Pfaffenhofen
Akupunktur für Lumpi, Lucy und Hopsi

Mit Innovationspreis ausgezeichnet: Niederscheyrer bietet Krankenversicherung für Haustiere<?ZE>

26.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:16 Uhr
Sie haben allen Grund, fröhlich zu sein: Stephan Haverkamp und sein Canilo-Rüde Sammy. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Vielleicht wären die Bremer Stadtmusikanten ja nur zu zweit nach Bremen gezogen, wenn es damals schon eine Krankenversicherung für Haustiere gegeben hätte: Dann hätten es sich die Besitzer von Packan, dem Jagdhund, und der Katze, dem "alten Bartputzer", leisten können, mit ihnen zum Tierarzt zu gehen, anstatt sie vom Hof zu jagen. Jetzt bietet ein Pfaffenhofener Unternehmen eine solche Versicherung an, für die der Geschäftsführer Stephan Haverkamp sogar mit einem Innovationspreis ausgezeichnet worden ist.

Der 50-Jährige versichert alles, was kuschelt: Hunde, Katzen und Kaninchen. Ab 9,99 Euro Prämie pro Monat, je nach Art und Rasse, zahlt die "TIERdirekt" OP-Rechnungen bei Unfall und Krankheit, ab 14,99 Euro gibt's das Rundum-Paket, das Untersuchungen, Behandlungen und Vorsorgeleistungen abdeckt - vom 1. November an ohne Limit nach oben. Hinter der Versicherung steht der weltgrößte Rückversicherer. Ausgezeichnet wurde Haverkamp in den Kategorien "Kundennutzen" und "Digitalisierung": Das funktioniert so: Der Tierarzt übermittelt seine Rechnungsdaten elektronisch direkt aus dem Praxissystem an die Leistungsschnittstelle von TIERdirekt. In Sekundenschnelle erhalten Tierarzt und Patientenbesitzer noch in der Praxis eine Deckungszusage - das läuft genauso wie bei einem Kfz-Kasko-Schaden, den der Autofahrer an die Werkstatt abgetreten hat.

Im Juni vor einem Jahr ist Haverkamp mit seinem Angebot an den Start gegangen, 1000 Tierhalter haben bereits Lumpis, Lucys und Hopsis gegen Beinbrüche, Ohrenentzündungen und Wurmbefall versichern lassen. Ein verheißungsvoller Anfang: "Wir wollen 100 000 Versicherte", sagt Haverkamp. Die Aussichten stehen nicht schlecht, denn die Tierarztkosten steigen deutlich. "Immer mehr Tierhalter erkennen", hat Haverkamp festgestellt, "dass eine Krankenversicherung für ihren Vierbeiner eine sinnvolle Risikoabsicherung darstellt." Während es in Großbritannien schon seit über 70 Jahren Krankenversicherungen für Haustiere gibt - mit einem jährlichen Prämienvolumen von etwa 1,5 Milliarden Euro - und in Schweden 60 Prozent aller Haustierhalter eine Police besitzen, ist Deutschland für Tierversicherer ein fast unbeackertes Feld. Erst seit 30 Jahren bietet eine Handvoll Assekuranzen entsprechende Verträge an, die gerade mal von etwa zwei Prozent der Halter in Anspruch genommen werden.

Das wird sich auch deshalb ändern, glaubt Haverkamp, weil sich die Beziehung zwischen Mensch und Tier deutlich verändert hat. Waren zu Zeiten der Bremer Stadtmusikanten Hunde zum Hüten des Hofs und Katzen zum Mäusefangen da, seien sie heute Familienmitglieder. Erst unlängst sei auf einer Veranstaltung diskutiert worden, ob man statt "Pet Owners", also Tierhaltern, nicht lieber von "Pet Parents", Tiereltern, reden sollte; und ob es nicht angemessener sei, von essen statt von fressen zu reden. Apropos Ernährung: Inzwischen geben die Amerikaner bereits mehr Geld für Hundefutter als für Babynahrung aus. Ein Trend, der auch in Deutschland zu beobachten ist. Die Tierliebe scheint grenzenlos zu sein.

Für Haverkamps Angebot bedeutet das Luft nach oben. Der promovierte Agrarwissenschaftler und Informatiker hat zuletzt bei großen Versicherungen gearbeitet und das Kompetenzzentrum für Landwirtschaft geleitet, in dessen Zuständigkeit auch die Tierversicherung fällt. Und dabei eine Nische entdeckt: Die Krankenversicherung für Fellnasen. Warum nicht auch für Meerschweinchen, Goldhamster und Leguane? "Weil", sagt Haverkamp, "man für die Tiere eine geeignete Kennzeichnung braucht." Also einen eingepflanzten Chip unter der Haut oder eine Tätowierung. Denn andernfalls könnten rein theoretisch "auf einer Police zehn schwarze Labradoodle versichert sein", vielleicht sogar noch welche aus der Nachbarschaft. Aber Meerschweinchen - da könne man drüber nachdenken, sagt Haverkamp, der auch schon mal eine Anfrage vom Halter eines Frettchens und Chinchillas bekommen hat. Statistisch etwa dreieinhalb Mal gehen Hundebesitzer im Jahr zum Tierarzt, 6000 bis 9000 Euro geben sie während eines zwölfjährigen Hundelebens für tierärztliche Behandlungen durchschnittlich aus. Im Einzelfall können die Kosten aber deutlich darüber liegen. Das Risiko federt Haverkamp ab. Mehr als das: Wer den Rundum-Schutz abgeschlossen hat, profitiert sogar von Vorsorge-Leistungen: Sollte Samtpfötchen, weil ihr Gebiss mangels Mäusen nicht mehr so gefordert ist, zu Parodontose neigen, wird sogar eine Zahnsteinentfernung und Kariesbehandlung bezahlt. Tatsache ist, dass kranke Zähne wie auch beim Menschen das Wohlbefinden von Tieren deutlich einschränken. Mit dem Rundum-Paket kann man Waldi und Miezi sogar sanfte Heilmethoden angedeihen lassen: Magnetfeld-Therapie, Chiropraktik, Akupunktur oder auch Homöopathie. Moment, Globuli sollen auch Pfotenläufern helfen? Ist es nicht unbestritten, dass diese Heilmethode auch deshalb hilft, weil der Patient an ihre Wirksamkeit glaubt? Bello, dem die winzigen Kügelchen unters Futter gemischt werden, fehlt doch logischerweise diese Einsicht. Für Stephan Haverkamp ist das keine Frage: Homöopathie kann auch Tieren helfen - und sei es nur, weil Besitzer dran glauben und deshalb besonders fürsorglich mit ihrem Liebling umgehen; und das spüre der Vierbeiner. Selbst eine Verhaltenstherapie ist mit der Police abgedeckt, sie muss aber ärztlich indiziert sein. Allerdings gibt es Ausschlusskriterien für die Versicherung: Für Hunde gilt ein Höchsteintrittsalter von sechs Jahren, Katzen dürfen nicht älter als acht und Kaninchen nicht älter als vier Jahre sein. Was Haverkamp auch nicht versichert: Die Behandlung von zuchtbedingten Fehlbildungen bei kurzköpfigen Rassen. Also etwa die operative Korrektur der Atemwege beim Mops, hervorgerufen durch die platte Schnauze. Natürlich sind auch diese Tiere versicherbar, jedoch möchte Haverkamp ebenso wie die Tierärztekammern solche Zuchtziele, "die für viele Tiere entsetzliche Qualen bedeuten", nicht unterstützen.

Für ihn ist die Krankenversicherung auch ein Mittel gegen die "ökonomische Euthanasie"; wenn zum Beispiel Tiere eingeschläfert werden, weil ihre Besitzer sich keine tierärztliche Behandlung leisten können. Insbesondere im tierärztlichen Notdienst können die Behandlungen tatsächlich teuer werden, "was viele Tierhalter massiv unterschätzen". Es seien ja gar nicht mal so sehr Operationen, die ins Geld gehen: Die Behandlung einer oft tödlich verlaufenden Leptospirose, eine Infektionskrankheit, die entsteht, wenn Hunde etwa aus einer Pfütze trinken, kann 5000 Euro kosten. Andere Halter sparen Arztkosten, indem sie das kranke Tier beim Tierheim abgeben.
Haverkamp beschäftigt am Firmensitz an der Niederscheyerer Straße inzwischen fünf Mitarbeiterinnen. Sein eigenes Büro teilt er sich mit Sammy, einem 16 Monate alten Canilo. "Ein Seelentröster", versprechen die Züchter, "wenn es mal nicht so gut läuft, und ein Clown, der einen zum Lachen bringt." Was das anbelangt, kann Sammy sich zurückhalten: Herrchens Geschäfte laufen gut.

PK