Landratswahl Roth 2023
Podiumsdiskussion Landratskandidaten: Viel Gemeinsames, wenig Trennendes

Veranstaltung beschert der Kulturfabrik ein rappelvolles Haus

20.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:20 Uhr

Nicht ein Plätzchen ist noch frei in der Rother Kulturfabrik. Auch das Foyer ist gut besetzt, dort kann man sich den Livestream ansehen. Fotos: Tschapka

Die drei Landratskandidaten auf der großen Bühne der Kulturfabrik: Das Interesse an diesem Ereignis ist groß gewesen, rund 800 waren live in der Halle dabei, noch einmal die gleiche Anzahl verfolgte die Diskussion per Livestream an den Computern und Smartphones. Ob die Erkenntnisse ähnlich groß sind, ist zu bezweifeln, denn alle drei Kandidaten präsentierten sich analog ihrer Flyer, Videos und Wahlkampfauftritte. Neues oder Überraschendes: absolute Fehlanzeige.

Mehr als zwei Stunden durften sich Helmut Bauz (FW), Jochen Münch (CSU) und Ben Schwarz (SPD) von der Journalistin Claudia Weinig zu den Themen Energie, Wohnen und Arbeiten, Tourismus und Öffentlicher Nahverkehr befragen lassen. Ein offener Schlagabtausch war offensichtlich nicht vorgesehen, beziehungsweise kam nur in seltenen Momenten zustande. So als Münch die Kosten für die S-Bahn nach Hilpoltstein auf 30 Millionen Euro bezifferte, er aber nicht sagen konnte, aus welchem Jahr denn diese Schätzung sei. „Etwas mehr Tiefgründigkeit hätte ich mir schon erwartet“, konterte Bauz.



Den Auftakt der Diskussion sollten eigentlich drei Selfie-Videos der Kandidaten machen. Während Helmut Bauz sich an die Vorgabe hielt, schickten die beiden anderen ihre Hochglanz-Wahlkampfvideos ins Feld. Für den FW-Kandidaten brachte das einen kleinen Pluspunkt, da er so erheblich persönlicher, nahbarer und direkter rüberkam.

Etwas, was sich ein wenig durch den ganzen Abend zog, da Bauz der Einzige war, der sich ab und zu eine spontane Äußerung erlaubte. Zum Beispiel als er erzählte, dass er eigentlich Schreiner werden wollte, aber bald feststellte, „dass ich mit dem Stift in der Hand besser aufgehoben bin“. Oder wenn er ab und zu Tacheles redete: „Die Windkraft hat doch die CSU mit ihrer 10H-Regel gestoppt“ – als Jochen Münch den Windkraftausbau ganz oben auf die Agenda stellte. Und nicht zuletzt beim Thema S-Bahn, wo er eine Studie forderte, „die ihren Namen auch verdient“.

Es war allen Dreien anzumerken, dass sie sich an diesem Abend keine Fehler erlauben oder sich nicht zu weit aus dem Fenster hängen wollten. Was am Beispiel der geplanten Amazon-Ansiedlung in Allersberg deutlich wurde. Während sich Herbert Eckstein (SPD) als Landrat klar dagegen positioniert hatte, verwiesen nun Bauz, Schwarz und Münch darauf, dass da keine Politik vom Landratsamt gemacht wird. „Das wird nur in Allersberg entschieden“, sagte Bauz, der aber darauf verwies, dass Allersbergs Flächennutzungsplan aus dem Jahr 1975 stamme und der älteste im Landkreis sei. „Da hätte das Landratsamt schon vor 15 Jahren sagen müssen, ihr braucht einen neuen.“ Bei der Gewerbepolitik könnte der Landrat trotzdem eingreifen – als Moderator und Vermittler, um „nicht an jeder Einmündung ein Gewerbegebiet zu haben“, so Schwarz. „Die Kommunen müssen es gemeinsam machen.“



Gemeinsam möchte Helmut Bauz auch den Wohnungsbau angehen, speziell den einkommensgebundenen. Analog zum Erfolgsmodell Gewo-Bau in Schwabach könnte er sich eine Kreisbaugesellschaft vorstellen. Warum es eine solche nicht hier gibt, wollte Claudia Weinig wissen. „Da hat sich nur keiner drum gekümmert“, sagte Bauz. Laut Schwarz gibt es Ansätze einer Kooperation zwischen Georgensgmünd, Roth und Hilpoltstein. Münch war dies zu wenig: Alle 16 müssten gemeinsam ran. „Du hast das nicht verstanden“, erwiderte Schwarz. „Es ist ein offenes Modell.“ Allerdings verwies Schwarz auch darauf, dass der kommunale Wohnungsbau eigentlich keine originäre Aufgabe des Landkreises ist.

Sehr wohl beim Landkreis angesiedelt ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Der funktioniert entlang der Nord-Süd-Achsen und noch halbwegs bei der Gredl, aber bei Feinschluck hilft selbst kein 49-Euro-Ticket mehr. Zudem sind die großen Busse, die kreuzen, oft leer. „Ökologischer Wahnsinn“, wie Bauz sagte. Alte Zöpfe abschneiden, empfahl Schwarz und Münch will das Angebot mit modernen Systemen ausweiten. Aber wie es konkret aussehen soll, wie der „Hofer Rufbus“ im Landkreis umgesetzt werden könnte und wie auch wieder Waren auf die Schiene kommen, darauf gab es an diesem Abend keine Antworten.



Das Megathema der nächsten Jahre ist zweifellos die Energieversorgung, der Weg führt weg von fossilen Brennstoffen. Aber der ist ernüchternd lang, wie die Statistik zeigt. Nur 13 Prozent der Energie ist Elektrizität und die wird aktuell nur zu 50 Prozent nachhaltig erzeugt. Für Jochen Münch ist der Weg klar: „Wir brauchen den Ausbau der Windenergie.“ Photovoltaik (PV) gibt es für ihn schon genug. Da hielt Bauz dagegen: „Wir brauchen so viel PV wie möglich, wir brauchen Speicher.“ Allerdings wäre er bei Freiflächen-PV „vorsichtig“. Und auch Schwarz sagte, „wir werden jeden Strom brauchen“ – zudem die Wertschöpfung vor Ort und die Mitarbeit der Bürger. „Wir dürfen das Feld nicht Privaten überlassen.“

Das gilt auch für die Daseinsvorsorge, da waren sich alle drei einig: Hände weg vom Trinkwasser, Warnung vor der Privatisierung. Vielmehr geht es wegen der zunehmenden Trockenheit bereits um den nächsten Schritt. Wasser sei zwar kommunal, aber zuständig für die Entnahme sei der Landkreis, so Bauz. Da gelte: „Ihr müsst haushalten.“ Wasser müsse künftig intelligent bewirtschaftet werden, sagte Schwarz. Es gelte, Oberflächenwasser noch nachhaltiger abzugreifen. Und auch das Tiefenwasser sollte man Privaten nicht übergeben.

Beim Tourismus ist für die Kandidaten nicht zuletzt der Challenge Dreh- und Angelpunkt. „Das ist der Motor“, sagte Schwarz und Bauz würde ihn erfinden, wenn es ihn nicht gäbe. Vergleiche mit Bodenmais oder ähnlichen Orten, wie Moderatorin Weinig anführte, bringen laut Münch wenig. „Wir haben weder den Bayerischen Wald noch Skifahrer.“ Vielmehr gelte es, das Potenzial zu nutzen. Wie genau, war allerdings nicht zu erfahren. Bauz schlug dazu eine Zukunftswerkstatt Tourismus vor, um „zu schauen, wo der Schuh drückt“. Beispielsweise bei den Gästebetten: „Wir haben einen massiven Rückgang.“

Bessere Angebote für die Menschen vor Ort, führte noch Ben Schwarz an. Aber dieses Credo des Miteinanders, des Mitnehmens, der Gemeinschaft das legten alle drei an den Tag. In den Ausführungen wurde allerdings oft deutlich, dass die beiden Bürgermeister Schwarz und Bauz mit erheblich fundierterem Wissen punkten können. Der Journalist Jochen Münch blieb meist zu unbestimmt und vermied, in die Tiefe zu gehen.

Am Ende wurde noch jeder gefragt, warum er die beste Alternative sei. In Kürze: Ben Schwarz versucht Lösungen für Menschen zu finden und will das Kirchturmdenken abbauen. Jochen Münch „brennt für unseren Landkreis“ und will die Aufgabe mit Energie und Menschenverstand angehen. Und Helmut Bauz sieht seine Erfahrung als gute Voraussetzung, die Herausforderung anzunehmen, „in diese Fußstapfen zu treten“. Wobei es um die von Herbert Eckstein geht.

HK