Geisenfeld
„Spielgeld“ und Starfighter-Absturz

GZ-Serie über Ereignisse, die 2023 einen „runden“ Jahrtag haben – Teil 1: 1923 und 1973

01.01.2022 | Stand 17.09.2023, 6:31 Uhr

Spaß beim Scheine-Stapeln: Die Inflation von 1923 macht das Geld im wahrsten Sinne des Wortes zu Spielgeld (Bild oben). Fotos: Archiv GZ

Von Gerhard Kohlhuber

Geisenfeld – Ein neues Jahr ist immer auch Anlass zurückzublicken – auf das vergangene Jahr oder auf Ereignisse, die einen runden Jahrtag feiern. Die GZ-Redaktion hat im Archiv nachgesehen, was denn vor 100, 50, 40, 25, 20 und zehn Jahren in Geisenfeld so alles passiert ist – und ist dabei auf so viel Interessantes gestoßen, dass wir das Ergebnis in einer dreiteiligen Serie zum Jahreswechsel präsentieren. Der erste Teil widmet sich den Jahren 1923, als die Maß Bier 22,4 Milliarden Mark kostet, und 1973, als unweit von Parleiten ein Kampfjet abstürzt.

1923, vor hundert Jahren, wird der FC Geisenfeld aus der Taufe gehoben. Eigentlich handelt es sich bei dieser Gründung um den „zweiten Geburtstag“, denn bereits 1921 ist
als Geburtsjahr des Geisenfelder Vereinsfußballs verbürgt. Da es an einem einigermaßen geeigneten Spielfeld fehlte, haben sich die Fußballbegeisterten zunächst dem Turnverein Geisenfeld angeschlossen, der einen eigenen Platz und in seinen Reihen auch einige Fußballinteressierte hat. So wird am 16. April 1921 die Spielabteilung des TV gegründet. Weil es aber bald zu Differenzen mit dem Hauptverein kommt, trennt man sich, und die Fußballer gründen am 3. Februar 1923 einen eigenen Verein: den FC Geisenfeld. Erster Vorsitzender wird Josef Vogt – der schon 2021 die treibende Kraft gewesen ist.

Zu den Auswärtsspielen fahren die Fußballer mit dem Fahrrad – sofern man eines hat und radeln kann. Eine Maß Bier oder gar eine Brotzeit sind 1923 für die Kicker so gut wie unerschwinglich. Der Grund ist die in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichende „Hyperinflation“. Diese ist eine Spätfolge des Ersten Weltkriegs – eine Blase, die fünf Jahre nach der Kapitulation endgültig platzt. Der Krieg hatte Unsummen an Geld verschlungen – Geld, das das Deutsche Reich nicht besaß. Die Bevölkerung muss ab 1922 die Folgen ausbaden – auch in Geisenfeld, wie sich aus den damaligen Notizen im Geisenfelder Wochenblatt herauslesen lässt.

Kostete ein Pfund Brot am 16. August 1923 noch 9000 Mark, so muss man dafür am 3. Oktober 3,5 Millionen Mark hinblättern. Und am 5. November 1923 kostet eine Maß dunkles Vollbier die unvorstellbare Summe von 22,4 Milliarden Mark. Wenn beispielsweise ein Bauernknecht seinen Wochenlohn von 21 Milliarden Mark gespart hatte, so reicht dieser ein paar Tage später nicht mal mehr für eine Maß Bier. Die Menschen rechnen nicht mehr in Scheinen, sondern in Bündeln, die man dann als Heizmittel zweckentfremdet. In Schubkarren transportiert man das Geld – bis dann im November 1923 eine neue Währung geschaffen wird: die Rentenmark.

1973, 50 Jahre später, gibt es längst wieder eine neue, die D-Mark, und in dieser Währung werden auch die Arbeiten zur Einfüllung des Ilmarmes zwischen der Wettermühle und dem Gellert bezahlt, die 1973 auf Hochtouren laufen. Bei der Wettermühle erfolgt der Durchstich zur Einleitung des Wassers in die heutige Ilm. Mit der Verfüllung verschwindet ein Stück Alt-Geisenfeld. Bereits 1966 ist im Osten der Stadt ein Ilmarm verfüllt worden, so dass nun dort die Erschließung eines „Baugebietes Ost “ (etwa Gisostraße, Bassettistraße) beginnen kann. Die Regierung genehmigt für Geisenfeld eine „Sonderschule“, und in Engelbrechtsmünster wird der Sportplatz eingeweiht. An der ersten Geisenfelder Ski-Stadtmeisterschaft beteiligen sich 130 Brettl-Fans − mit Charly Walser als Sieger. In Unterpindhart heißt es nach 50 Jahren Abschied nehmen vom Ehrenbürger des Ortes, Hauptlehrer Franz Geiger. Er zieht nach München um, wo er wenig später verstirbt. Am dritten Geisenfelder Volksmarsch beteiligen sich 3200 Wanderer, und für die evangelischen Christen in Geisenfeld wird ein „Ilmgaubezirk“ gegründet. Aus der Geisenfelder Polizei wird eine eingenständige, von Pfaffenhofen
unabhängige Inspektion.

Zweimal im Jahr 1973 muss die Stadt Geisenfeld einen herben Schlag verkraften. So schließt die Herrenbekleidungsfabrik Bäumler, die seit 1969 hier ein Zweigwerk betreibt und etwa hundert Beschäftigte hat, schon nach vier Jahren wieder ihre Pforten. Gleiches passiert beim Geisenfelder Amtsgericht. Bei diesem endet 1973 eine 111-jährige Ära. Das Gericht fällt einer landesweiten Gebietsreform zum Opfer und wird dem Amtsgericht Pfaffenhofen zugeteilt. Das 1862 gegründete Gericht ist in einem Trakt des früheren Klostergebäudes untergebracht gewesen. Bis 1949 befindet sich im angrenzenden Gebäude ein Gefängnis, sogar mit Dunkelzelle. Der „schwerste Junge“, mit dem sich die Geisenfelder Justizbeamten zu befassen haben, ist der berüchtigte Raubmörder Ferdinand Gumpp, der 1873 in Wolnzach festgenommen worden ist.

Und dann gibt es 1973 noch einen Vorfall, der Geisenfeld bayernweit in die Schlagzeilen bringt: Unweit von Parleiten stürzt ein in Manching gestarteter Starfighter, ein Kampfjet, bei einem Testflug in einen Hopfengarten. Der Pilot rettet sich mit dem Schleudersitz. Erste Hilfe leistet ihm Gutsbesitzer Hubert Grabmair, der nur wenige Meter von der Absturzstelle entfernt mit Hopfenspitzen beschäftigt ist und den Absturz aus nächster Nähe mitverfolgt hat.

GZ