Pfaffenhofen
„Freie Fahrt von Pfaffenhofen nach München und Ingolstadt!“

1867 erfolgte mit der Eisenbahneröffnung der Startschuss in ein neues Kapitel der regionalen Verkehrsgeschichte

21.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr
Eine Dampflokomotive aus den 1930er Jahren: Statt sechs Stunden mit der Kutsche fuhr man mit ihr in der Hälfte der Zeit von Ingolstadt nach München. −Foto: Archiv

Pfaffenhofen (PK) Mit der feierlichen Eröffnung der Eisenbahnlinie München-Ingolstadt am 14. November 1867 begann eine neue Epoche, die das Leben der Menschen und die gesamte Region stark verändern sollte.

Das Tempo im Alltag gewann an Fahrt, die Städte München und Ingolstadt waren jetzt in kurzer Zeit zu erreichen und in den Augen Vieler schien sich das Leben nun schneller zu drehen. Von den einen als großer Fortschritt gefeiert, standen andere dem neuen Verkehrsmittel „Eisenbahn“ anfangs sehr ablehnend gegenüber.

Schon knapp zehn Jahre vor der Eröffnung der Strecke München-Ingolstadt setzten erstmals Überlegungen ein, das bis dahin noch sehr lückenhafte Schienennetz im Königreich Bayern in das Gebiet des heutigen Landkreises auszudehnen. Der Eichstätter Bürgermeister Fellner regte 1858 an, eine Quertrasse von Pleinfeld über Eichstätt, Pfaffenhofen und Freising zu errichten. Sie sollte die damals bestehenden Strecken München-Augsburg-Nürnberg und München-Landshut-Regensburg miteinander verbinden. Der Pfaffenhofener Magistrat unter Bürgermeister Anton Rieder war begeistert, doch setzte der bayerische Staat zunächst auf den Ausbau anderer Verbindungen.

Zwei Jahre später sollte auf Drängen König Max‘ II. von oberster Stelle der Impuls ausgehen, der den Raum Pfaffenhofen für den Eisenbahnverkehr erschloss. Der König drängte auf eine direkte Verbindung der königlichen Residenzstadt München mit der strategisch wichtigen Festungsstadt Ingolstadt. Bei den Streckenplanungen spielten im 19. Jahrhundert neben wirtschaftlichen Interessen stets militärische Erwägungen eine wichtige Rolle.

Angedacht war im Jahr 1860 eine Strecke über Dachau, Jetzendorf, Scheyern und Pfaffenhofen nach Pörnbach und Geisenfeld zum damaligen Endbahnhof Ingolstadt. Vorübergehend kam ein konkurrierendes Projekt zur Sprache, das beinahe den Bau einer Eisenbahn durch den Landkreis Pfaffenhofen verhindert hätte: Die Gemeinden des Paartals regten eine Verbindung Münchens mit Ingolstadt über Friedberg, Aichach und Schrobenhausen an. Die jedoch wesentlich längere Fahrzeit auf der „Paartallinie“ ließ die Entscheidung im Jahr 1864 schließlich zugunsten einer Trasse über Dachau und Pfaffenhofen fallen. Aufgrund der ablehnenden Haltung einzelner Gemeinden und der Bestrebungen der Märkte Wolnzach und Geisenfeld, die den Gleisverlauf näher an ihrer Gemeinden sehen wollten, erhielt die Strecke ihren heutigen Verlauf. Noch im Jahr 1866, als die Bauarbeiten bereits begonnen hatten, war die exakte Trasse nicht endgültig festgelegt.

Während der knapp zweijährigen Bauzeit von Dezember 1865 bis Oktober 1867 entstanden im heutigen Landkreisgebiet Bahnhöfe in Reichertshausen, Pfaffenhofen, Rohrbach (Wolnzach-Bahnhof) und Reichertshofen. Im Zuge der Anpassung an das Terrain mussten zahlreiche Durchlässe und mehrere Brücken gebaut werden. Taleinschnitte im südlichen Landkreis sowie bei Fahlenbach dienten ebenso der Anpassung an das Gelände wie mehrere Meter hohe Anschüttungen, um einen möglichst ebenen Verlauf des Bahndamms herzustellen. Allein im Landkreisgebiet wurden 35 Bahnwärterhäuser errichtet.

Am 14. November 1867 erfolgte dann die Freigabe für den allgemeinen Verkehr, begleitet von festlicher Musik und dem erstmals zu vernehmenden Geräusch der Dampflokomotive. Dreimal täglich verkehrte eine Lok zwischen München und Ingolstadt, wofür sie in einfacher Richtung etwa drei Stunden Fahrzeit benötigte. Für die Bevölkerung eine erhebliche Zeitverkürzung, denn Fahrten von Pfaffenhofen nach München mit der Kutsche dauerten mehr als sechs Stunden.

Wie Züge die Wirtschaft ankurbelten

Die 1867 neue eröffnete Zugstrecke von Ingolstadt nach München kurbelte von Beginn an die Wirtschaft in der Region an. Neben dem Transport von Tieren, Werkstoffen, Metallwaren und Maschinen entwickelte sich der in dieser Zeit stark zunehmende Hopfenhandel zu einem wichtigen Posten. Schon im Betriebsjahr 1869 wurden insgesamt mehr als 100 000 Zentner an Gütern im Landkreis umgeschlagen.

Für den Mittelstand taten sich neue Märkte auf, indem Produkte aus eigener Fertigung an neue Absatzmärkte transportiert werden konnten. Doch auch der umgekehrte Weg von Handelsgütern aus den Großstädten oder anderen Regionen in die Region wirkte sich auf die hiesige Geschäftswelt aus, die sich plötzlich ganz neuer Konkurrenz aus der Großstadt gegenüber sah. Initiativen wie „Kaufet am Platze!“ oder die erste Gewerbeschau in Pfaffenhofen 1886 waren Reaktionen auf diese Entwicklung, aber auch auf die einsetzende Wirtschaftskrise, die Gewerbe und Landwirtschaft betraf. Gemeinden mit einem Bahnhof begannen spätestens zur Jahrhundertwende spürbar in Richtung Bahnstation zu wachsen. Die aufkommende Mobilität und die jetzt einfach zu erreichenden Großstädte ließen immer mehr Menschen auf die Eisenbahn als Verkehrsmittel setzen oder nutzten sie für den Viehtransport.

Die technische Ausstattung änderte sich über viele Jahrzehnte hinweg nur kaum. Bis in die 1960er Jahre hinein bestimmten Dampflokomotiven das Bild, die Weichen- und Signalsteuerung erfolgte über mechanische Stellwerke. Die Jahre 1960 bis 1962 brachten zwei einschneidende Neuerungen, die den technischen Ablauf des Bahnbetriebs revolutionierten. Mit der Elektrifizierung der Strecke in den Jahren 1959 und 1960 kamen die ersten E-Loks zum Einsatz, die schnell die Dampflokomotiven ablösten. Der seit den 1980er Jahren in Stufen erfolgte Ausbau der Strecke, die im Zuge des ICE-Umbaus seit dem Jahr 2006 für Hochgeschwindigkeitszüge ausgelegt ist, hat die Bahnwelt rapide verändert.

Zahlreiche Gebäude, darunter kleinere Bahnhöfe und Haltepunkte, verschwanden in den letzten drei Jahrzehnten ebenso, wie viele ebenerdige Bahnübergänge, die aus Sicherheitsgründen durch Unterführungen ersetzt wurden. Nach Begradigungen des alten Trassenverlaufs sind jetzt Geschwindigkeiten von über 200 Kilometer pro Stunde auf der neuen Ausbaustrecke möglich.