Heimatgeschichte im Landkreis Roth
Drei große Allersbergerinnen mit Vortrag gewürdigt

Sybilla Maurer, Katharina von Gratter und Susanne Schulenburg alle mit Drahtzieherei Gilardi verbunden

10.11.2023 | Stand 10.11.2023, 15:00 Uhr
Hartmut Täufer

Drei Frauen, die ganz verschieden sind, in ihren Leben viel leisteten und doch alle die Verbindung zur Drahtzieherei und der Firma Gilardi teilen: Susanne Schulenburg... Foto: Archiv Markt Allersberg

Im Rahmen der heimatkundlichen Vortragsreihe „Personen und Persönlichkeiten aus dem Landkreis Roth“ hat Kreisheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl einen Vortrag drei großen Frauen der Allersberger Ortsgeschichte gewidmet. „Geschichte wird von Männern geschrieben, welche Rollen die Frauen spielten, bleibt daher oft im Dunkeln der Geschichte verborgen oder wird klein geredet“, bedauerte sie bei ihrem Vortrag über „die Allersberger Gilardis und Geiershoefers“.

Das Allersberg von gestern und auch von heute wurde maßgeblich von Frauen geprägt und gestaltet. Ihr Wirken und ihre Spuren seien unverkennbar, wenn auch nicht immer erkannt werde, dass es Frauen waren, deren Leistungen über Jahrhunderte sichtbar sind.

Angefangen habe es mit Sybilla Maurer (1667-1730). Sie wurde in Freystadt geboren und war in der dortigen Drahtzieherei beschäftigt. Als sie sich den dortigen strengen Zunftvorschriften nicht mehr unterwerfen wollte, verließ sie ihren Heimatort gen Allersberg. Mit ihrem handwerklich-technischen Wissen ermöglichte sie es, dass Georg Heckel senior in Allersberg eine florierende Drahtzieherei betreiben konnte.

1692 heiratete sie Georg Heckel junior, war weiter im Betrieb unverzichtbar und als ihr Gatte 1707 starb, bat dieser sie – so die Überlieferung – den wichtigsten Geschäftspartner, Jacob Gilardi, zum Ehepartner zu nehmen. Dieser sei ein tüchtiger Geschäftsführer und auf jeden Fall qualifiziert mit seinen Kenntnissen und Verbindungen, den Bestand der Heckelschen Fabrik zu gewährleisten.

Da Jacob Gilardi in der Folgezeit den Betrieb neu organisierte, von der Buchhaltung bis zur Technik, entwickelte sich die Firma vom Handwerksbetrieb zu einer Fabrik. Gleichzeitig unternahm er mehrere große Geschäftsreisen, die ihn durch ganz Europa führten. Verträge in Russland, England, Portugal, Italien, Frankreich oder dem Osmanischen Reich waren die geschäftliche Folge.

In der Zeit seiner Abwesenheit kam es wieder auf Sybilla an, den „Laden zusammenzuhalten“. Sie starb 1730 und auf ihrem Epitaph in der Katholischen Pfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ in Allersberg wird sie gewürdigt: „Die Hoch Edle Frau Maria Sybilla Gilardin war starkh und emsig, stark in ihrem ledigen Stand, wo sie bei der Fabrik in Freystatt merentheils mansarbeiten verrichtet hat, embsig in ihrem ersten Ehestand, wo sie die Fabrik allhier erst recht eingeführt hat, embsig in ihrem Wittibstand, wo sie die Fabrik sorgsamigst fortgeführt hat, embsig in ihrem zweiten Ehstand, wo sie die Fabrik in größte Aufnahme zu bringen geholfen hat.“

Frauen mit Fleiß und besten Verbindungen

Der nun verwitwete Jacob Gilardi heiratete 1731 in zweiter Ehe die Witwe Maria Katharina Brentano-Mezzegra geb. von Gratter. Sie stammte aus Augsburg, war die Tochter des gräflich-fuggerischen Rates und Pflegers von Gratter und hatte hervorragende Kontakte zu Kaufleuten und Handelsfirmen.

Nach dem Tod von Jacob Gilardi (1739) übernahm Maria Katharinas Bruder Joseph Anton Gratter die Geschäftsführung, förderte Produktion und Absatz und führte das Unternehmen erfolgreich weiter.

Maria Katharina widmete sich der Pflege eines zeitgemäßen Familienstils und -bewusstsein und ihr gehobener Lebensstil war der von barocken Feudalherren. Im Volksmund sprach man gern von den „Allersberger Drahtbaronen“. Die familiären und beruflichen Verflechtungen waren der Firma Jakob Gilardi äußerst zuträglich. Viele Eheschließungen fanden damals unter dem Aspekt des Firmenwohls statt.

Das 19. Jahrhunderte führte allmählich zu einer Wandlung der Produktion. Nicht mehr die feinen (und teuren) Drähte zur Bestückung von festlichen Gewändern und Uniformen waren der Schwerpunkt, sondern mehr und mehr stieg die Nachfrage nach Dekorationsartikeln, wie zum Beispiel nach Christbaumschmuck.

Dieser neue Schwerpunkt wurde ab 1902 von der Familie Geiershoefer übernommen, Kontakte nach England und in die USA, in das europäische Ausland, selbst nach Australien gehörten zum Geschäftsalltag. Mehrsprachigkeit war gefragt.

Weit gereiste Junior-Chefin und erste Frau im Marktrat

Und es war das Metier von Susanne Geiershoefer, geboren 1935, die mehrere Jahre als Kind mit ihren Eltern in England im Exil verbracht hatte. Bereits mit 16 Jahren arbeitete sie in der Firma mit, wurde auf Dienstreisen geschickt, lernte andere Länder und Kulturen kennen, verhandelte in den USA und in Südamerika und übernahm 1971 mit ihrem Gatten Helmut Schulenburg die Firma, die sie bis 1996 führten.

Dann verließ sie Allersberg und kehrten zurück nach England, wo die jüdischstämmige Familie im zweiten Weltkrieg Geborgenheit und Sicherheit gefunden hatte.

Ihrem Heimatort Allersberg blieb sie stets verbunden. Hier war sie 1972 in den Marktgemeinderat gewählt worden, als erste Frau in Allersberg überhaupt. Hier brachte sie neue Impulse ein, sei es in der Sitzungsdiskussion oder in der konkreten Kommunalpolitik, wo sie für eine bessere Anbindung Allersbergs an den öffentlichen Nahverkehr plädierte oder den Fremdenverkehr gestärkt sehen wollte. Das soziale Engagement, das schon ihr Großvater und ihr Vater geübt hatten, setzte sie im Stillen fort. 2020 starb sie.

Ausgehend von einem Bürgerantrag beschloss die Marktgemeinde, dass nach ihr eine Straße im Baugebiet St. Wolfgang benannt wird. Damit hat sich der Kreis geschlossen. Sybilla als erste bedeutende Frau des Allersberger Drahtzugs war mit der „Sybilla-Maurer-Allee“ gewürdigt worden und diese Ehre wurde nun – als zweiter Frau überhaupt – auch Susanne Schulenburg zuteil.

HK