Neuburg
Charmante Inszenierung

Starke Stücke: Oper "Carmen" mit Flamenco-Gitarre und Zigeunerorchester im Neuburger Stadttheater

18.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:41 Uhr
Stimmenpower und Temperament: Das Zigeunerorchester überzeugte rundum. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Carmen mal anders: Eine charmante Inszenierung der bekannten Bizet-Oper hat die Opernwerkstatt am Rhein nach Neuburg gebracht. Hautnah ist das Publikum am Geschehen, erlebt die Sänger quasi zum Anfassen, wenn sie das Parkett mitbespielen oder der Torero ungeniert mit den Damen flirtet.

Das Faszinierendste aber ist die für "Kiss me, Carmen" neu arrangierte Musik, die mit einem achtköpfigen Zigeunerorchester samt Flamenco-Gitarre auskommt - und zwar bestens. Die Zigeuner Franco (Constantin Herzog, Bass), Javier (Dirk Beiersdörfer, Gitarre), Maria (Palli Sadiq, Cajon), Esmeralda (Laura Galindez, Geige), Ella (Marija Kandic, Akkordeon), Alba (Douglas Metcalf, Klarinette) und Laia (Jennifer Seubel, Querflöte) werden vom musikalischen Leiter Martin Genahl als Lillas Pastià (Bass) angeführt und befinden sich immer mittendrin im Geschehen. Weshalb sie weniger als Orchester denn als Nebendarsteller und Chor wahrgenommen werden.

Mitreißend sind die Flamencoeinlagen von Manuelita (Carla Beiersdörfer), die genügend Temperament für zwei zu haben scheint. Das lässt Hauptdarstellerin Carrie Dimaculangan allerdings etwas vermissen. Wenn der Funke vor der Pause nicht so recht überspringen will, dann dürfte es der allzu braven Interpretation der großen Arien geschuldet sein - nicht einmal die "Habanera" fetzt so richtig. Dimaculangans Carmen ist weniger heißblütig als lasziv, so dass es erst mal etwas schwerfällt, dem Sinneswandel des zunächst überhaupt nicht an den Zigeunerinnen interessierten Don José (ausgezeichnet: Olivier Trommenschlager) zu folgen. Schien der doch mit seiner Micaela (stimmlich wie mimisch überzeugend: Kerstin Pohle) rundum glücklich.

Trommenschlagers kraftvoller, klangschöner Tenor überzeugt, auch wenn er einmal in der Höhe an seine Grenzen gehen muss. Bass Peter Schoenacker gefällt als Leutnant Zuniga, Bariton Mauricio Virgens trägt als von sich selbst überzeugter Schwerenöter etwas zu dick auf, ist der Rolle des Toreros Escamillo stimmlich aber gewachsen. Glanzlichter setzen die Chorszenen, die die Inszenierung aus der kammermusikalischen Ecke herausholen. Aus dem Chor ragen Ines Vinkelau als Frasquita und Manon Blanc-Delsalle als Mercedes heraus, die beide mehr Stimmenpower und Temperament als die Hauptdarstellerin mitzubringen scheinen.

Frappierend simpel das Bühnenbild, das aus Seilen und Kisten besteht, die bei Bedarf zum Wirtshaustisch umgebaut werden. Ebenso einfach, aber völlig ausreichend die Fahnen mit Konterfei Escamillos, die im letzten Akt die Stierkampfarena symbolisieren. Ein kleines Manko der Aufführung ist die fehlende Textsicherheit des international besetzten Ensembles. Immer wieder verhaspeln sich die jungen Künstler, gewinnen aber im zweiten Teil an Sicherheit - oder das Publikum hat sich daran gewöhnt. Der Handlung lässt sich dank der deutsch gesprochenen Dialoge leicht folgen, gesungen wird im Original auf Französisch. Irgendwann funkt es dann doch noch zwischen Publikum und Akteuren, die am Ende kräftigen Applaus und zahlreiche Bravorufe für die schnörkellose, lebendig-bunte Interpretation des wohl größten Eifersuchtsdramas der Operngeschichte erhalten.

Andrea Hammerl