ÖPNV in der Region
Kein Geld für billige Fahrscheine: Nürnberg legt 365-Euro-Ticket auf Eis

Bürgerentscheid ist nicht erwünscht

06.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:30 Uhr

Im Wahlkampf ist Oberbürgermeister Marcus König noch gerne Straßenbahn mit Jugendlichen gefahren. Die Debatte rund um günstigere Fahrscheine in der Frankenmetropole begleiten den Chef der schwarz-roten Rathauskoalition seither. Foto: Pelke

Von Nikolas Pelke

Sind günstige Fahrscheine in Nürnberg aus Kostengründen tatsächlich „nicht vertretbar“? Die CSU wehrt sich jedenfalls gegen die Kritik der Befürworter des 365-Euro-Tickets.



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Die Initiatoren des Bürgerbegehrens behaupten laut CSU-Fraktionschef Andreas Krieglstein fälschlicherweise, dass sich an den rechtlichen Rahmenbedingungen in den letzten zwei Jahren nichts geändert habe.

Die finanziellen Sorgen der zweitgrößten Stadt im Freistaat seien in den letzten 24 Monaten aufgrund der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges massiv gewachsen, so Krieglstein. Die Zusatzbelastung im Haushalt zur Finanzierung des günstigen Fahrschein-Flatrate in Höhe von knapp 24 Millionen Euro sei daher im Vergleich zu 2020 nicht mehr vertretbar.

Stadtrat soll sich gegen Entscheid positionieren

Zur Erinnerung: Das 365-Euro-Ticket verstößt laut Stadtspitze gegen Grundsätze der Sparsamkeit. Deswegen empfiehlt die Nürnberger Stadtverwaltung dem Rat, an diesem Freitag gegen einen Bürgerentscheid zu stimmen. Diese rechtliche Einschätzung aus dem von Oberbürgermeister Marcus König (CSU) geführten Rathaus hatten die Befürworter um Stadtrat Titus Schüller (Linke) als „politisch“ motiviert bezeichnet und daran erinnert, dass vor zwei Jahren das Begehren noch ohne Bedenken zugelassen worden sei. Auch diesen Vorwurf weist der Fraktionschef der „Regierungspartei“ als „nicht zutreffend“ zurück.

Auslöser der Auseinandersetzung um das 365-Euro-Ticket ist ursprünglich ein „Blauer Brief“ aus Ansbach gewesen. Im Februar hatte die Regierung von Mittelfranken den Haushalt der Stadt nur unter strengen Auflagen genehmigt. Ausdrücklich hatte Regierungspräsident Thomas Bauer (CSU) darum gebeten, keine „großen und dauerhaften Ausgaben“ wie das „365 Euro-Ticket für jedermann“ im Stadtgebiet zu genehmigen. Nach diesem eindeutigen Wink aus Ansbach hatte König die Einführung der bereits versprochenen Flatrate-Fahrscheine wieder zurückgenommen. „Wir haben verstanden“, hatte seinerzeit König betont.

Auf Nachfrage bekräftigt Thomas Bauer seine ablehnende Haltung. Billige Fahrscheine wie das 365-Euro-Ticket würden den Kostendeckungsgrad weiter deutlich senken, lässt Bauer über seine Pressestelle mitteilen. Grundsätzlich könnte der Nahverkehr nur fortgeführt oder ausgebaut werden, wenn die Kosten gedeckt werden. Der VGN habe allein 2020 ein Defizit in Höhe von rund 450 Millionen Euro eingefahren. Heißt wohl im Klartext: Wenn die Subventionen nicht weiter steigen sollen, dürfen die Fahrpreise auf keinen Fall gesenkt werden. Sondern müssen im Gegenteil weiter steigen.

Mit den wichtigsten Fragen rund um den Nahverkehr in Franken ist Thomas Bauer seit Jahren vertraut. Bauer leitet nicht nur die Regierung von Mittelfranken. Der 1957 in Nürnberg geborene Jurist ist auch Vorsitzender des einflussreichen Grundvertrags-Ausschusses des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg (VGN). In diesem Gremium sind neben dem Freistaat die inzwischen mehr als 20 kreisfreien Städte und Landkreise vertreten. Vor vier Jahren ist Bauer als Vorsitzender des Ausschusses sogar wiedergewählt worden. „Die Preiserhöhungen sind erforderlich, um die Funktionsfähigkeit des ÖPNV aufrechtzuerhalten“, macht Bauer seinen Standpunkt klar.

Der Aufgabenbereich als Vorsitzender des Grundvertrags-Ausschusses habe bei der rechtlichen Beurteilung des Haushalts der Stadt Nürnberg „keine Rolle“ gespielt, versichert die Pressestelle im Auftrag des Regierungspräsidenten. Oder anders ausgedrückt: Bauer hätte Nürnberg auch zum Stopp des 365-Euro-Tickets mehr oder weniger explizit aufgefordert, wenn er nicht den Ausschuss leiten würde.

Ticketpreise sollen automatisch steigen

Die nächsten Preiserhöhungen sind derweil bereits in Vorbereitung. Künftig sollen die Tickettarife im fränkischen Verkehrsverbund nach einem Index aus Arbeitskosten, Dieselpreis und Co. berechnet werden. Dieser Einführung der mehr oder weniger automatischen Preisberechnung hat vor einem Jahr übrigens auch die Stadt Nürnberg zugestimmt. Zuletzt hat Oberbürgermeister König die geplante Erhöhung der Ticketpreise ab 2023 wohl lediglich kurzfristig von der Tagesordnung des Verkehrsverbundes nehmen lassen, um die Initiatoren des Bürgerbegehrens für das 365-Euro-Ticket zu besänftigen. Diese fordern schließlich nicht nur Flatrate-Fahrscheine, sondern auch ein Nein zu höheren Ticketpreisen. Diese Forderung ist laut Stadt im Hinblick auf vertragliche Verpflichtungen allerdings ebenfalls unzulässig. Vorsichtshalber hat die Stadtverwaltung noch einmal die „Vereinbarung über eine verbundweit einheitliche, indexbasierte Fortschreibung der Fahrpreise im VGN“ zu den Unterlagen für die Sondersitzung am 8. Juli hinzugefügt.

Für Thomas Bauer scheint die Antwort ohnehin relativ klar auf der Hand zu liegen. Mit dem Beitritt zum Verkehrsverbund sei insbesondere die Tarifhoheit auf die zuständigen Gremien des Verkehrsverbundes übergegangen. Der Grundvertrags-Ausschuss müsse unter seiner Leitung praktisch nur noch der Erhöhung der Fahrpreise zustimmen.

HK