Pfaffenhofen
Wenn Tierwohl in der Masse untergeht

Trotz eines komplizierten Bruchs hat ein Landwirt die Schmerzen eines Schweins nicht entdeckt - jetzt steht er dafür vor Gericht

08.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:19 Uhr
Das Schwein markieren und separieren - das hätte ein Landwirt machen müssen, doch ein schmerzhafter Bruch blieb unentdeckt. −Foto: Gentsch/dpa

Pfaffenhofen (cpl) Muss ein Landwirt, der 1500 Schweine hält, erkennen, dass eines davon verletzt ist?

Im Wesentlichen sorgte genau diese Frage für Zündstoff, als am Mittwoch ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor dem Pfaffenhofener Amtsgericht verhandelt wurde.

Ein Schwein wurde im April vergangenen Jahres trotz eines komplizierten Oberschenkelbruchs an den Schlachthof übergeben, erst nach seinem Tod ist die Verletzung festgestellt worden. Bei der Untersuchung des toten Tieres, stellte ein Pathologe fest, dass sich das Schwein die Verletzung vor Wochen zugezogen und große Schmerzen gehabt haben muss. Das hätte dem Landwirt aus dem Pfaffenhofener Landkreis nicht entgehen dürfen, so der Vorwurf.

Der 56-Jährige legte Einspruch gegen den ergangenen Strafbefehl ein. "Ich möchte die Vorwürfe energisch abstreiten", er sei sich keiner Schuld bewusst. Er sei schon einmal angeklagt gewesen, weil er das Wohlbefinden seiner 1500 Schweine nicht ausreichend kontrolliert habe - dabei gehe er zweimal täglich durch den Stall, um die Tiere zu prüfen. Einmal in der Woche treibe er sie auf, um sie in Bewegung zu beobachten.

In einem ausführlichen Plädoyer erklärte Verteidigerin Viktoria van Kempen, dass es nicht einfach sei, solche Verletzungen bei der Kontrolle festzustellen. Sie habe selbst jahrelang Schweine gehalten: "Schweine sind faul", meint van Kempen, am liebsten liegen sie. Der angeklagte Landwirt habe in seinem Stall automatische Futterautomaten, wo die Tiere fressen, wann immer sie möchten. Diese Art der Fütterung - anders als Tröge, an denen die Tiere dreimal am Tag Futter bekommen - bringe mehr Ruhe in die Herde. Das Dilemma sei, dass der Landwirt die Tiere so nicht mehr gut beobachten könne. Auch tue man den Tieren ihrer Auffassung nach generell keinen Gefallen, wenn man sie nach Vorschrift einmal pro Woche auftreibt, um zu überprüfen, ob sie krank oder verletzt sind. Der Landwirt verteile so Krankheitserreger im Stall und auch hier setze man die Schweine unter Stress. Bis zu 24 seien in einer Bucht, manchmal gehe es drunter und drüber, sagte der Landwirt: "Da ist Remmidemmi. " Man könne also durchaus übersehen, wenn ein Schwein hinkt. Außerdem sei ein Schwein ein Herdentier; um seine Position in der Gruppe zu halten, verstecke es Schmerzen, um keine Schwäche zu zeigen. Staatsanwältin Carola Sciurba kann sich trotzdem nicht vorstellen, dass der Landwirt das Hinken übersehen hätte können, wenn er sorgfältig gearbeitet hätte.

Die Zeugen sollten Aufschluss geben, mit ihnen heizte sich die Diskussion aber weiter auf. Eine Vertreterin des Fleischhygieneamts hatte den Bruch nach dem Schlachten bemerkt und den Zustand des Schweins beklagt. Allerdings - und hier sind sich die Beteiligten einig - hätten die Veterinäre die Verletzung schon vor dem Schlachten bei der Lebendprüfung erkennen müssen - ein Anlass für einen Gegenangriff der Verteidigung: Denn wie solle der Landwirt den Bruch erkennen, wenn dieser auch dem Veterinäramt entgeht? "Dann verklagen wir den Schlachthof", sagte van Kempen. Der hofeigene Tierarzt wollte sich nicht festlegen, ob der Landwirt das Leiden des Tieres sehen hätte müssen. Der Pathologe sagte: "Es sollte zumindest so sein, denn das Schwein hatte sicher große Schmerzen. " Und so hielt die lautstarke Auseinandersetzung zwischen Staatsanwältin und Verteidigerin an, denn für Sciurba ist klar: Der Bestand darf nur so groß sein, dass der Landwirt die Tiere kontrollieren kann. "Entweder muss man weniger Schweine halten oder mehr Personal einsetzen. " Richterin Nicola Schwend unterbrach die Hauptverhandlung: "Wir kommen nicht weiter. " Ein Sachverständiger soll die Lage beurteilen, im Spätsommer wird wohl weiterverhandelt werden.