Greding
Überraschungsgast Stofferl Well bei der „Heiligen Nacht“ in Greding mit Monika Baumgartner und den Wellküren

05.12.2022 | Stand 18.09.2023, 20:25 Uhr

Sie harmonieren perfekt am Sonntagabend in der Jakobuskirche in Greding: Die Wellküren und ihr Bruder Stofferl Well bei der „Heiligen Nacht“. Fotos: Leykamm

Von Jürgen Leykamm

Greding – Die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma, gelesen von der Schauspielerin Monika Baumgartner, musikalisch gestaltet von den Wellküren – all dies allein schon wären die besten Zutaten für einen gelungenen Abend in der Gredinger Jakobuskirche gewesen. Doch dort setzte die Stadt als Veranstalter noch einen drauf: Denn zu den vier Damen gesellte sich auch noch Stofferl Well mit auf die Bühne im Altarraum – als unangekündigtes Sahnehäubchen.

„Das ist ja wie ein Sechser im Lotto“, zeigt sich da auch nach dem Schlussbeifall Annemarie Netter vom Katholischen Frauenbund erfreut, die obendrein die Gelegenheit nutzt, mit der beliebten Schauspielerin einige Worte zu wechseln. Hinter den beiden sowie gut 200 Besuchern liegt da bereits eine musikalische Lesung, die mit stehenden Ovationen belohnt wurde. Endlich ist das vor gut 100 Jahren geschriebene Stück, in dem Gotteshaus zu erleben, zwei Anläufe hat Corona verhindert. „Nun hat es endlich geklappt!“ betont da zur Begrüßung auch Gredings Bürgermeister Manfred Preischl.

Die Wells stimmen zunächst als Bläserquartett feierlich auf das Geschehen ein, gekrönt durch ein behutsames Trompetensolo vom Stofferl. Dann wechselt er auch schon zur Harfe (viel später auch zu Steirischer Harmonika oder Maultrommel), während seine Schwestern einen betörenden Dreigesang erklingen lassen. Diesen noch im Ohr, finden sich die Besucher schnell in der Weihnachtsgeschichte wieder, die Thoma mitsamt Nazareth und Bethlehem in die verschneite Alpenregion verlegt.

Und das ist nicht das einzige, was seltsam vertraut erscheint. Da wäre etwa die Steuerreform, mittels derer Kaiser Augustus Geld eintreiben will – natürlich von denen, die ohnehin wenig haben. Die wiederum „ham gschimpft – und zahlt!“ Da dürfen die Gedanken schon einmal zur Grundsteuerreform dieser Tage abschweifen. Die etwas Betuchteren kommen in Thomas Stück nicht gut weg. Wie etwa der reiche Manasse, der mit seinem Gespann Maria und Josef auf ihrem Weg durch den Schnee links liegen lässt.

Ein Handwerksbursche hilft der Schwangeren und ihrem verzweifelten Verlobten schließlich. Doch auch bei den wohlhabenden Verwandten ist kein Unterkommen. Im Gegenteil – die Mutter Gottes und Josef werden von ihnen auch noch beschimpft. Musikalisch dürfen hier die Wellküren mal so richtig zetern, was ihnen bekanntermaßen am meisten liegt.

Es sind gerade die „klugen“ Argumente (mit denen finanziell gut situierte das heilige Paar vor den Kopf stoßen), die im Gotteshaus für Raunen und auch mal ein Kichern sorgen. Wie überall scheinen hier Erfahrungswerte vorzuliegen. „Wie soll der Mensch da nicht verzagen?“ legt Baumgartner dem hilflosen Josef in den Mund. Wie es weiter geht, weiß jeder: Es findet sich ein Stall, der das Pärchen aufnimmt. Bald darauf kündigt sich die Niederkunft an, die in dieser Heiligen Nacht auch weit jenseits des eigentlichen Geschehens nicht unbemerkt bleibt: „Die Welt wird stiller und die Herzen klopfen immer schneller“, liest Baumgartner vor, während Stofferl über die Harfe streicht und für den mystischen Moment in der Kirche sorgt.

Es ist, als ob der Himmel sich öffnet, heißt es bei Ludwig Thoma. Und ein bisschen davon dürfen auch die Besucher der Gredinger Musiklesung erleben. Diejenigen, welche Maria und Josef die Tür gewiesen haben, plagt im hellen Schein der Heiligen Nacht plötzlich ihre Gewissen. Dem Handwerksburschen, der selbst bei den Hütten der Hirten untergekommen ist, wird eine Erfahrung zuteil, die einem Nahtoderlebnis ähnelt – mit bayerischem Einschlag. Der junge Mann begegnet dem Herrgott persönlich. Und der sagt ihm: „Heit hast mer gfalln!“ Kurz darauf erblickt der Geselle den Bethlehemstern, der ihn an die Krippe ruft.

Ein Ruf, dem nach Thoma nur eine bestimmte Gesellschaftsschicht folgt: „Fragt’s Eich, ob des nix bedeit, dass es Christkind nur Arme gsehn ham“, fordert Thoma seine Zuhörer auf.

Er hat nur damals leider vergessen, sein Stück mit einer Zugabe zu versehen. Aber um eine solche sind die Akteure in Greding natürlich nicht verlegen und geben ein besinnliches Gute-Nachtlied zum besten.

HK