Neuburg
"Ich hab’ echt grad voll das Blackout"

Nach Tritten in den Unterleib braucht ein 16-Jähriger eine Hoden-Operation – Gericht verhängt Freizeitarreste gegen seine Peiniger

27.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:47 Uhr

Neuburg (szs) Eine spontane Sommerparty im Juni dieses Jahres an der Brandlwiese in Neuburg begann für ein paar Jugendliche mit viel Alkohol, ging mit noch mehr Alkohol weiter und endete mit einem Streit. Ein 16-Jähriger bekam einen Faustschlag gegen den Kopf – und wenig später auch noch zwei Knietritte zwischen die Beine.

Gestern standen seine Peiniger Miriam G. und Dennis K. (Namen geändert), eine 18-jährige Neuburgerin und ein 18-Jähriger aus dem Donaumoos, vor dem Jugendschöffengericht. Richter Gerhard Ebner sprach beide der Körperverletzung schuldig und verhängte Freizeitarreste. Dennis K. muss zudem eine Geldauflage von 1200 Euro zahlen.

Bemerkenswert waren bei der Verhandlung im Amtsgericht die plötzlichen Erinnerungslücken des Opfers im Zeugenstand. Seine Aussagen sorgten für ungläubige Blicke bei Staatsanwalt und Richter – immerhin ging es um nicht weniger, als die Gesundheit seiner Genitalien: „Irgendjemand hat mir anscheinend zwischen die Beine getreten, aber wer, weiß ich nicht mehr“, erklärte der Neuburger. Die Tritte waren so hart, dass sich der 16-Jährige nach der Attacke einer Hoden-Operation unterziehen musste. In den Stunden nach der Tat gab er bei der Polizei noch eine detaillierte Beschreibung, wie alles geschehen war: Er sei beim Umarmen mit der Hand am Nasenpiercing der kleinen Schwester von Miriam G. hängengeblieben. Das führte offenbar zu Verwirrungen. Daraufhin habe ihm Dennis K. mit der Faust ins Gesicht geschlagen, Miriam G. mit dem Knie zweimal fest in den Unterleib getreten. Doch vor Gericht: Keine Erinnerungen. Auch die anderen Zeugen, eine 15-Jährige und die gepiercte Schwester der Angeklagten, wollten vor Gericht plötzlich alles vergessen haben und wanden sich unbeholfen. Alle Nachfragen von Staatsanwalt Jürgen Staudt halfen nichts. Die Aussagen gipfelten in dem Satz der 15-Jährigen: „Ich hab’ echt grad voll das Blackout“. Miriam G. verweigerte die Aussage und Dennis K. verwies auf einen Alkoholtest, der in der Tatnacht knapp zwei Promille angezeigt habe.

Die ohnehin zähe Verhandlung drohte in eine zweite Runde zu gehen. Erst nachdem Richter Ebner eine Verhandlungspause einlegte und sich mit Verteidigern und Ankläger besprach, legten beide Angeklagte über ihre Anwälte umfassende Geständnisse ab.

In die Urteile des Schöffengerichts flossen auch die Lebensläufe ein. Miriam G. ist mit 18 Jahren bereits mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft, hat die Förderschule ohne Abschluss verlassen, lebt momentan von Hartz 4, ist schwanger und wohnt mit ihrem Freund zusammen. Sie muss einen Freizeitarrest absitzen. Dennis K. ist ebenfalls mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft, etwa weil er seine Freundin geschlagen hat, hat die Förderschule auch nicht abgeschlossen und arbeitet momentan als Zeitarbeiter. Er muss zwei Freizeitarreste verbüßen und eine Geldauflage zahlen. Richter Ebner gab Beiden eine Mahnung mit auf den Weg: „Ihr seid auf dünnem Eis. Und das Eis schmilzt immer weiter“, versuchte er es mit einem Bild. „Wenn es bricht, müsst ihr schwimmen. Könnt ihr schwimmen“ Beide Angeklagten antworteten: „Ja!“.