Pfaffenhofen
„Spaziergänge“: Gemeinden können nur zuschauen

Betroffene Bürgermeister wollen Proteste noch tolerieren – nur Herker pocht auf Regulierungen

11.01.2022 | Stand 23.09.2023, 11:13 Uhr

Abmarsch über den Hauptplatz: Im Pfaffenhofener Zentrum versammelten sich am Montagabend etwa 350 „Spaziergänger“, um ihre Ablehnung gegenüber den Corona-Maßnahmen und einer möglichen Impfpflicht zu demonstrieren. Foto: Engl

Von Christine Zinner

Pfaffenhofen – Die Behörden stehen den „Spaziergängen“ ratlos gegenüber. Auch die vier betroffenen Kommunen im Landkreis beobachten die Proteste genau. Während sich Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker Regulierungen wünscht, sehen die anderen Rathauschefs noch keinen Handlungsbedarf.

Wolnzachs Bürgermeister Jens Machold (CSU) sagt, er habe sich die „Spaziergänge“ im Ort schon angesehen und tausche sich auch mit Polizei und Landratsamt darüber aus. „Bisher ist es friedlich. Es gab keine Beleidigungen oder andere Vorkommnisse.“ Etwa von Rechtsradikalen bei den Veranstaltungen sei ihm nichts bekannt. Und die Teilnehmer würden auch versuchen, die Straßen, die sie zwischenzeitlich überqueren, schnell wieder freizumachen. Machold selbst ist klarer Impfbefürworter. Aber er glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, Maßnahmen gegen die Veranstaltungen zu ergreifen. „Das würde eher das Gegenteil erreichen.“

Er wünscht sich allerdings, das Landratsamt würde in seinen Mitteilungen deutlich formulieren, ob der „Spaziergang“ nun eine Versammlung sei oder nicht. Vor Kurzem noch äußerte sich die Behörde in diese Richtung. Machold berichtet, ihn hätten nun Fragen von Bürgern erreicht, warum die Veranstaltungen nicht aufgelöst würden, wenn es doch unangemeldete Versammlungen seien. Hinsichtlich des „Spaziergangs“ im Markt Wolnzach aber ist er der Überzeugung: „Das wird die Demokratie aushalten.“

Zur Entscheidung des Landratsamtes, die Spaziergänge erst mal nur zu beobachten, findet Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) deutliche Worte: „Es ist bedenklich, wenn der Rechtsstaat sich an der Nase rumführen lässt.“ Herker findet, es wäre Zeit, dass das Landratsamt handelt. Vor etwa zwei Wochen habe die Stadt der Behörde gegenüber darauf gedrungen, dass zumindest die Pflicht zum Tragen einer Maske und ein Ort festgesetzt werden sollten. Das Landratsamt sei sehr zurückhaltend in seiner Rechtsauffassung zur Umsetzung einer Allgemeinverfügung zur präventiven Gefahrenabwehr im Landkreis.

Natürlich dürfe in einem Rechtsstaat jeder seine Meinung äußern, so Herker. „Nur sollte man die Courage haben, das anzumelden.“ Wortführer der Bewegung gebe es in den Telegram-Gruppen sehr wohl. Allgemein solle man bei den Spaziergängen mit Maß und Ziel vorgehen, findet der Sozialdemokrat. „Man muss es nicht untersagen.“ Aber Regeln sollten gelten. „Es geht nur um den Grundsatz, nicht um den Inhalt“, resümiert Herker.

„Grundsätzlich ist gegen Demonstrationen nichts einzuwenden“, sagt Reichertshofens Bürgermeister Michael Franken von der Jungen Wähler Union. Jedoch kritisiert er, dass sich kein Veranstalter zu erkennen gibt und die Versammlung nicht angemeldet ist. „Das ist nicht in Ordnung. Aber, dass man massiv versuchte, die Demonstrationen zu verhindern, sehe ich noch nicht als angemessen.“ Die Proteste liefen ja „absolut geordnet“. Für ihn sei so auch nicht klar, für was oder warum demonstriert werde. „Es gibt keine Schilder, Flyer oder Ansprachen.“ Deswegen könne er nur mutmaßen, warum die Teilnehmer auf die Straße gehen. „Es ist nicht klar, geht es gegen die Impflicht oder die Maßnahmen?“

Vohburgs zweite Bürgermeisterin Roswitha Eisenhofer von den Aktiven Vohburgern sagt, zunächst müsse man zuschauen und abwarten. „Es ist bis jetzt friedlich abgelaufen und es sind wahrscheinlich immer die gleichen.“ Vohburgs „Spaziergang“ war mit etwa 60 Teilnehmern am Montag der kleinste im Landkreis. Zwar seien Kerzen vor dem Rathaus abgestellt worden, aber das sei kein Thema. „Wenn die Veranstaltung nicht missbraucht wird, sollte man es lassen, wie es ist.“ Unter den Protestierenden seien sicherlich auch Teilnehmer, die das Corona-Thema sehr verbissen sehen. Die gebe es aber auch auf der anderen Seite. „Deswegen sollte man das erst beobachten.“ Um mehr über die Einstellung der Teilnehmer zu erfahren, müsste man erst mit ihnen reden, bemerkt Eisenhofer. „Es steht ja niemandem ins Gesicht geschrieben, ob er geimpft ist oder nicht.“

"Spaziergänge" im Landkreis

Auch am vergangenen Montagabend hat es wieder „Spaziergänge“ im Landkreis gegeben, die sich unter anderem gegen Coronabeschränkungen und eine mögliche Impfpflicht richten. Die Proteste waren nicht angemeldet, wie die Polizei mitteilt.

In Wolnzach setzte sich demnach der Aufzug von etwa 660 Teilnehmern um etwa 19 Uhr vom Rathaus aus in Bewegung. Bei der Überquerung der Schlossstraße unmittelbar nach Aufzugsbeginn sowie im Bereich der Kreuzung der Auenstraße mit der Schlossstraße regelte die Polizei den Verkehr, da die Teilnehmer hier kurzzeitig auf die Fahrbahn ausweichen mussten. Wie bereits an den vergangenen Montagen ging es über die Herrnstraße zurück zum Rathaus beziehungsweise zum Marienplatz. Die Dauer des Aufzuges betrug etwa 40 Minuten. Trotz der hohen Teilnehmerzahl wurden laut Polizei im Bereich um das Rathaus weitestgehend Abstände zwischen den Personen eingehalten. Zu Störungen sei es nicht gekommen. Lediglich ein paar Autofahrer hätten ihren Unmut über die Beeinträchtigungen durch die Versammlungsteilnehmer geäußert.

In Pfaffenhofen spazierten laut Polizei zwischen 18 und 19 Uhr etwa 350 Versammlungsteilnehmer friedlich vom Hauptplatz über die Ingolstädter Straße zum Volksfestplatz und über die Türltorstraße und Löwenstraße zurück. Hierbei sei es zu keinerlei Sicherheits- oder Verkehrsstörungen gekommen.

Ab 18 Uhr spazierten laut Pressebericht der Geisenfelder Polizeiinspektion zirka 100 Versammlungsteilnehmer vom Rathaus in Reichertshofen in die Schlossgasse über die Marktstraße und Ingolstädter Straße bis hin zur Sandrartstraße durch das Neubaugebiet und von dort zur Herrnstraße. Dort habe sich die Kundgebung aufgelöst. Zu Störungen sei es nicht gekommen, Mindestabstände seien weitestgehend eingehalten worden.

Die Polizei zählte 60 Personen, die zwischen 18 und 18.50 Uhr vom Ulrich-Steinberger-Platz in Vohburg zur Bahnhofstraße, über die Hartackerstraße in die Jahnstraße und über die Regensburger Straße und Donaustraße zurück zum Ulrich-Steinberger-Platz gingen. Vor dem Abmarsch wurden die Teilnehmer von den Beamten auf die Mindestabstände und vorgeschriebene Gehwegbenutzung hingewiesen, was offenbar weitgehend eingehalten wurde. Nach dem Aufzug wurden einige Grab- und Teelichter am Rathaus abgestellt. Einige Teilnehmer verblieben noch auf dem Platz, danach löste sich die Versammlung schließlich auf. Zu Störungen kam es laut Polizei nicht.

PK


 

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