Neuburg
Mutter bricht ihrem Baby sechs Knochen

34-Jährige aus dem südlichen Landkreis misshandelt fünf Monate alte Tochter Zwei Jahre Gefängnis

11.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:49 Uhr

Verurteilt: Nach Überzeugung des Gerichts hat die 34-Jährige ihre kleine Tochter massiv misshandelt. Rechtsanwalt Marc Wederhake hatte Freispruch gefordert. - Foto: Belzer

Neuburg (DK) Zwei Jahre Gefängnis lautet das Urteil für eine 34-Jährige aus dem südlichen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, die ihre fünf Monate alte Tochter derart misshandelt hat, dass dem Kind sechs Knochen an Beinen und Armen brachen.

Rohe Gewaltanwendung - anders konnten sich weder der Kinderchirurg, noch die Sachverständige der Rechtsmedizin und auch nicht das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Celina Nappenbach die massiven Verletzungen der kleinen Anna (Name geändert) erklären. Die Mutter selbst hatte das Kind im November 2014 zu ihrer Hausärztin gebracht, weil Anna, die im Mai desselben Jahres auf die Welt gekommen war, nicht mehr trank. "Das Kind hing stöhnend an der Mutter und hatte blaue Flecken", erinnerte sich die Ärztin im Zeugenstand. "Bei jeder Lageveränderung hat es gejammert." Weil das Baby sich in einem derart schlechten Zustand befand und außerdem eine Schwellung am Oberschenkel hatte, wurde es ins Klinikum nach Augsburg gebracht.

Dort stellten die Ärzte die Schockdiagnose: Sechs gebrochene Knochen an beiden Ober- und Unterschenkeln, außerdem an einem Unterarm. Als "ganz klare misshandlungstypische Frakturen" bezeichnete der Kinderchirurg die Brüche des kleinen Kindes. "Da schrillen bei uns sofort alle Alarmglocken. Brüche, die aus einem Unfall resultieren, sehen ganz anders aus." Diese Art der Verletzung entstünde vielmehr, wenn man an Gliedmaßen massiv reiße oder zerre, sie überstrecke oder zu sehr biege. Der Knochen bräche nicht in der Mitte, sondern an den Enden, dort, wo er in die Gelenke mündet. Durch Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen konnten die Ärzte ebenfalls diagnostizieren, dass die anderen Frakturen bereits älter waren. Sie waren dem Säugling zu drei verschiedenen Tatzeiten angetan worden.

Die 34-jährige gelernte Einzelhandelskauffrau verweigerte vor Gericht die Aussage, ihr Anwalt Marc Wederhake jedoch präsentierte den sechs Jahre alten Bruder des Babys als möglichen Täter - ähnlich hatte sich die Mutter zuvor auch schon gegenüber der Allgemeinärztin und dem Kinderchirurgen aus Augsburg geäußert. Der Bub sei damals sehr verhaltensauffällig gewesen, habe die Trennung der Eltern nicht gut verkraftet, habe von der Grund- in die Förderschule wechseln müssen und wieder angefangen, sich in die Hose zu machen.

Dass er es jedoch gewesen sein soll, der seiner Schwester die Brüche zugefügt hat, das schlossen sowohl Kinderarzt als auch Rechtsmedizinerin aus. "Man weiß aus der Fachliteratur, dass es meistens nicht der Wahrheit entspricht, wenn Geschwisterkinder als Täter ins Spiel gebracht werden", erläuterte der Arzt. Die Rechtsmedizinerin wurde noch deutlicher: "Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Bruder oder eine Schwester einem Säugling derartige Verletzungen angetan haben. Kinder verletzen sich anders, schlagen sich, beißen oder schubsen." Wenn aber die Knochen regelrecht aus der Verankerung gerissen werden, so dass sie brechen, dann könnten das nur Erwachsene gewesen sein. "Das schaffen Kinder nicht, und es wäre auch völlig untypisch."

Was außerdem gegen die Mutter sprach: Nach Aussage ihres mittlerweile geschiedenen Ehemannes sei sie gegen den sechsjährigen Sohn ebenfalls gewalttätig gewesen, habe ihn "hin und wieder mal" geschlagen - und zwar offenbar so massiv, dass der Kleine nach der Trennung nicht mehr bei seiner Mutter leben wollte. "Er hatte regelrecht Angst vor ihr", berichtete der Vater. Er selbst habe auch nie beobachtet, dass sein Sohn Anna geschlagen hätte. Das bestätigte auch der damalige Freund der Angeklagten. "Beide waren liebe Kinder, mir ist nichts aufgefallen." Allerdings auch nicht, dass die 34-Jährige aggressiv gegenüber den Kindern wurde.

Nachdem der Vorwurf, der Bruder habe die Knochen des kleinen Mädchens gebrochen, vom Tisch war, verwies Rechtsanwalt Wederhake auf den Vater als möglichen Täter - doch auch diese Variante war an den Haaren herbeigezogen. Im möglichen Tatzeitraum hatte der nämlich keinen Kontakt zu seiner Tochter.

Staatsanwalt Michael Hauber sah die Anklage voll und ganz bestätigt und forderte eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten für die 34-Jährige. Verteidiger Wederhake plädierte auf Freispruch für seine Mandantin. "Wir können nicht ausschließen, dass die Verletzungen von anderen Personen zugefügt wurden", argumentierte er. Dann ergriff die Angeklagte das Wort, die den ganzen Prozess über geschwiegen hatte. "Ich würde meinen Kindern niemals die Knochen brechen", sagte sie unter Tränen. Richterin Nappenbach und die Schöffen jedoch sahen ihre Schuld als erwiesen an und verurteilten sie zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. "Als Täterin kommt nur die Mutter in Frage. Es war eine völlig inadäquate Behandlung eines Säuglings, das Schutzloseste, das die Gattung Mensch zu bieten hat."