Scheyern
Von der Instant-Trauung und "Sex Trump"

Fifa, Traumschiff und Zölibat: Chris Boettcher nimmt bei seinem Auftritt in Scheyern kein Blatt vor den Mund

23.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:30 Uhr
Chris Boettcher bot im Rahmen des Jubiläums der Benediktiner in Scheyern ein bunt gemischtes Programm - und erntete Lachsalven und Bravo-Rufe. −Foto: Steininger

Scheyern (PK) So viel Prominenz aus Politik, Sport und Kultur hat Scheyern noch nie erlebt. Die versammelte sich anlässlich des Jubiläums 900 Jahre Benediktiner im Bierzelt des Seminargartens - und zwar in Person von Comedian Chris Boettcher, der alle so treffend parodierte, dass man die Originale überhaupt nicht vermisste.

 


Es war ein wahrer Trommelwirbel, der am Samstagabend Boettchers Auftritt ankündigte - verursacht durch extreme Regenschauer, die auf das Zeltdach prasselten und besorgte Blicke des Publikums auslösten. Aber Zelt und Dach trotzten dem Unwetter, und das Publikum war von Beginn an abgelenkt durch einen Chris Boettcher, der Pater Lukas als regierenden Bürgermeister von Scheyern begrüßte und Manfred Sterz (Freie Wähler) als seinen Vize, da gab es Lachsalven gleich zu Beginn.

Nach einer musikalischen Lobeshymne auf das Kloster und seine vielfältigen Aktivitäten nahm der Comedian aktuelles Geschehen aufs Korn, von der gescheiterten Maut über das unsägliche Video des "Ösi-Politikers" Heinz-Christian Strache bis zu den aktuellen Straßensperrungen rings um Innsbruck. Dann albert Boettcher über zwei Stunden Einbahnstraße durch Ikea und imitiert dabei den Sänger Nino de Angelo, macht sich über den neuen Traumschiffkapitän Florian Silbereisen lustig, "dessen Schiff hat Schlagseite, weil die Wildecker Herzbuben an Bord sind".

Immer wieder stellt Boettcher Donald Trump in den Mittelpunkt, zur Melodie von "Sex Bomb" singt er "Sex Trump", dessen Frau sei sein "Trumpolin", im gleichen Atemzug persifliert er Viktor Orbán ("Ein Zaun, der meinen Namen trägt"), Wladimir Putin ("Macho, Macho") und den Nordkoreaner Kim Jong Un ("Ich schoss noch niemals auf New York, ich schoss noch niemals auf Hawai").

Dann tritt auch Franz Beckenbauer auf, stimmlich unverwechselbar, aber mit seinem aktualisierten Hit "Gute Freunde, die kann man kaufen ..." - ein Seitenhieb auf den DFB. Aus "Viva Colonia" von den Höhnern macht Boettcher "Fifa Korruptia", und so reiht sich Hit an Hit und Gag an Gag, ohne Lachpausen für das Publikum.

Stand-up-Comedy gab's beim Dialog mit dem Publikum. Wer von den anwesenden Männern einen One-Night-Stand schon mal bereut habe, wollte er wissen - da hob sich keine Männerhand. "Verlogenes Pack", ätzte Boettcher. "Wer von Euch wart' auf an Heiratsantrag?", ging die Frage an die Damenwelt - und prompt meldete sich eine einzelne weibliche Stimme unter großem Beifall der Zuschauer. Ob deren Begleiter sich dazu animieren ließ, blieb offen, aber eine "Instant-Trauung" mit Pater Lukas sei jederzeit möglich, so der Hinweis von Chris Boettcher.

Aber auch ungeschminkte Politsatire fand statt, als Boettcher Alexander Gauland als Chef der AfD erwähnte, deren Kürzel asozial, fremdenfeindlich und dämlich bedeute, Szenenapplaus des Publikums. Der Gauland sorge sich, dass in Thüringen der Döner die Bratwurst ersetze und Namen wie Mohammed, Yusuf und Suleika die guten alten deutschen Namen wie Kevin, Dustin und Chantal verdrängen könnten.

Keine Rücksicht auf die Padres des Klosters nahm Boettcher gesanglich mit "Nichts ist so hart wie der Zölibat", der die Priester vor der Ehe bewahren möchte, "um euch hier auf Erden schon die Hölle zu ersparen".

Dem Jargon der Jugend widmet der Comedian seine besondere Aufmerksamkeit, da werde ein Bauchnabel-Piercing zur "Abschle?

ppöse" oder eine Sitzheizung zum "Muschi-Toaster". Da ist schon Einiges unter der Gürtellinie - aber das Publikum ertappt sich dabei selbst, als es bei Reimen mitsingt, die gereimt nur vulgär enden können. Das aber überlässt Boettcher dem Auditorium, er selbst hat immer eine unverfängliche Lösung parat.

Natürlich waren auch seine Hits im Programm, mit denen er Furore gemacht hat: "10 Meter geh" als Persiflage über Models auf dem Catwalk war Oktoberfesthit des Jahres 2009; "In der Pubertät" befasst sich humorvoll mit der Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen; und "Bockfotzngsicht" handelt von Menschen mit unsympathischem Äußeren.

Der Rundfunkmoderator Chris Boettcher vereint in einer Person einen Musiker, Stimmenimitator, Kabarettisten, Satiriker und Comedian auf treffliche Weise. Und er parodiert die Prominenz stimmlich, aber auch in Mimik und Gestik treffend.

So verabschieden sich in einer Zugabe am Ende "Howie" Carpendale, Udo Lindenberg, Peter Maffei, Heino, Horst Seehofer, Edmund Stoiber, Boris Becker, Angela Merkel, Franz Beckenbauer, Herbert Grönemeyer, "Ollie" Kahn, Jogi Löw, Lothar Matthäus, Andreas Gabalier, Dieter Bohlen und Arnold Schwarzenegger in einem großen Bühnenfinale, wie man es sonst wohl nie erleben kann. Es sei denn, man geht zu einem Programm von Chris Boettcher, dem das Publikum mit tosendem Applaus und Bravo-Rufen für einen humorvollen Abend dankt.

 

Hans Steininger