Neuburg
Abgründe einer Ehe

Starke Stücke: "Wer hat Angst vor Virgina Wolf?" im Neuburger Stadtheater

12.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:03 Uhr
Zerfleischen sich gegenseitig: George (Felix von Manteuffel) und Martha (Leslie Malton). −Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Abgründe einer Ehe entfalten sich in "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" über mitunter quälende zwei Stunden auf der Bühne des Neuburger Stadttheaters.

Alkohol fließt in Strömen, die Attacken werden immer heftiger, wer Opfer, wer Täter ist, lässt sich kaum entscheiden, die Sympathien wechseln.

Hilflos wie die nächtlichen Gäste auf der Bühne, Honey (Judith Hoersch) und Nick (Urs Stämpfli), erleben die Zuschauer, wie sich George (Felix von Manteuffel) und Martha (Leslie Malton) gegenseitig zerfleischen, vor den Gästen demütigen und ihre Ehehölle regelrecht zelebrieren. Wobei mitunter nicht klar ist, wie viel davon echtes Leid, wie viel Spiel ist. Klar wird auf jeden Fall, dass beide in ihrer Hassliebe einander bedingen, nicht miteinander, aber offensichtlich auch nicht ohne einander können.

Sozusagen als Kollateralschaden wird das zunächst peinlich berührte junge Pärchen einbezogen, wechselt von der Statisten- in die Opfer- oder gar Mittäterrolle. Auch die beiden haben Leichen im Keller. Sie bildete sich eine Schwangerschaft ein, weshalb er sie geheiratet hat - ganz nebenbei natürlich auch wegen ihres Geldes. Honey bekommt am wenigsten mit. Sie trinkt und landet sich übergebend auf dem Badezimmerboden, um nur noch einmal aus ihrem Kokon zu erwachen - als ihr bewusst wird, dass Nick ihr Geheimnis verraten hat. Fortan beschränkt sie sich darauf, Etiketten von Flaschen zu puhlen. "Wir alle puhlen Etiketten ab und wenn wir durch die Haut durch und am Knochen angelangt sind, sind wir immer noch nicht am Ziel", stellt George, der Historikprofessor mit philosophischen Anwandlungen, fest. Tatsächlich, die Verletzungen müssen bis tief ins Knochenmark gehen, bis Marthas Lebenslüge von George zerstört wird. Die Trauer über ihre Kinderlosigkeit hat sie mit einem fiktiven 21-jährigen Sohn überdeckt, den George mit einem ebenso erfundenen Unfall "tötet".

Selten ist das Publikum im Neuburger Stadttheater so gespalten. Die einen gehen in der Pause, die anderen jubeln den exzellenten Schauspielern Bravorufe zu. Allen voran Energiebündel Leslie Malton, die mit der Rolle der exaltierten, zerrissenen Martha verschmilzt, aber auch Manteuffel, der Georges verschiedene Facetten glaubhaft darstellt.

Überraschend aufwendig für ein Drama der Moderne (Autor Edward Albee) ist das Bühnenbild mit Bar und eingerichtetem Wohnzimmer, brillant die Schauspieler. Dennoch wäre weniger mehr. Besonders der erste Teil weist Längen auf, und der Theaterbesucher stellt sich zunehmend die Frage, wie lange ihn die Regisseure Claudia Prietzel und Peter Henning diese Hölle noch miterleiden lassen wollen, wann sich denn nun endlich ein Ausweg bietet.

Der zweite Teil nimmt an Fahrt auf, wirkt insgesamt dichter und der kaum noch erwartete, dennoch für die Theaterseele so ersehnte Lichtblick stellt sich tatsächlich noch ein - und das für beide Paare.