Thalmässing
Stete Mahnung für ein friedliches Miteinander

10.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:11 Uhr

Im Gedenken an die 33 Menschen jüdischen Glaubens aus Thalmässing, die der Nazi-Diktatur zum Opfer gefallen sind, legte der stellvertretende Bürgermeister Michael Kreichauf am Gedenkstein im Namen der Kommune ein Gesteck nieder. Foto: Unterburger

Von Robert Unterburger

Thalmässing – 84 Jahre liegt die berüchtigte Reichspogromnacht nun zurück, als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 Synagogen brannten, jüdische Geschäfte zerstört wurden, Menschen jüdischen Glaubens misshandelt und ermordet wurden –von organisierten Schlägertrupps. Diese Nacht gilt als das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte.

Dass dies nicht vergessen wird, dafür steht in Thalmässing die alljährliche Gedenkveranstaltung am Gedenkstein der früheren Synagoge an diesem Tag. Rund 20 Menschen nahmen daran teil.

Erinnerung mahnt zur Lehrefür heutige Generationen

Der stellvertretende Bürgermeister Michael Kreichauf (CSU), Marktratsmitglied Ursula Klobe (SPD) und der evangelische Pfarrer Frank Zimmer gestalteten diese gemeinsame Veranstaltung der politischen und kirchlichen Gemeinde. „Im letzten Jahr konnten wir 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern“, erinnerte Kreichauf. Es seien vier Informationstafeln aufgestellt worden, die über das einstige jüdische Leben in Thalmässing Auskunft geben. „Was müssen wir dafür tun, damit das Erinnern für heutige Zwecke dient?“, fragte Kreichauf – und gab Antworten: „Miteinander sprechen, vortragen, lehren, lernen, es leben, mit eindrücklichen Veranstaltungen wie dieser daran erinnern, in unseren Alltag platzieren.“

Jeder solle Multiplikator dieser Botschaft sein: nie wieder Nationalsozialismus, nie wieder menschenverachtende Politik. Und: Nie wieder Krieg – das habe man bisher gesagt. „Dass mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar plötzlich mitten in Europa ein Krieg tobt, hätte noch letztes Jahr niemand für möglich gehalten“, kam Kreichauf auf die aktuellen Ereignisse zu sprechen. „Täglich sterben bei diesem sinnlosen Krieg Hunderte von Menschen, sowohl Soldaten auf beiden Seiten als auch Zivilisten“, so Kreichauf, „mich macht das jeden Tag aufs Neue betroffen.“ Es sei höchste Zeit, das sinnlose Blutvergießen zu beenden und die Verantwortlichen in der Politik aufzufordern, alle Anstrengungen darauf zu verwenden – auch das sei eine der Lehren des 9. November.

Ursula Klobe rief die Ereignisse von damals in Erinnerung. Das bis dato friedliche Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Thalmässing habe sich nach einer großen Kundgebung auf dem Reinwarzhofener Espan geändert, „bei der Gauleiter Julius Streicher und Hermann Göring die antisemitische Haltung der Nationalsozialisten zum Ausdruck brachten“. Auch hier seien Betriebe von Menschen jüdischen Glaubens boykottiert worden. „So waren schließlich viele gezwungen, ihre Geschäfte aufzugeben und ihren Besitz zu verkaufen“, erzählte Klobe. Die jüdische Gemeinde Thalmässing löste sich auf. Von örtlichen Parteiorganisationen wurden Tafeln angebracht, auf denen stand, dass Juden am Ort unerwünscht seien.

„1938 lebten nur noch vier jüdische Familien in Thalmässing. Am Morgen des 10. November waren auch deren Schaufenster eingeschlagen und die Auslagen geplündert.“ Die Juden flohen. Seit Mai 1939 lebten keine jüdischen Einwohner mehr in Thalmässing. 13 Personen war die Auswanderung in die USA, nach Frankreich und Argentinien geglückt. „33 jüdische Mitbürger, die in Thalmässing geboren und während der NS-Zeit hier gelebt haben, wurden in Ghettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager ermordet“, sagte Klobe. „Auch ihrer wollen wir heute gedenken.“

Die Synagoge sei nur deshalb in der Pogromnacht nicht zerstört worden, weil sie bereits seit 1936 als Getreidelager genutzt worden sei. Seit 2000 erinnert ein Gedenkstein an sie. „Was ist so erhaben an diesem Platz? Es ist ein Platz Gottes.“ So laute die Inschrift in englischer Sprache auf diesem Stein, Dieser Satz aus dem ersten Buch Mose sei der Wunsch von Emma Smith aus Thalmässing, einer geborenen Neuburger, gewesen.

Pfarrer spricht sich gegenFeiertag am 9. November aus

Pfarrer Zimmer erinnerte daran, dass der 9. November wie kein anderes Datum einen besonderen Stellenwert in der deutschen Geschichte hat: Ausrufung der Republik 1918, Hitlerputsch 1923, Reichspogromnacht 1938, Fall der Berliner Mauer 1989. Zimmer wandte sich gegen Bestrebungen, den 9. November zu einem Feiertag zu machen: „Das würde diesem Tag nicht gerecht werden, denn Feiertage verkommen schnell zu freien Arbeitstagen und verlieren ihre tatsächliche Bedeutung.“ Mit dem gemeinsam gesungenen Abschiedslied „Schalom Chaverim“ endete die Gedenkfeier.

HK