„Nur leere Phrasen“
Gemeinderat in Allersberg verabschiedet nach kontroverser Diskussion gemeinsame Erklärung

20.03.2024 | Stand 21.03.2024, 15:04 Uhr
Sonja Pannenberg

Zur Demo gegen rechts in Allersberg kamen über 200 Menschen, die mit Plakaten „gegen rechts“ demonstrierten, aber auch ein Schild mit dem Text „Eine Nazistraße ist so 1933“ hochhielten. Foto: Tschapka

Auch in Allersberg gibt es nun eine gemeinsame Erklärung zum Thema Extremismus. Allerdings wurde sie nicht einstimmig verabschiedet, sondern gegen die Stimmen von vier Ratsmitgliedern. Diese hatten während der Sitzung heftige Kritik geäußert.

Den Antrag zu der Erklärung hatte Gabi Paur (Freie Wähler) gestellt. Auf Bitte von Bürgermeister Daniel Horndasch erläuterte Paur ihre Beweggründe. Sie begründete den Antrag zum einen damit, dass ihr das Thema Extremismus persönlich sehr wichtig sei, zum Anderen war ihr Anliegen, dieses Thema auf mehrere „Standbeine“ zu stellen – mit dem Grundgedanken „Ideologie tritt an die Stelle von gesundem Menschenverstand“ und „Unterstellungen werden zu alternativen Wahrheiten“. Zudem würden Demokratie und Rechtsstaat in Frage gestellt. Ebenso äußerte sie die Bitte, dass der Gemeinderat als demokratisch gewählter Bürgervertreter Vorreiter sein solle, um sich Extremismus und Radikalisierung, „egal von welcher Seite“ entgegen zu stellen.

Heftige Kritik von wenigen Seiten

Für Thomas Schönfeld (CSU) war die Erklärung „gut gemeint, jedoch nicht mehr als ein Feigenblatt“. Seiner Meinung nach wurden große Veranstaltungen gegen Rechts vom Gremium zu schwach präsentiert und deshalb könne er im Nachhinein einer gemeinsamen Erklärung nicht zustimmen.

Auch Tanja Josche (Grüne/Bündnis 90) sah den Antrag zwar als ehrenwert an, aber im Inhalt stehe „kein Wort über AfD oder Rechtsruck, sondern nur über Proteste der letzten Jahre“. Die Erklärung sei „nicht klar definiert“, ihre Zustimmung fand die Wortwahl zum „rauen Umgangston“. Sie sehe in der Erklärung eine Verharmlosung: „Es sind nett gemeinte Worte.“ Gerne würde sie auch eine „Selbstverpflichtung formulieren“. Das seien aber „nur leere Phrasen“.

„Wenn man eine gemeinsame Erklärung machen will, redet man im Vorfeld miteinander“, sagte Eduard Riehl (SPD). Er sah in dieser Erklärung einen großen Unterschied „zwischen Theorie und Praxis“. Der Marktrat finde das Thema wichtig, aber laut Riehl sieht Praxis anders aus. Er wolle sich aber dennoch für den Antrag entscheiden.

Georg Decker (Grüne/Bündnis 90) monierte, er habe sich eine gemeinsame Erklärung „so nicht vorgestellt“. Für ihn sei sie „halbherzig und zu weich geschrieben“. Er kritisierte, dass Passagen über Rechtsextremismus und AfD nicht enthalten seien. „Das muss unbedingt rein.“ Er wünsche, dass sich die Mitglieder des Marktgemeinderats an das Schreiben der „16 Bürgermeister im Landkreis“ anschließen und keine eigene Erklärung abgeben. Der Rathauschef erklärte, dass er die Erklärung der „16 Bürgermeister“ gerne unterzeichnet habe, jedoch laut Tagesordnung über den Antrag von Gaby Paur entschieden werde. Josef Schlierf (CSU) sah die Möglichkeit, dass Paur den Antrag zurücknehmen könne, dies lehnte Paur ab, da der Antrag bereits seit drei Wochen den Fraktionen vorliege und sie keine Rückmeldung erhalten habe.

Gegen „Rechts“, „Mitte“ oder „Religion“ positionieren

Für Willibald Harrer (FW) macht es keinen Sinn, sich nur in eine Richtung, „gegen Rechts“ zu definieren. Die Wortwahl der Erklärung sei für ihn richtig, denn egal, ob „Rechts“, „Mitte“ oder „Religion“, bei „Extremismus ist das eine so schlecht wie das andere“ oder „alles genauso wichtig, es kann nicht eine Richtung davonverschwinden“.

Der Antrag einer gemeinsamen Erklärung wurde mit großer Mehrheit bis auf die Stimmen von Josche, Decker, Schönfeld und Markus Zurwesten angenommen.

HKDie Erklärung im WortlautUnsere Gesellschaft hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Krisen und Umbrüchen erlebt, die zu großer Verunsicherung und Zukunftsängsten in der Bevölkerung geführt haben. Der Ton und der Umgang miteinander ist rauer, härter und in vielerlei Hinsicht polarisierender geworden. Aktionismus, mediale Proteste und Demonstrationen von Bürgern und Interessensgruppen unterschiedlichster Zielsetzung nahmen in den letzten Jahren einen immer breiteren Raum im öffentlichen Diskurs ein. Dabei wurden bei aller Wichtigkeit von Demonstration, Meinungs- und Redefreiheiten leider in Einzelfällen auch die Grenzen des Rechtsstaates sowie des Anstandes überschritten. Umgekehrt haben im positiven Sinne auch viele Menschen Flagge gezeigt gegen antidemokratische und fremdenfeindliche Tendenzen. Nach den furchtbaren Erfahrungen des zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur wird die aufgebaute Gesellschaftsordnung zunehmend von „vermeintlichen Alternativen“ in Frage gestellt Von den extremen politischen Rändern werden vermeintliche Notstände reklamiert, um ihr Tun zu rechtfertigen und ihre undemokratischen Ziele zu erreichen. Werte wie Menschenrechte, parlamentarische Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, soziale Marktwirtschaft und europäische Zusammenarbeit werden verleugnet oder gar mit Füßen getreten. Deshalb wehren wir uns entschieden gegen jede Form des Extremismus. Ganz gleich ob linksextrem oder rechtsextrem oder religiös motiviert. In unserer Marktgemeinde leben seit vielen Jahren Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und persönlicher Ausrichtung friedlich zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben viele aus ihrer Heimat Vertriebene in Allersberg ein neues Zuhause gefunden. Ebenso wie später Menschen aus anderen Kulturkreisen die durch ihr Engagement maßgeblich an Aufbau und Wohlstand beteiligt waren. Sie alle haben hier ihre Heimat gefunden und unseren Ort bereichert. Auch derzeit sind wieder viele Schutzsuchende aufgenommen worden. Deshalb wenden wir uns ausdrücklich gegen jede Form der Fremdenfeindlichkeit und des Antisemitismus. Völkisches Denken und Diskriminierung haben keinen Platz in unserer Gesellschaft . Die derzeitige Entwicklung gibt Grund zu größter Besorgnis. Darum rufen wir alle unsere Bürger auf:Gemeinsam jeden Tag für ein weltoffenes, tolerantes und demokratisches Allersberg einzustehen. Die Würde jedes Menschen ist und bleibt unantastbar. HK