledigen die 50 Mitarbeiterinnen von Peter Horn (Hintergrund) in dem Familienbetrieb. −Foto: Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Allein 300 Hemden geht es bei der Pfaffenhofener Reinigungsfirma Horn täglich an den Kragen. Vor Peter Horn und seinen 50 Mitarbeiterinnen ist nichts sicher: Vom sehr pflegebedürftigen Kaschmirpulli bis zum Kostümfundus von der BR-Kultserie "Dahoam is Dahoam".

Irgendwie müssen es die Kölner Heinzelmännchen vom Rhein an die Ilm geschafft haben. Denn was da schon in aller Herrgottsfrüh an der Joseph-Fraunhofer-Straße passiert, das hat der Balladen-Dichter August Kopisch schon vor 200 Jahren in der Domstadt beobachtet: "Da kamen bei Nacht, eh man's gedacht, die Männlein und schwärmten und klappten und lärmten und rupften und zupften und putzten und schabten ..." Wer's nicht glaubt, kennt die Reinigung Horn nicht.

Noch im Morgengrauen, um fünf, sperrt Peter Horn die Tür zu seinem Betrieb auf, schaltet die Maschinen ein, und um sechs strömen dann - nein, nicht die Männlein - seine Mitarbeiterinnen in die Halle: Sie waschen und bügeln und plätten und falten und knöpfen und nähen bis zu 800 Hosen und Jacken und Kleider und Mäntel ... Allein 300 Hemden treibt die "Textilpflege Horn" täglich Schmutz, Schweiß und Knitter aus dem Gewebe.

Dass Peter Horn, inzwischen 70, einmal in der Reinigungsbranche arbeiten würde, daran ist der Siemens-Konzern schuld. Horn hatte dort auf eine Auslandsversetzung gehofft. Daraus wurde nichts. Enttäuscht und gekränkt kündigte er. Alternative? Die gab's in der Familie: Sein Vater, gelernter Chemiker, betrieb eine Wäscherei und Färberei an der Weiherer Straße in Pfaffenhofen. Da stieg der Sohn nach einer Lehre bei seinem Onkel 1972 mit 25 Jahren ein. Wenn Horn heute von seinem Vater spricht, dann redet er nur vom "Senior". Irgendwie hat sich das in den 20 Jahren, in denen die beiden bis zu seinem Tod 1992 zusammengearbeitet haben, so ergeben. Fremder Leute Schmutz beseitigen, das liegt offenbar in der Familie: Horns Großmutter hatte in Schorndorf als Waschkraft gearbeitet.

Schon damals hatten die Horns mehrere Filialen. In jeder wurde gewaschen und gereinigt. Das änderte sich, als in den 90er-Jahren den Reinigungsbetrieben hohe Umweltschutz-Auflagen gemacht wurden. "Da begann das große Reinigungssterben", erinnert sich Horn. Für jede Filiale hätte er neue Anlagen anschaffen müssen - ein Unding, weil sich das niemals gerechnet hätte. Deshalb hat er an der Joseph-Fraunhofer-Straße 45 im Gewerbegebiet die Firmenzentrale aufgebaut. Hier werden jetzt die Textilien für alle fünf Filialen in München, Aichach, Dachau, Karlsfeld und Schrobenhausen gewaschen und gereinigt. 250 000 Euro hat Horn in diesen Standort mit umweltschonenden Verfahren investiert. Das Haus an der Weiherer Straße mit den hohen Decken gibt's noch, darin wohnt er jetzt mit seiner Frau Gaby. 33 Jahre sind die beiden verheiratet.

Wer die Werkhalle hinter dem Annahme-Tresen betritt, muss unweigerlich an die emsigen Heinzelmännchen denken. Zwischen scheinbar endlosen dicht behangenen Kleiderstangen wuseln wie in einem Labyrinth Horns Mitarbeiterinnen, allesamt Frauen. Eine nimmt von einem hohen Stapel ein klamm-feuchtes Hemd, stülpt es über einen Torso, klammert die beiden Ärmel fest, und dann bläst sich das Hemd auf, es dampft und zischt - und nach fünf Sekunden ist es faltenlos glatt. Fast. Jetzt werden Kragen und Manschetten ebenso kurz in eine Presse gelegt - fertig. Nein, noch nicht ganz: Ein kritischer Blick, denn manche Kunden, insbesondere Firmen, die Betriebskleidung zu Horn bringen, sind ziemlich pingelig. "Da darf nicht eine Falte in Stoff sein", sagt der Chef. Nötigenfalls wird mit dem Bügeleisen nachgeplättet. Auf Podesten stehen drei große Waschmaschinen, jede fasst 24 Kilo Wäsche - das Dreifache eines Haushaltsgeräts. Die drei Maschinen fürs chemische Reinigen fassen sogar je 34 Kilo Textil. Computergesteuert fließen aus Kanistern die nötigen Chemikalien in der passenden Dosierung in die Trommeln, je nach Material. Danach hat vorher Peter Horns Bruder Uli, 66, die Kleidungsstücke sortiert. Strass und andere Applikationen müssen möglicherweise vor dem Reinigungsvorgang abgetrennt werden. Pelzbesatz, wenn er nicht eindeutig gekennzeichnet ist, prüft er auf Echtheit: Er zupft ein Haar heraus und sengt es an. Riecht's nach Horn, dann ist es echt und braucht eine Sonderbehandlung. Immerhin ist die Reinigung schadensersatzpflichtig. Vor Jahren, erzählt Horn, war bei einer Hose in der Kniekehle durch Schweiß die Farbe zerstört. Aber diese auf der Hand liegende Erklärung habe der Kunde nicht akzeptieren wollen. Er verklagte die Reinigung, ein Gutachter wurde eingeschaltet, allein der verlangte für seine Expertise 600 Euro. 1200 Euro kostete den Hosenbesitzer schließlich der verlorene Prozess.

Horn macht alles sauber - und was er nicht selbst reinigen kann, Leder etwa oder Teppiche, das nimmt er zwar an, gibt es aber an Spezialbetriebe weiter. Spezialisiert hat er sich auf Brandsanierung, er befreit die Textilien von Rußflecken und Rauchgestank. Kein Fleck, vor dem er kapituliert? "Nur einer", sagt Uli Horn, "und das ist Ölfarbe." Ob er's mal mit Terpentin versucht habe, fragt der neunmalkluge Besucher. Kann man machen, schmunzelt Uli, aber dann ist die Farbe des Stoffs auch weg. Da kann man dann auch gleich dem Fleck mit der Schere zu Leibe rücken.

Auch Horns Ehefrau Gaby hat die Erfahrung gemacht, dass hausfrauliche Fähigkeiten nicht unbedingt der Reinigungsraffinesse ihres Mannes überlegen sind. Da hatte sie sich einen filigranen Kaschmirpulli gekauft, und weil sie die Appretur nicht mag, hat sie ihn vor dem ersten Tragen "eigens mit einem Spezialmittel" gewaschen. Kalt, Handwäsche. Als der Pulli trocken war, hätte er einer Fünfjährigen gepasst. Wo der Fehler war? "Kaschmirgewebe" erklärt Pater Horn, "darf nicht gedrückt werden. Das zerstört die Faser. Wir waschen deshalb mit sehr hohem Wasserstand."

Ohne dass er großartig akquiriert hat, vertrauen Großkunden etwa aus der Kfz-Branche die Firmenkleidung ihrer Mitarbeiter dem Pfaffenhofener Unternehmer an. Oder die Bavaria-Filmstudios die Klamotten der Tatort-Kommissare Batic und Leitmayr. Auch den Kostümfundus der BR-Kultserie "Dahoam is Dahoam" hält er frisch und sauber.

Mittagszeit. "Im Sommer", sagt der Chef, "machen wir hier um zwölf dicht. Weil's einfach zu warm wird." Horn, engagiertes Mitglied im Pfaffenhofener Rotary-Club, hat ein soziales Herz. Weil er keine Kinder hat, sucht er schon seit längerem jemanden, dem er sein Unternehmen übergeben kann. Einmal hatte er schon einen passenden Interessenten gefunden, der ihm ein Angebot gemacht hatte. Aber Horn hat abgelehnt. Bedingung nämlich war, dass er seiner kompletten Belegschaft hätte kündigen müssen. Der Investor wollte eigene Leute mitbringen. Aber das geht mit Peter Horn gar nicht. Da bleibt er hartnäckig wie die Ölfarbe im Gewebe.

Albert Herchenbach