Landkreis Roth
Mittelalterliches Kirchensteuerbuch aus Laibstadt entdeckt

600 Jahre alter Pergamentband aus Laibstadt wird im Nürnberger Staatsarchiv bislang Liebenstadt zugeordnet

20.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:00 Uhr
Norbert Herler

Die erste Seite des 600 Jahre alt gewordenen Pfarrsalbuches von Laibstadt, das interessante Einblicke in die Zeit der „Steuerpolitik“ im Spätmittelalter bietet. Foto: Herler

Von Norbert Herler

Laibstadt – Manchmal sind es gerade die Zufallsfunde, mit deren Hilfe Geschichte greifbar wird. Was diese Geschichte betrifft, sollte eigentlich der Besuch im Staatsarchiv in Nürnberg etwas Schriftliches zum Bau der Laibstädter Pfarrkirche vor 550 Jahren (laut Inschrift im Chor 1472 fertiggestellt) zu Tage fördern. Die Suche blieb hierzu erfolglos.

Stattdessen präsentierte aber Archivpfleger Daniel Burger einen uralten Pergamentband, der vor vielen Jahren vom Nürnberger Stadtarchiv ans Staatsarchiv übergeben und dann dem falschen Ort zugeordnet wurde – nämlich Liebenstadt statt Laibstadt.

Burger, der das Werk im Rahmen der Rechercheanfrage in die Hände bekam, war aber so weitsichtig, die ersten Zeilen des Aktes richtig zu lesen und zu deuten, denn dort steht: „Heiligenpuch unnser lieben frawen gotzhaws zu Laibstat.“ Burger wusste, dass die Kirche in Liebenstadt dem heiligen Michael geweiht ist, das Laib-städter Gotteshaus aber eine Marienkirche ist.

Die erste Seite in gotischer, nicht ganz einfach zu lesender Schrift offenbart, um was es sich bei dem Werk letztendlich geht„Da man von christ gepurt zalt virz. Jar und dan in dem zway und zwanzigsten da rechent dy heilign phleger zu laibst. Was man unser frauen und den heiligen zu laibstat zins schuldig wer an wachs und an gelt und an nutzen.“ Es handelt sich demnach also um ein Salbuch, das 1422 angelegt wurde und damit heuer runde 600 Jahre alt geworden ist.

Ein Salbuch, auch Urbar genannt, ist eine Art Steuerbuch des Mittelalters, in dem alle Abgaben aufgelistet sind wie Irmgard Prommersberger erklärt, die die Übertragung der teils schwierig zu entziffernden Handschrift übernommen hatte. „Um ein Salbuch zu erstellen, suchten im Frühmittelalter die jeweiligen Grundherrn die Orte auf, in denen sie Grundbesitz hatten. Sie vereidigten dort Männer guten Rufs und befragten sie nach den lokalen Gegebenheiten. So wurde Anwesen für Anwesen durchgegangen und alles Relevante aufgeschrieben, anfangs in losen Listen, im Spätmittelalter dann auf Seiten in gebundener Form“, so Prommersberger.

Bei dem historischen Werk aus Laibstadt handelt es sich genau genommen um ein Pfarrsalbuch, also um eine Art Kirchensteuerbuch, in dem die Abgaben der einzelnen Höfe an die Pfarrei zusammengefasst waren. Neben „gelt“ waren dies „wachs“ und „nutzen“.

„Aufgrund des großen Bedarfs an Kerzen für die Liturgie entwickelten sich Kirchen und Klöster zu Großabnehmern von Bienenwachs. Innerhalb der an kirchliche Einrichtungen abzuführenden Naturalabgaben nahm der Wachszins eine bedeutende Stellung ein“, so Prommersberger. Sie weist auch darauf hin, dass im Spätmittelalter Wachskerzen in zunehmender Menge auch im höfischen und bürgerlichen Bereich verbraucht wurden. Denn neben der Kerzenherstellung wurde Wachs auch zum Verschließen von Flaschen, Krügen und Fässern sowie zur Herstellung wächserner Schreibtäfelchen verwendet.

Auch seien Stoffe mit Wachs wasserabstoßend gemacht, Fäden, Zwirne, Seile und Leder mit Wachs imprägniert, Möbeloberflächen mit Wachs poliert und Votivgaben häufig aus Wachs gegossen worden. Unter „nutzen“ seien dagegen Arbeits- und Spanndienste zu verstehen, wobei der Dienstpflichtige mit seiner eigenen Hand Arbeiten zu verrichten oder einzuspannende Zugtiere zum Transport zur Verfügung zu stellen hatte.

Und so liest sich ein Eintrag zu einem Anwesen: „Item di alt Haymin hat geschapht 1 virdung wachs aus II pettn di sind gelegen auf de krum steig wen si zu nutz ligen.“ Übersetzt heißt das dann: Ebenso hat die alte Haymin ein „virdung“ (= Gepräge einer Münze, eventuell ein Pfennig) Wachs aus zwei Ackerbeeten, die im Flurstück „Krumsteig“ liegen, zu geben. Die Menschen damals dürften also über die Steuerlast nicht weniger geklagt haben als die Leute heutzutage.

HK