Besondere Aktion
Zeit für krebskranke Frau: Auhof-Kollegen spenden Urlaubstage an Hilpoltsteiner Maler

01.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:54 Uhr

Eine Welle der Solidarität hat Thomas Unger (Mitte) erfahren von seinen Kollegen am Auhof, als seine Frau an Krebs erkrankt ist. Diese haben ihm auf Initiative der Mitarbeitervertretung (Dominic Portisch, links, und Thomas Kempfer) eigene Überstunden und Urlaubstage gespendet. Foto: privat

Von Viola De Geare

Mit einer ganz und und gar außergewöhnlichen Aktion haben Mitarbeiter des Hilpoltsteiner Auhofs (Landkreis Roth)einem Kollegen durch die schwerste Zeit seines Lebens geholfen.



Damit Thomas Unger genügend Zeit hatte, sich in diesem Sommer um seine unheilbar an Krebs erkrankte Frau Katharina und seine beiden Kinder im Grundschulalter kümmern konnte, schenkten ihm viele von ihnen ihre eigenen Überstunden und Urlaubstage.

Gleichzeitig übernahmen die Kollegen des Malermeisters mit vollem Einsatz sein Arbeitspensum. Am 24. September erlag Katharina Unger mit erst 40 Jahren der Krankheit.

In Sorge um die Familie - Ende der Selbstständigkeit

Thomas Unger aus Hilpoltstein war bis September letzten Jahres selbstständiger Malermeister und mit seiner Firma „Meistermaler Thomas Unger“ gut im Geschäft. Als seine Frau Katharina die schreckliche Diagnose bekam, war ihm bald klar, dass das Wichtigste nun war, Zeit für sie und vor allem auch für die beiden Kinder im Alter von sieben und neun Jahren zu haben. Er gab die Selbstständigkeit auf – ein großer Schritt – und bewarb sich am Auhof: In der riesigen Behinderteneinrichtung war gerade der langjährige Betriebsmaler in Rente gegangen war. Unger bewarb sich und wurde eingestellt – obwohl alle über seine Situation Bescheid wussten.

Dominic Portisch, stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, betont: „Thomas ist immer offen mit seiner Geschichte umgegangen – es war von vornherein klar, dass es diese private Belastung gibt. Dennoch hat der Auhof ihn eingestellt. Ich finde das höchst anerkennenswert, jemanden einzustellen, auch wenn man weiß, dass er nicht sofort voll belastbar sein wird.“

Mit einem festen Job mit festen Arbeitszeiten fiel es Unger leichter, für seine Familie dazusein. Schließlich musste er nun keine Kunden-Termine mehr koordinieren, Angebote und Rechnungen schreiben – all das, was ein selbstständiger Unternehmer zu tun hat. Im Oktober 2021 konnte er am Auhof anfangen. Die Kollegen dort nahmen ihn schnell ins Team auf. Neu war die Einrichtung für ihn ohnehin nicht – einst hatte er dort seinen Zivildienst absolviert und auch bereits Dominic Portisch kennengelernt, der damals gerade seine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machte. Portisch erzählt: „Wir haben dann mitbekommen, dass es seiner Frau Katharina immer schlechter geht und haben überlegt, was man machen kann, um Thomas zu unterstützen.“ Und er hatte einmal von einer Aktion gelesen, in der ein Team einem Kollegen „Zeit gespendet hatte“, so dass dieser freinehmen konnte, ohne dafür den gesamten Jahresurlaub aufbrauchen zu müssen oder irgendwann mit einem völlig überzogenen Arbeitszeitkonto dazustehen.

Bedingung: Es muss eine einmalige Aktion bleiben

Gemeinsam mit seinem Kollegen und Personalratsvorsitzenden Thomas Kempfer trat Portisch an die Geschäftsleitung heran. Aufhof-Leiter Andreas Ammon unterstützte die Aktion und auch vom Träger des Auhofs, der Rummelsberger Diakonie, gab es grünes Licht. Einzige Bedingung: Es müsse sich um eine einmalige Aktion angesichts der speziellen Situation von Thomas Unger handeln.

Anfang Juli, da ging es Katharina schon sehr schlecht, fragte Dominic Portisch per Rundmail alle Kollegen nach „Zeit-Spenden“. Man könne einen Urlaubstag oder auch Überstunden an Thomas Unger übertragen, damit dieser den letzten Wochen vor dem Tod seiner Frau für sie und die Kinder da sein könne. „Als ich am nächsten Tag mein E-Mail-Programm geöffnet habe, waren es unzählige Mails. Es sind fast 700 Stunden zusammen gekommen“, berichtet Portisch. Rund 70 Kollegen beteiligten sich und immer wieder kündigten „Nachzügler“ an, Stunden zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich abgerufen wurden dann nur die Stunden, die Unger auch zuhause geblieben war.

Große Solidarität bewiesen auch die direkten Kollegen aus der Haustechnik, die die Arbeit auffingen, die Unger in dieser Zeit nicht übernehmen konnte. Das sei alles andere als selbstverständlich, sagt Portisch.

Zusammenstehen, „wenn es hart auf hart kommt“

„Für mich war diese Welle der Solidarität ein richtig positives Zeichen. Oft hat man als Personalrat eher mit Sachen zu tun, die nicht gut laufen. Diese Aktion hat mir gezeigt, dass der Auhof zusammensteht, wenn es hart auf hart kommt“, sagt Portisch, der immer noch begeistert ist. „Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Kollegen beteiligen, besonders in dieser schwierigen Zeit wo durch Corona die Mehrbelastung bei den Mitarbeitern noch immer hoch ist und jeder vielleicht doch etwas mehr auf sich schaut.“

Im September ging es Ungers Frau zusehends schlechter. Sie konnte nicht mehr zuhause bleiben, sondern musste in einem Hospiz versorgt werden. Jetzt konnte sich Unger auf das Netz verlassen, das seine Kolleginnen und Kollegen für ihn aufgespannt hatten. Er blieb zuhause und war bis zum Tod seiner Frau ganz und gar für die Familie da.

Inzwischen ist er wieder zurück am Auhof, sein Arbeitszeitkonto steht auf Null, Thomas Unger ist dankbar für die große Solidarität so vieler Menschen. „Er hat sich darüber sehr gefreut“, sagt Portisch. Bei aller Trauer war das ein berührendes Zeichen, dass man auch in dunkelsten Tagen nicht alleine ist. Das Leben geht weiter – irgendwie.

HK