Neuburg
"Wertvolle Erfahrung"

Austausch zweier Kulturen: Jugendliche aus Brasilien besuchen Neuburger Geriatriezentrum

14.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:24 Uhr
Nach den Vorträgen führte der frühere Chefarzt Not-Rupprecht Siegel die Gäste aus Brasilien durch die Räume der Geriatrie. −Foto: Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Drei Wochen lang sind 31 Jugendliche und ihre Betreuer in Deutschland unterwegs. Das Besondere daran: 17 von ihnen stammen aus Brasilien, aus der Synode Paraná, viele sind zum ersten Mal in Deutschland beziehungsweise Europa. Nach Berlin und Wittenberg kamen sie nun auch nach Neuburg.

Und zwar in die Geriatrie, wo der frühere Chefarzt Not-Rupprecht Siegel ihnen zunächst einen informativen Vortrag über Demografie, das Altern und die Zielsetzung der Geriatrie hielt. Der absolut gesehen größte Bevölkerungszuwachs beziehe sich auf die Altersgruppe zwischen 80 und 90 Jahren, relativ gesehen steige die Zahl der über 100-Jährigen am stärksten. "Warum Frauen eine höhere Lebenserwartung haben, wissen wir nicht", merkte er scherzhaft an, "wahrscheinlich trinken wir zu viel, sie machen alles richtig und wir nicht." Siegel betonte, Ärzte, Pfleger und Sozialer Dienst arbeiteten in der Geriatrie auf Augenhöhe. Wichtiger als die Meinung des Chefarztes könne sein, was die Pflegeschülerin beobachtet habe. Pastor Odair Braun, Leiter der brasilianischen Gruppe, übersetzte das Gesagte ins Portugiesische.

Tanja Schwab vom Sozialen Dienst der Geriatrie ging dann näher auf dessen Aufgaben und das Ziel ein, alten Menschen so lange wie möglich Eigenständigkeit, Mobilität, Lebensqualität und Teilhabe am sozialen Leben zu erhalten. Überrascht zeigten sich die Gäste von der hohen Quote von 86 Prozent der Patienten, die wieder nach Hause entlassen werden. Klaus Victor, 24-jähriger Mathematikstudent und angehender Lehrer aus der Zwei-Millionen-Stadt Curitiba, war davon "schwer beeindruckt". Vergleichbare Einrichtungen kenne er nicht aus Brasilien, erzählte er, überhaupt habe er den Eindruck, in Deutschland sei die Entwicklung weiter, was Senioren angehe. Dagegen sei das Leben in den Familien vergleichbar.

Die Gäste aus Brasilien sind bei Gastfamilien der Region 10 untergebracht. Catharina Demmer, Geschäftsführerin der Evangelischen Jugend im Dekanat Ingolstadt, hat den Besuch der Brasilianer, die sich in Paraná in ihren kirchlichen Gemeinden engagieren, organisiert. Gleiches gilt für die deutschen Teilnehmer aus der Region 10, auch sie sind in kirchlichen Gruppen unterwegs. "Es ist eine tolle, neue und sehr wertvolle Erfahrung", findet Jasmin Beyes aus Vohburg. Sie studiert Soziale Arbeit und genießt den "Austausch zweier Kulturen". Brasilien sei so weit weg, da sei der Kontakt schon etwas Besonderes. Doch trotz der Entfernung und diverser Unterschiede gebe es Verbindendes, "das war von Anfang an zu spüren".

Das Programm hat Demmer anhand der Wünsche der Gäste ausgerichtet. Berlin als Hauptstadt war gefragt und Wittenberg natürlich als Identifikationsort für Martin Luther. Auf dem Programm steht nun noch der Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager. Die Wahl fiel auf Flossenbürg. "Dorthin haben wir Evangelische wegen Dietrich Bonhoeffer natürlich einen besonderen Bezug", erklärt die Sozialpädagogin. Der Wunsch, eine Pflegeeinrichtung zu besichtigen, kam ebenfalls von den Besuchern. Die Neuburger Geriatrie lag für Demmer insofern nahe, da der frühere Chefarzt Siegel ihr Vater ist.

Inwieweit katholische und evangelische Pfarrer in die Arbeit der Geriatrie eingebunden seien, wollte ein Brasilianer wissen und berichtete, in Brasilien übernähmen sie einige der Aufgaben, die Schwab dem Sozialen Dienst zugeordnet hatte. "Bei uns gibt es Seelsorger, sie sind auch eingebunden, aber nicht in dem Maße wie bei euch", antwortete Siegel, "wir haben hier eine Aufgabenteilung". Daher spiele die Kirche keine so große Rolle wie in Brasilien.

Ein weiterer Unterschied ist Victor aufgefallen. In Deutschland sei es leichter zu studieren als bei ihm zu Hause, erzählt er. Dort sei es extrem schwer, auf eine staatliche Universität zu gelangen und die privaten kosteten viel Geld. Dass Studenten sogar noch Geld, sprich Bafög, erhalten, um studieren zu können, ließ ihn staunen. Wie auch die vielen Sprachen, "die ich in Berlin gehört habe".

Andrea Hammerl