Wolnzach
"Alleine schmeckt's nicht"

Im BRK-Haus der Senioren gibt es jetzt wieder gemeinsame Mahlzeiten - Klare Regeln für Besuche

03.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:42 Uhr
Über ihr erstes gemeinsames Mittagessen seit langem in einer kleinen Gruppe unter Einhalt der Abstandsregeln freuten sich die Bewohner des BRK-Haus der Senioren am Donnerstag. −Foto: Fochler

Wolnzach - Die Zeit der totalen Isolation ist für die Bewohner von Seniorenheimen vorbei, Besuche sind wieder erlaubt - wenn auch unter strengen Auflagen. Die Umsetzung der geltenden Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz einer Ansteckung und einer Ausbreitung des Coronavirus gerade unter alten Menschen stellt die Verantwortlichen für große Herausforderungen. Im Wolnzacher BRK-Haus der Senioren überwiegt dennoch die Freude über die Erleichterung der Kontaktbeschränkung über Besuche von außen, aber auch intern tut sich einiges: Seit Donnerstag gibt es wieder gemeinsame Mahlzeiten - zwar mit Abstand, aber zumindest mit Blickkontakt.

"Alleine schmeckt's nicht." Immer wieder haben die Pfleger und Betreuer der Hausbewohner diesen Satz in den vergangenen Wochen gehört. Heide Kellerer ist Leiterin der Sozialen Betreuung im Haus, nah dran an den Bewohnern und an den Kollegen. Sie weiß: "Dass unsere Leute jetzt nicht mehr nur im Zimmer, sondern in kleinen Gruppen essen können, das ist schon viel wert." Am Donnerstag war es das erste Mal, dass sie nach langen Wochen der Unsicherheit und der totalen Isolation zum Frühstück ihre Zimmer verlassen durften. "Das war eine große Freude für uns und für sie", so die Fachkraft, die gleich noch einen positiven Nebeneffekt bemerkt hat: raus aus dem Zimmer, aufstehen, weil es ein Ziel gibt, sich bewegen, ein paar Schritte tun, den anderen zulächeln - lauter kleine Mosaiksteinchen zu wieder mehr Lebensqualität und Lebensfreude. Denn die habe schon sehr gelitten, trotz aller Bemühungen des Personals. "Körperlicher und psychischer Notstand", nennt das Heide Kellerer.

Ein Notstand, der nun schrittweise aufgebrochen wird, kleine Zugeständnisse werden da zu großen Erlebnissen: "Es hat sogar Tränen gegeben, als die Leute beim Frühstück einander zumindest wieder gesehen haben." Auch Unterhaltung war möglich, so weit saß man dann doch nicht auseinander.

Noch größer ist die Freude darüber, dass es nun wieder mehr Besuch von Angehörigen und Bekannten geben kann. Wenngleich die geltenden Regelungen und die individuellen Auslegungen in den bayerischen Seniorenheimen oft auch für Unsicherheit und vereinzelt auch Unmut sorgen, weil individuelle Belange manchmal zurück stehen müssen.

BRK-Heimleiter Michael Fochler weiß das, hat in den vergangenen Tagen und Wochen deshalb viele Gespräche geführt. Das Problem seien oft Informationen, die nur bruchstückhaft aufgenommen und dann falsch ausgelegt würden, so der Heimleiter. Beispiel: die Tatsache, dass die strenge Beschränkung auf nur zwei feste Kontaktpersonen, die als Besucher infrage kommen, weggefallen ist und nun auch mehrere Personen angegeben werden können. Das bedeute jedoch nicht, dass auch mehrere Personen gleichzeitig einen Heimbewohner besuchen dürfen, erklären Heide Kellerer und Michael Fochler. Vielmehr könne lediglich die Liste möglicher Besucher erweitert werden, die Umsetzung der Besuchszeiten regle jedes Seniorenheim individuell. Da führe kein Weg vorbei, so Heimleiter Fochler. Grund: "Jedes Haus ist anders strukturiert und hat ganz andere Gegebenheiten."

Im Wolnzacher BRK-Haus wurden Dienstag, Donnerstag und Sonntag als Besuchstage festgelegt, jeweils um 14 und 15 Uhr könnten Heimbewohner für eine halbe Stunde Besuch empfangen - und zwar in zwei Gruppen zu jeweils zehn Personen, von denen jeweils ein Heimbewohner auch zwei Besucher empfangen darf. Bettlägerige Bewohner bekommen ihren Besuch im Zimmer. Dazu werden Besuchszeiten vergeben, das Seniorenheim hat dazu alle 90 Heimbewohner und Angehörigen abgefragt. "Eine Heidenarbeit", sagt Heide Kellerer. Aufgelistet wurden dann Wunschbesuchstage, nach denen das Besuchskonzept ausgerichtet wird.

Nur mit Maske und mit Abstand - das gilt nach wie vor. Um überhaupt Besuchsbereiche anbieten zu können, wurde viel umgeräumt: Foyer, Speisesaal und bei schönem Wetter der Eingangsbereich und die Terrasse dienen als Besucherzonen, dort stehen ausschließlich Tische und Stühle, die umgehend desinfiziert werden können, keine Polstermöbel. Separate Eingänge, um Ansammlungen zu vermeiden, genaues Erfassen der Gäste, Desinfektion nach jedem Besuch. Besuchszeiten von 8 bis 18 Uhr? "Unter den gegebenen Umständen unmöglich, weil wegen des großen Aufwands nicht umsetzbar", sagt der Heimleiter. Wenn die Besucher kommen dürfen, ist die Freude auf allen Seiten groß, die Emotionen schwappen nicht selten über - bei denen, die kommen und bei denen, die schon da sind. "Dass die Leute sich da nicht umarmen dürfen, sich nicht einmal die Hand geben dürfen, das ist schon hart." Wie viele ihrer Kollegen auch, die zusätzliche Zeiten aufbringen, um die Besuche zu begleiten und dezent aufpassen, setzt Heide Kellerer das manchmal ziemlich zu. "Man will sich einfach nur drücken und darf nicht."

Dass die Bewohner und Besucher da manchmal lieber auf die gebotene Distanz verzichten würden, versteht auch Heimleiter Michael Fochler nur zu gut - und ist seinen Mitarbeitern umso dankbarer für ihr dezentes, aber bestimmtes Eingreifen, wenn nötig. Aber: "Wir sind hier nicht nur für einen einzelnen, sondern eben für alle Bewohner verantwortlich." Dass es bislang im BRK-Haus der Senioren keinen einzigen Coronafall gab, das wertet er als Zeichen für die Wirksamkeit der strengen Vorgaben in seinem Haus.

Trotz allem soll langsam wieder zumindest ein Gefühl von Alltag einkehren im BRK-Seniorenheim am Stieglberg, ganz langsam, ganz vorsichtig. Am Freitagabend feierten die Bewohner eine ökumenische Messe mit dem katholischen Pfarrer Max Roeb und dem evangelischen Pfarrer Michael Baldeweg - zur großen Freude der Bewohner und Mitarbeiter. Friseurtermine, Fußpflege, Physiotherapie - auch das soll es wieder geben. Und dann natürlich Spiel und Unterhaltung - ein Spezialgebiet für Heide Kellerer, die mit den Bewohnern auch schon Bastelworkshops organisiert hat. Oberstes Kriterium auch hier ist in Coronazeiten aber vor allem eines, Heide Kellerer drückt es so aus: "Wir beschäftigen uns mit vielem, Gedächtnistraining, Bingo - und allem anderen, was entweder ohne Kontakt geht - oder was man halt desinfizieren kann."

WZ

Karin Trouboukis