Neuburg/Schrobenhausen
Die Renaissance der Beweidung

Im Donaumoos gibt es mittlerweile wieder einige Fläche mit Rindern - Nutzen für den Klimaschutz

12.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:12 Uhr
Ulrich M. Sorg
Beweidung im Baierner Flecken: Neben den hellen Murnau-Werdenfelser Rindern weiden auf den Flächen mittlerweile auch regelmäßig Wasserbüffel. −Foto: Sorg

Neuburg/Schrobenhausen - In einigen Randbereichen im Donaumoos wird noch oder wieder beweidet. Bei Pöttmes, Sandizell, Rohrenfels, Schainbach oder Niederarnbach gibt es diese moortypischen Landschaften. Seit einigen Jahren erlebt die Beweidung mit robusten Weidetieren oder Fleischrinderrassen eine gewisse Wiedergeburt.

Gut 20 Jahre seit dem Erlass des behördenverbindlichen Entwicklungskonzepts für das Donaumoos steht dieses an der Schwelle einer Neuorientierung. Dies hat der Kreistag von Neuburg-Schrobenhausen im Juni einstimmig beschlossen. Noch deutlicher wird dieser Aufbruch für Veränderungen in der Landwirtschaft durch das Angebot der Staatsregierung vom Mai geprägt. 200 Millionen Euro liegen für den Klimaschutz durch Moorbodenschutz für die kommenden zehn Jahre auf dem Tisch. Damit sollen auf 2000 Hektar Treibhausgase deutlich gesenkt werden. Damit ist nicht nur ein Flächenankauf für großflächige Wiedervernässungen möglich. Es sind auch moorbodenschonende Nutzungen mit den Landwirten zu finden, die die enormen Mengen an Treibhausgasen verringern sollen.

Weil die Beweidung der Mooswiesen schon seit Jahrzehnten rückläufig ist, stellten viele Betriebe auf den einfacheren und ertragreicheren Ackerbau um. Dieser fordert jedoch eine intensivere Entwässerung als die Grünlandnutzung. Jetzt ist es aber das Gebot der Stunde, so ist es aus verschiedenen staatlichen Stellen zu vernehmen, mögliche Formen einer extensiven und klimafreundlicheren Landnutzung zu finden und zu etablieren, damit tatsächlich die Klima- oder Treibhausgase rasch reduziert werden können. Aus dem Donaumoos treten jährlich immerhin etwa 400000 Tonnen aus.

Bei Pobenhausen, wo die Beweidung eine lange Tradition hat, gibt es seit fast drei Jahrzehnten ganzjährige Moosbeweidung, die mit zusammenhängenden Weideflächen bei der jüngsten Flurneuordnung besonders berücksichtigt wurde. Seit 2003 gibt es die erfolgreiche und europaweit anerkannte Wisentherde am Haus im Moos, die ganzjährig 25 Hektar Moorböden beweiden.

Der damalige Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann hat 1987, kurz vor seinem Tod, für das ehemalige Moorversuchsgut in Karlshuld die Wegweiser zur Weidenutzung gestellt. Seitdem grasen Murnau-Werdenfelser Rinder als Mutterkuhherde auf den heute privatwirtschaftlichen Flächen.

Eine großteils extensive Nutzung ist in den Wasserrückhalteräumen des Donaumoos-Zweckverbandes eingerichtet worden. Im ehemaligen "Langen Weiher", den Baierner Flecken, weiden mit den Murnau-Werdenfelsern neuerdings zusätzlich Wasserbüffel, bei Sandizell gibt es zwei Heckrinder-Herden, ergänzt mit halbwilden Pferden, teils auch mit Zufütterung im Winter. Bald nach Fertigstellung des 16 Hektar großen ersten Hochwasserschutzbeckens bei Pöttmes am Seeanger waren es dort lange Jahre Moorschnucken; heute stehen dort Robustrinder. Die Moorbeweidung erfährt in extensiven Form eine Renaissance, braucht aber langfristig angelegte Förderungen.

Dass die naturnahe Beweidung einen hohen Beitrag für den Artenschutz mit sich bringt, zeigte eine Kartierung von Norbert Model, der wenige Jahre nach Beginn am Baierner Flecken 95 verschiedene Vogelarten erfasste. Ähnliches lässt sich vom Seeanger belegen. In extensiv beweideten Feuchtwiesen profitieren Wiesenbrüter besonders, da weniger Feldmäuse weniger Füchse anziehen und der Kot der Weidetiere die Insekten- und Nahrungsvielfalt erhöht. Natürlich muss diese extensive Form angemessen und langfristig honoriert werden. "Wenn wir Bauern da mitmachen sollen, müsste sich die künftige Förderung, an den Angeboten der Photovoltaik-Investoren orientieren, die gerade ins Donaumoos drängen", sagt etwa ein Landwirt aus Langenmosen.

Behörden sehen massiven Nutzen

Die geringsten Emissionen mit landwirtschaftlicher Nutzung sind bei einer extensiven Beweidung im Donaumoos wohl mit Wiederkäuerarten zu erwarten, die stark an nasse Standorte angepasst sind. Das teilt Christian Wild, der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt-Pfaffenhofen, das auch für Neuburg-Schrobenhausen zuständig ist, auf Anfrage mit. Beim Anbau von Rohrkolben oder Großseggen sind seinen Worten zufolge noch weniger Emissionen zu erwarten als bei einer extensiven Grünlandnutzung mit robusten Rinderrassen, denn bei den Sumpfkulturen kann der Wasserstand bis etwa 20 Zentimeter unter Flur anstehen. Landwirtschaft, Biodiversität und Attraktivität der Landschaft leben von der Vielfalt, so Wild.

Aus seiner Sicht geht es jetzt darum, den bestmöglichen Kompromiss aus Klimaschutz und Nutzung zu identifizieren und entsprechend produktionstechnisch interessierten Landwirten zu bieten. Natürlich lasse sich nicht abwarten, bis alle offenen Fragen im Detail bearbeitet sind, so der Amtsleiter, denn der Erkenntnisgewinn gehe weiter und werde permanent in die praxisorientierte Beratungstätigkeit einfließen.

Der Leiter des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt, Martin Mayer, dem auch der "vorsorgende" Bodenschutz obliegt, stimmt einer extensiven Grünlandnutzung unumwunden zu und meint, dass Wasserstände ganzjährig von 30 Zentimeter unter Flur oder höher eine spürbare Klimaschutzwirkung entfalten würden. Bei Wasserständen von mehr als 50 Zentimeter unter Gelände bleiben die Treibhausgasemissionen hoch. Aus diesem Grund ist auch aus Sicht der Wasserwirtschaft die aktuell einzige Alternative zur intensiven Landnutzung die extensive Grünlandwirtschaft. Nur hier, so Mayer weiter, könne mit diesen hohen Grundwasserständen gearbeitet werden. Zudem bietet die extensive Grünlandwirtschaft aus planerischer und wasserwirtschaftlicher Sicht den Vorteil, ohne großes wirtschaftliches und rechtliches Risiko auch Überieselungs- und Überstaumaßnahmen zur Wasserstandsanhebung einzusetzen.

Diese Maßnahmen scheinen - wie auch die Ergebnisse der unlängst vorgestellten Modellrechnungen zeigen - unerlässlich, um den Grundwasserstand auf die erforderliche Mindesthöhe von 20 bis 35 Zentimeter unter Flur anheben zu können. Ein gesteuerter Grabenstau alleine wird hingegen aufgrund der Bodendegradation nicht ausreichen, um das Wasser gleichmäßig auf dieses Niveau zu bekommen. Außerdem lässt sich die extensive Nutzung, wie das Projekt Baierner Flecken zeigt, auch einfach mit Hochwasserrückhalt in der Fläche kombinieren. Die Vorteile der extensiven Beweidung mit ihrer Klimaschutzwirkung würden Mayer zufolge ansonsten nur noch der Anbau von Sumpf- oder Paludikulturen oder die vollständige Renaturierung mit Nutzungsaufgabe bieten.

DK

Ulrich Sorg