Rennertshofen
"Wir trauen uns nicht mehr auf die Straße"

05.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:22 Uhr
Die Pfarrkirche in Rennertshofen steht derzeit mehr im Mittelpunkt, als der Pfarrei recht sein kann. Agenturen und Boulevardblätter stürzten sich auf die "Sex-Affäre" von Silvester. −Foto: Rein

Rennertshofen (r/pes/kpf) "Wir trauen uns nicht mehr auf die Straße". Dem Mesnerehepaar in Rennertshofen ist die Belastung nach Bekanntwerden der "Sex-Affäre" in der Kirche anzumerken.

Am laufenden Band rufen Medienvertreter an, und im Ort selber sind auch Vorwürfe zu hören, das mutmaßliche Schäferstündchen eines 26-jährigen Polizisten aus dem Ort mit einer 22-jährigen Frau aus Rennertshofen auf der Kirchenempore sei "hochgespielt" worden.

Die junge Frau hat laut Polizeipräsidium in einer ersten Befragung die Vorwürfe zurückgewiesen. Der 26-Jährige – der die Frau angeblich erst in der Nacht zu Silvester kennengelernt haben soll – macht keine Angaben. Die Kripo vernimmt nun Kirchgänger und die Hauptzeugin, um den Sachverhalt zu klären.
 

Vulkan ausgebrochen  

Ortspfarrer Nikolaus Maier hat sich dem Vernehmen nach am Silvestertag mit einem ihm bekannten Polizeibeamten telefonisch beraten, damit aber das Offizialdelikt Störung der Religionsausübung indirekt angezeigt. Es folgte eine kurze Vernehmung des Geistlichen und seiner Haushälterin auf der Neuburger Polizeidienststelle.

"Manche sehen uns plötzlich als Täter und nicht als Opfer", klagt die Mesnersfrau über Missstimmung in der Marktgemeinde. Die Meinungsfront ist zweigeteilt, seit der "Vulkan ausgebrochen ist", wie ein Kunde im Kaufhaus Neubauer – direkt gegenüber der Kirche gelegen – das gewaltige Medienecho im In- und Ausland auf die "Sexspiele während des Rosenkranzgebetes" beschreibt.

Weltweit wird das Schäferstündchen, das sich am Morgen des Silvestertages in geweihten Räumen zugetragen haben soll, inzwischen vielsprachig in Internetforen kommentiert. Und auch hier gehen die Meinungen auseinander: "Wir sind gestern aus der Kirche ausgetreten", heißt es einmal. Andere wiederum finden, dass die Liebesspiele auf der Empore der Pfarrkirche St. Johannes Baptist "eindeutig zu weit gehen". Und wieder andere amüsieren sich verbal ausgelassen über die Sex-Affäre aus dem Oberbayerischen, die inzwischen um die ganze Welt geht. Aber auch die Schwierigkeiten des Polizeibeamten werden durchaus thematisiert. Die Suspendierung vom Dienst gehe einen Schritt zu weit, fanden drei Kollegen des 26-Jährigen. Überhaupt, die Polizei einzuschalten, so die Ehefrau eines Kommunalpolitikers, hätte nicht gleich sein müssen. Den Betroffenen ordentlich den Kopf zu waschen, hätte durchaus genügt, vielleicht mit der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit verbunden.

Pfarrer Nikolaus Maier, der im Jahresschlussgottesdienst am Abend des Silvestertages den heiklen Vorfall aus den Morgenstunden konkret geschildert, von "halb Bekleideten" gesprochen und den Verfall von Anstand und Moral beklagt haben soll – so berichtet ein Besucher des Gottesdienstes – indes war bislang für eine Stellungnahme nicht mehr erreichbar. "Es muss einem Geistlichen erlaubt sein, dass er so etwas zur Sprache bringt", findet ein Gläubiger aus dem Markt Rennertshofen. Ihm sei auch zu Ohren gekommen, dass man dem auf der Empore offenbar inflagranti ertappten Pärchen die Gelegenheit gegeben habe, binnen einiger Stunden nach dem Geschehen Reue zu zeigen und sich zu entschuldigen. Das aber sei wohl nicht erfolgt, so der Gottesdienstbesucher weiter. Er spricht von "Erschrockenheit und Bestürzung", mit denen die Gemeinde auf die Nachricht vom Geschlechtsverkehr in der Kirche reagiert habe.

Schade und traurig  

Auch in Augsburg, zu dessen Diözese Rennertshofen gehört, weiß man von diesem Jahresausklang der besonderen Art. Ins Detail wollte Sprecherin Kathi Marie Ulrich von der bischöflichen Pressestelle allerdings nicht gehen. Ulrich sprach lediglich von einem Ermittlungsverfahren wegen einer möglichen Störung der Religionsausübung. Besonders betonte die Sprecherin, dass Pfarrer Nikolaus Maier keine Anzeige erstattet habe. Formell Anzeige zu erstatten ist auch nicht notwendig, nachdem es sich bei der Störung der Religionsausübung um ein Offizialdelikt handelt, das die Behörden von sich aus verfolgen müssen, sobald sie Kenntnis davon erhalten.

"Es ist schade und traurig", meint Bürgermeister Ernst Gebert zum jüngsten Vorfall, der Rennertshofen auf der Schlagzeilenskala ganz weit nach oben katapultiert hat. "Sexuelle Handlungen in einer Kirche – das ist wirklich unmöglich", sagt der Gemeindechef. Seit Bekanntwerden der Affäre habe er noch nicht mit Pfarrer Maier gesprochen, so Gebert gestern Nachmittag. Auch er zeigte sich vom fulminanten Medieninteresse überrascht. "Das hätte man hier nicht für unbedingt notwendig gehalten."