„Vorweihnacht der guten Herzen“
Frauenhaus Schwabach leistet wertvolle Hilfe bei häuslicher Gewalt – Eine Betroffene erzählt

20.12.2023 | Stand 20.12.2023, 19:10 Uhr

Im Frauenhaus finden Frauen und Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, Zuflucht, Schutz und Hilfe. Foto: dpa

Mit der Spendenaktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ helfen der Donaukurier und seine Heimatzeitungen vielen Menschen in der Region. Unter den Geförderten ist auch in diesem Jahr das von einem Verein getragene Frauenhaus Schwabach.



Zwar gibt es öffentliche Fördergelder für die Einrichtung, sie ist aber dennoch dringend auf Spenden angewiesen, um den Betroffenen helfen zu können. Der Verein Hilfe für Frauen in Not Roth-Schwabach bietet Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind, eine sichere, vorübergehende Unterkunft, berät und unterstützt sie auf dem Weg in ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben.

Eine Frau, deren Leben ohne diesen Zufluchtsort wohl anders aussähe, ist Anja B. (Name von der Redaktion geändert). „Heute fühle ich mich wieder wohl“, sagt die knapp 40-Jährige in einem Gespräch. Sie geht als Kinderpflegerin in einer Förderschule einer regelmäßigen Arbeit nach, kümmert sich liebevoll um ihren achtjährigen Sohn. Das war nicht immer so, sie hat eine extrem schlimme Phase in ihrem Leben hinter sich. „Im September 2015 bin ich ins Frauenhaus geflüchtet“, erzählt sie.

Dieser „Flucht“, wie sie es nennt, ging eine lange Leidenszeit voraus. Heute kann sie offen darüber reden, nachdem sie eine längere psychotherapeutische Behandlung und etliche Besuche im Traumahilfezentrum in Nürnberg hinter sich hat. Zwar wacht sie nachts manchmal noch schweißgebadet auf, „aber ich kann meine Gefühle besser kontrollieren“, erzählt Anja B.

„Er hatte irgendwie Macht über mich“

Als sie ihren Peiniger – von dem sie natürlich nicht wusste, dass er sich als solcher entpuppen sollte – kennenlernte, war sie psychisch alles andere als stabil. „Ich hatte privat eine echt schwierige Zeit“, erinnert sich Anja B. Da trat „er“ in ihr Leben: „Er war charmant, hat Sicherheit ausgestrahlt.“ In diesem Licht erschien er damals. Heute weiß sie: „Er war manipulativ, hat genau gewusst, welche Knöpfe er bei mir drücken muss“. Allzu schnell zog er bei ihr ein, sie ließ ihn sogar den Mietvertrag für ihre Wohnung übernehmen, was sich später als fataler Fehler herausstellen sollte. Und dann wurde Anja B. schwanger.

„Ich habe mich total darüber gefreut“, erzählt sie. Doch mit der Schwangerschaft begannen die Nachstellungen des „Täters“, wie sie den Mann heute nennt, dem sie einst vertraute. Er unterstellte ihr, dass das Kind gar nicht von ihm sei. Er fing an, sie zu kontrollieren. Bemächtigte sich ihres Facebook-Kontos, und behauptete, sie habe ein Verhältnis mit früheren Schulkameraden. „Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht.“ Die Schwangerschaft machte Anja B. emotional nur noch verletzlicher, schließlich gab es jetzt ein ungeborenes Kind in ihrem Bauch.

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Die Phasen, in denen ihr Peiniger sich kümmerte und half, die Wohnung zu streichen und für das Kind herzurichten, und jene, in denen er sie terrorisierte, wechselten sich ab. „Ich sehe mich eigentlich als einen selbstbewussten Menschen, aber er hatte irgendwie Macht über mich“, erzählt Anja B.

Es dauerte nicht lange und die Situation eskalierte vollends. Eines Abends habe er sie körperlich angegangen, versucht, ihren Kopf auf die Marmorplatte des Wohnzimmertischs zu knallen. Reflexhaft habe sie sich noch wehren können. Dennoch blieb sie bei ihm: „Aus Schock und vor Angst“, erinnert sie sich. Sie habe sich auch sehr allein gefühlt: „Ich war allein und wurde von ihm isoliert.“

„Wer einmal schlägt, der tut es immer wieder“

Am nächsten Tag sei dann die große Entschuldigung gekommen. „Meine Hoffnung war, dass er sich ändert.“ Heute weiß sie es besser: „Wer einmal zuschlägt, wird es wieder machen.“ Es kam sogar noch viel schlimmer: Seine Ausbrüche steigerten sich, „nachts hat er mich sogar vergewaltigt. Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann.“ Scham und Angst hätten sie davon abgehalten, Hilfe zu suchen.

Sie schaffte es erst, aus der Wohnung zu flüchten und die Polizei zu rufen, als er eines nachts mit einem Küchenmesser herumfuchtelte und damit drohte, sie und das Kind „abzustechen“. Die Polizei allerdings habe ihr in der akuten Situation gar nicht helfen können. „Es stand Aussage gegen Aussage. Ich solle beim Amtsgericht ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirken.“

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Lange habe sie wie „fremdgesteuert in einer Blase gelebt“, erinnert sie sich. Ein Verhalten, das sich psychologisch erklären lasse, erläutert Yvonne Hohnhausen, eine der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen im Schwabacher Frauenhaus. „Im Traumazustand wird das abgespalten, sonst erträgt man es nicht.“

Heute kann Anja B. darüber reden. Sie will auch anderen Mut machen, diesen Weg zu gehen. „Denn es kann jeden treffen, man soll sich nicht dafür schämen.“ Die Frauenhaus-Mitarbeiterin Yvonne Hohnhausen weiß aus Erfahrung, dass „eine Menge Mut dazu gehört, ins Frauenhaus zu gehen und alles hinter sich zu lassen. Das ist eine Leistung, die man sich nicht vorstellen kann.“

Denn Gewalt in Beziehungen – auch psychische – komme meist nicht von heute auf morgen, es sei vielmehr ein schleichender Prozess, der im Durchschnitt bis zu sieben Jahre dauere, bis es absolut eskaliere. „Häusliche Gewalt hat viele Formen. Sie findet zu jeder Zeit, an jedem Ort und in allen gesellschaftlichen Schichten statt. Gewalt ist kein Einzelschicksal“, wissen die Frauenhaus-Expertinnen. Das Frauenhaus Schwabach bietet zwölf Frauen mit ihren Kindern Schutz. Meist finden zwischen 10 und 20 Kinder aller Altersgruppen mit ihren Müttern dort ein Zuhause auf Zeit. So ist das Frauenhaus auch ein guter und sicherer Ort für die Kinder. Die Aufenthaltsdauer im Frauenhaus variiert zwischen wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. 2022 wohnten 63 Frauen und 76 Kinder im Frauenhaus, mit 3577 Belegungstagen von Frauen und 4933 von Kindern.

Bundesweit lag im vergangenen Jahr die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt bei 240547 Opfern und ist damit im Vergleich zu 2021 um 8,5 Prozent gestiegen, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Lagebericht vorstellte. „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern ein gravierendes Problem in allen gesellschaftlichen Gruppen“, so Faeser.

Deshalb lautet Hohnhausens Rat an Außenstehende, die ein mulmiges Gefühl haben, aber sich nichts zu sagen trauen: „Bitte nicht wegschauen und den Betroffenen das Angebot machen, zuzuhören. Oder auf Angebote wie Beratungsstellen und das Frauenhaus verweisen.“ Dieses stehe Tag und Nacht offen, zudem könne man sich telefonisch oder auch Online über die Homepage www.frauenhaus-schwabach.de beraten lassen. Dort findet man auch Checklisten, was man alles mitbringen sollte: unter anderem Ausweise/Pässe, das Krankenversichertenkärtchen, Sparbücher, Zeugnisse und andere wichtige Unterlagen.

Frauenhaus Schwabach auf Spenden angewiesen

Manche Frauen allerdings würden ihr Zuhause so überstürzt verlassen, dass sie nicht einmal die wichtigsten Kleidungsstücke mitbrächten und nur in Badeschlappen vor der Türe stünden. „Dafür haben wir dann unsere Kleiderkammer“, sagt Hohnhausen, „außerdem gibt es dann einen Notproviant sowie Hygieneartikel von uns.“ Um das vorzuhalten, seien ebenfalls Spenden nötig.

Auch beim Weg zurück in ein eigenes Leben greift das Frauenhaus den Betroffenen materiell unter die Arme. „Oft haben sie ja gar kein Geld oder kein eigenes Konto“, erzählt Hohnhausen. „Deshalb strecken wir manchmal übergangsweise eine Mietkaution vor und leihen Matratzen oder Kochplatten für den Übergang aus.“ Auch das sei nur mit Hilfe von Spenden möglich.

Anja B .jedenfalls ist heilfroh, dass es Frauenhäuser gibt. „Nie werde ich den Moment vergessen, in dem ich es betreten habe“, erinnert sie sich. „Ich dachte mir: Jetzt ist alles gut, jetzt bist du sicher.“ Sie hält immer noch den Kontakt, spendet und hilft. „Es müsste viel mehr solche Einrichtungen geben.“

HK