Polizei ermittelt Verfasserin
Nürnberger Friseur Marcel Schneider trotzt bösartigen Einschüchterungsversuchen

28.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:02 Uhr

Ein prominenter Friseur, der aber kein „Promi-Friseur“ sein will: Marcel Schneider gehört beim Sternstunden-Stand auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt trotzdem seit Jahren zur festen Besetzung in den Reihen der Sterneverteiler. Foto: Pelke

Zuletzt hat Marcel Schneider als Opfer von Hassschreiben für Schlagzeilen gesorgt. Inzwischen sei die Verfasserin der Drohbriefe von der Polizei gefasst worden, erzählt er in seinem Haarstudio im Nürnberger Stadtteil Altenfurt erleichtert.



Insgesamt habe Schneider, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, schon häufiger bösartige Schreiben im Briefkasten gefunden. „Da stehen wirklich absolut widerliche Sachen drin“, sagt Schneider und wird plötzlich ganz ernst. „Ich lasse mir das nicht gefallen.“ Deshalb sei er bereit, über die Einschüchterungsversuche zu sprechen. „Es kann nicht sein, dass sich Menschen alles erlauben können.“ Schließlich stehe seine Würde auf dem Spiel. Und die sei laut Grundgesetz unantastbar.

Mit Ehemann auf dem roten Teppich



„Ich bin kein Opfer. Und ich bin auch kein Angsthase.“ Vorsichtiger sei er nach den Drohbriefen dennoch geworden. „Das macht mit einem schon etwas. Das prallt nicht an einfach ab.“ Abends gehe er zum Beispiel nicht mehr allein mit dem Hund in den Wald.

Auftritte in der Öffentlichkeit will sich Schneider aber bewusst nicht entgehen lassen. Schließlich fühlt sich Marcel Schneider als „Promi-Friseur“ auf den roten Teppichen in Franken fast wie zuhause. Erst neulich sei er beim „Ball der Unternehmer“ in Nürnberg gemeinsam mit seinem Ehemann über den roten Teppich gelaufen. „Wir waren eines der ersten homosexuellen Ehepaare, die in Franken ganz offiziell geheiratet haben. Im Dezember sind wir 30 Jahre zusammen“, erzählt Schneider stolz.

Über seinen Mann sei Schneider auch 2015 zur SPD gekommen. „Ich bin ein politischer Spätzünder.“ Kurz nach dem Eintritt bei den Sozialdemokraten sei Schneider direkt als Kandidat für die Landtagswahl nominiert worden. „Auf meinem hinteren Listenplatz hatte ich 2018 aber keine Chance.“ Über die vielen Stimmen habe er sich trotzdem gefreut. Derzeit sitzt Schneider für die SPD im Rother Kreistag. Deshalb habe sich wohl auch das Landeskriminalamt für die Drohbriefe an ihn als Mandatsträger interessiert.

Spenden sammeln auf dem Christkindlesmarkt



Nach dem ganzen Ärger scheint Schneider längst wieder die Lebenslust gepackt zu haben. Schließlich ist gerade der Christkindlesmarkt, das Fest der Feste in Nürnberg. Und Schneider wäre wohl nicht Schneider, wenn er die Adventszeit nicht für einen wohltätigen Zweck nutzen würde. Im Nikolauskostüm will der Friseur am 6. Dezember am Christkindlesmarkt für die Benefizaktion „Sternstunden“ des Bayerischen Rundfunks möglichst viele Spenden sammeln. „Das macht immer richtig viel Spaß.“.

Nur die Bezeichnung „Promi-Friseur“ kann Schneider nicht leiden. „Zu mir kommen auch ganz normale Kunden“, sagt er und begrüßt zwei Kundinnen, die rote Teppiche offenbar nur vom Hörensagen kennen und einfach mal eine tolle Frisur haben wollen. „Alle sind bei mir willkommen“, sagt Marcel und zückt zum Abschied die silberne Schere.

HK