Roth – Das Kräfteverhältnis auf den Kopf gestellt hat das Bündnis „Roth ist bunt“ bei den Kundgebungen an diesem Montagabend in der Kreisstadt. Gegen die erneut rund 250 „Spaziergänger“, die unter dem Motto „Für Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“ gegen die Corona-Maßnahmen und eine generelle Impfpflicht quer durch die Rother Innenstadt zogen, stellten sich diesmal fast 500 Gegendemonstranten auf den Marktplatz. Eine Woche zuvor, als „Roth ist bunt“ erstmals zum Protest gegen die „Spaziergänger“ aufgerufen hatte, war das Bündnis noch deutlich in der Unterzahl gewesen.
„Ich bin überwältigt“, sagte angesichts des großen Zulaufs der amtierende Rother Bürgermeister Andreas Buckreus (SPD), der als Einziger des gesamten Abends öffentlich das Wort ergriff. Wie Buckreus betonte, solle es erneut ein stiller Protest sein. Und dieser Protest richte sich ausdrücklich nicht gegen diejenigen Menschen, die gegen die Corona-Politik demonstrieren, wie es bereits im aktuellen Aufruf von „Roth ist bunt“ geheißen hatte. „Diese Demo hier ist gegen Rechts“, rief Buckreus kurz nach 18 Uhr den knapp 500 Menschen zu, die allesamt Masken trugen und dicht gedrängt beisammen standen.
Ob sie denn noch nichts von einem Mindestabstand gehört hätten, spottete denn auch eine Frau aus den Reihen der „Spaziergänger“, als sie die 15 mal 30 Meter große Fläche auf dem Marktplatz passierte, die mit einem rot-weißen Absperrband der Polizei eingegrenzt war. Hinter diesem Band hielten die „Roth ist bunt“-Demonstranten mehrere Schilder in die Höhe mit Aufschriften wie etwa „Abstand halten von rechten Ideologien“, „Abgrenzung von Rechtsradikalen“ oder „Stopt-Nazi-Gesundheits-Sabotage“.
Dass auf diese Art – entgegen der Ansage des Bürgermeisters – die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen automatisch mit einer rechtsextremen Einstellung verknüpft wurden, verstörte am Montagabend selbst so manchen Anhänger von „Roth ist bunt“. „Wenn ich so etwas sehe, bin ich mir gerade nicht mehr so sicher, ob ich da jetzt noch dazu gehen soll“, sagte eine Frau beim Anblick des noch dazu falsch geschriebenen „Stopt-Nazi“-Schilds gleich hinter dem Absperrband. Wie sie erzählte, habe sie eben ersten auf ihrem Weg zum Marktplatz eine Bekannte getroffen, die sich zwar offen zu den Gegnern der Corona-Maßnehmen bekennt, aber zugleich klar von sich behauptet: „Ich bin bestimmt kein Nazi.“
Dass eine solche Haltung möglicherweise die vorherrschende bei den Rother „Spaziergängern“ sein könnte, darauf lässt jedenfalls ihr neuester Flyer schließen: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von rechten Gruppierungen wie Nügida, der Dritte Weg und anderen“, stand da am Montagmorgen in den entsprechenden Gruppen auf Telegram zu lesen.
Dass ein solches Bekenntnis bislang ausgeblieben war, hatte das Bündnis „Roth ist bunt“ zuvor vehement angeprangert. Trotz der jetzt erfolgten Distanzierung endete die Gegendemo von „Roth ist bunt“ aber wie angekündigt als „Zeichen gegen Rechts“. Ganz bewusst löse man pünktlich um 18.30 Uhr die Versammlung auf, um den Rechten symbolisch den Rücken zuzukehren, erklärte Bürgermeister Buckreus (SPD).
Eine andere Frau aus den Reihen der „Spaziergänger“ sagte dazu kopfschüttelnd: „Uns alle in einen Topf mit den Rechten zu stecken, ist nicht ok.“ Und der Mann neben ihr brummte vor sich hin: „Ich bin kein Nazi, sondern seit Jahrzehnten bei der SPD“.
HK
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