Reisgang
175 Jahre Familientradition

Jubiläum bei der Schellermühle in Reisgang - Sie wird in der neunten Generation geführt

12.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:38 Uhr
Heute transportieren selbstverständlich Lastwagen das Mehl der Schellermühle. Noch bis in die 70er Jahre lieferte die Firma allerdings noch mit einem Kaltblüter-Gespann ihre Ware im Landkreis Pfaffenhofen aus. Auf dem Bild aus dem Jahr 1955 ist Georg Stelzer zu sehen, der sich mehr als 40 Jahre um die Pferde gekümmert hat. Das andere Bild zeigt die Mühle im Jahr 1965. −Foto: Straßer/Archiv Schellermühle

Reisgang (PK) Ein besonderes Jubiläum feiert in diesen Tagen die Kunstmühle in Reisgang, denn sie befindet sich seit 175 Jahren im Besitz der Familie Scheller. Sie gehört zu den fünf größten Privatmühlen in Deutschland, ein traditionelles Familienunternehmen, welches mittlerweile in der neunten Generation geführt wird.

Dass sich eine Mühle 175 Jahre im Besitz der gleichen Familie befindet, ist schon eine Besonderheit, doch die Geschichte der Mühle reicht noch viel weiter zurück. Im Jahr 1388 wird die Mühle an der Ilm erstmalig geschichtlich erwähnt, da gehört sie zum Kloster in Scheyern. Im Laufe der Jahre wechselt sie die Besitzer und schließlich erwirbt Johann Scheller im Jahr 1843 den landwirtschaftlichen Betrieb samt Mühle von der Familie Müller von der Brauerei Müllerbräu.

Anfangs ist die Mühle ein Zuerwerb zu Landwirtschaft und Sägewerk, Bauern aus der Region bringen ihr Getreide mit Pferdefuhrwerken und Ochsenkarren zur Mühle, um daraus Mehl und Kleie machen zu lassen. Im Jahr 1883 kündigt Josef Scheller im Amtsblatt des königlichen Bezirksamtes die neueste Errungenschaft, die Inbetriebnahme einer Mahlmühle, nach dem damals neuesten Stand der Technik an. Mit der Umstellung von Mühlsteinen auf Walzen darf sich die Mühle von nun an Kunstmühle nennen.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwindet die Bedeutung der Landwirtschaft und der Mühlenbetrieb wird zum eigentlichen Hauptgeschäft. Damit einher geht der stetige Ausbau der Mühlenkapazitäten. Allem Fortschritt zum Trotz liefert die Mühle ihre Produkte im Landkreis bis Anfang der 70er Jahre mit dem Pferdewagen aus, das Gespann mit den Kaltblütern gehört zum Stadtbild dazu und nimmt zum Beispiel auch an den Volksfestauszügen teil. Im Jahr 1972 lässt sich der Fortschritt nicht mehr aufhalten und die ersten firmeneigenen Lastwagen übernehmen den Warentransport.

Heute befinden sich auf dem Gelände, in den beiden hochaufragenden Gebäuden, zwei unterschiedliche Mühlen. Die 1996 errichtete Hartweizenmühle, in der verschiedene Sorten Hartweizengrieß und -mehl hergestellt werden und die Weichweizenmühle, die nach einem Brand 1998 neu errichtet wurde, in der unterschiedliche Mehlsorten gemahlen werden. Außerdem stehen hier noch das große Getreidesilo und die Halle, in der die Kleinpackungen abgefüllt werden. Für den Mühlenbetrieb werden täglich rund 500 Tonnen Getreide angeliefert, dafür sind 20 Silolastwagen notwendig. Das Getreide wird in den beiden Mühlen an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb verarbeitet. Die Körner werden in verschiedenen Schritten durch Walzen gemahlen. Dank des technischen Fortschrittes ist es heute möglich, dass jedes Getreidekorn vor dem Mahlvorgang von Kameras erfasst wird. Entspricht das Farbspektrum des einzelnen Kornes nicht dem eines gesunden Getreidekorns, wird es vollautomatisch aussortiert. Die Getreideerzeugnisse werden teilweise an Großverbraucher wie Bäckereien oder Nudelhersteller ausgeliefert. Daneben verlassen jährlich 50 Millionen Kleinpackungen das Mühlengelände. Wachsende Bedeutung hat die 2008 ins Leben gerufene eigene Mühlenmarke, die ein Sortiment an verschiedenen Mehlen und Backmischungen umfasst. Die unter diesem Namen angebotenen Mehle kommen unter dem bayrischen Biosiegel und dem Label "Geprüfte Qualität Bayern" auf den Markt. Das sichert dem Verbraucher zu, dass die Produkte, unter besonderen Prüfkriterien, in Bayern produziert werden. "Wir legen Wert darauf, dass vom Saatbeet bis zur Ernte bestimmte Regeln befolgt werden", so Geschäftsführer Josef Scheller.

Als Unternehmer, die mit einem so wichtigen Naturprodukt arbeiten, ist es der Familie Scheller zudem ein besonderes Anliegen, sich für den Erhalt, nicht nur der Kulturlandschaft, sondern auch für die Belange von Natur und Artenschutz einzusetzen. So unterstützen sie auf eigenen Flächen Projekte für Rebhühner, Feldlerchen und Kleiber oder aber die Besenderung von Störchen im Landkreis. Darüber hinaus stiftet die Familie den alljährlichen Naturschutzpreis der Stadt Pfaffenhofen, verliehen durch den LBV. "Es sollte uns gelingen, im Einklang mit der Natur eines der wichtigsten Nahrungsmittel zu produzieren und ihm die Wertschätzung zu verschaffen, die es verdient hat", so Scheller.

Dorothee Bornemann