Mit der Bimmelbahn zum Friedhof

Pfaffenhofener Hospizverein lädt zu einer „Tour de Palliativ“ ein

19.07.2022 | Stand 25.10.2023, 10:19 Uhr

Mit der Bimmelbahn Paffi zum Friedhof: Karin Post, Koordinatorin beim Hospizverein, im Gespräch mit dem Chef der Friedhofsverwaltung Herbert Breuer. Foto: Herchenbach

Von Albert Herchenbach

Pfaffenhofen – Der Mensch plant gern, vor allem dann – so hat’s zumindest den Anschein – wenn er in unseren Breiten zur Welt gekommen ist. Denn wie er diese verlässt, das wollen viele nicht dem Zufall überlassen – erst recht nicht der Verwandtschaft. Deutlich wurde das auf einer Stadtrundfahrt, zu der der Pfaffenhofener Hospizverein eingeladen hatte.

Die Organisatoren wollten ihre knapp drei Dutzend Gäste mit der Bimmelbahn Paffi zu Orten bringen, an denen palliative Versorgung und Hospizbegleitung gelebt wird: die Ilmtal-Klinik und die Caritas. Der evangelische Pfarrer Jürgen Arlt, der zum Seelsorge-Team des Krankenhauses gehört und sich für den Hospizverein engagiert, war der Meinung, dass auch die allerletzte Station, der Friedhof, nicht ausgelassen werden darf.

Ehe sich dort im Schatten der Aussegnungshalle die Bimmelbahn-Passagiere versammelten, hatten sie sich zuvor in der Klinik an Info-Ständen über den Palliativ-Medizinischen Dienst informiert, der Schwerkranke und ihre Angehörigen begleitet, außerdem über die Krankenhaus-Seelsorge und den Sozialdienst. Bei der Caritas am Ambergerweg stellte die Sozialpädagogin Gundula Krauss die Hilfen vor, die von der Beratungsstelle für psychische Gesundheit angeboten werden.

Bis hierher, bis zur zweiten Tour-Station, waren das wichtige, aber doch eher unfrohe Themen. Dass am dritten Halt auf dem Friedhof der Heiterkeitsknoten platzte, lag nicht nur an den vier Referenten, die neben der Aussegnungshalle auf die Bimmelbahn mit ihren Passagieren gewartet hatten, sondern – siehe oben – an der Befindlichkeit der Menschen und deren Wünsche, für die der Friedhof einmal die letzte Ruhestätte sein wird. Pfarrer Jürgen Arlt erklärte, dass seit Corona die Trauerfeiern zunehmend spartanischer ausfallen: Die Trauergemeinde ist kleiner geworden, gesungen werde, wohl aus Angst vor Ansteckung, kaum noch, Musik komme von der CD und einem Computer-Stick. Für Arlt sollte eine Trauerfeier zwei Schwerpunkte haben: Die Würdigung des Verstorbenen und die Situation der Angehörigen. „Was brauchen sie, um gut Abschied nehmen zu können?“ Wichtig deshalb auch zu fragen: „Was würde Oma gefallen? Ein Gedicht vielleicht?“

Wobei Oma oft, das wusste Christian Klaffus vom Bestattungsinstitut Pfefferler, in einer „Bestattungsverfügung“ festgelegt hat, wie sie es denn gern hätte. Frei nach Kurt Tucholsky, der sich in einem Gedicht seine Beerdigung so vorstellte: „An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben – da soll es mittags rote Grütze geben, mit einer fetten, weißen Sahneschicht ... Von wegen: Leibgericht.“ Klingt übertrieben witzig, ist es aber nicht.

Viele Menschen, vom Alter her noch weit entfernt davon, den letzten Gang anzutreten, haben bereits ihr Grab fest reservieren lassen, „schon vor 20 Jahren, so der Friedhofsverwalter Herbert Breuer. Was denn das kostet, will die Gruppe wissen. Breuer war auf diese Frage vorbereitet. Er verteilte Handzettel. „Dort drüben“, erklärte er und zeigte in Richtung Friedhofskapelle, „gibt’s zwei Kategorien. Je weiter hinten, umso teurer“. „Wie im Theater“, meinte ein Besucher, „die Loge ist auch teurer als der Rang.“ „Ich seh’ schon“, ergänzte ein anderer Paffi-Passagier, der sich offenbar im Immobilienmarkt auskennt: „Lage, Lage, Lage.“ Von einer mit Hecke umrandeten Grabstätte bis zum Baumgrab, das derzeit besonders beliebt ist, kann der Pfaffenhofener Friedhof allen Wünschen gerecht werden. 300 Grabplätze in allen Kategorien sind derzeit frei.

Warum viele Menschen – der Bestatter schätzt deren Anteil auf 70 Prozent – ihre Beerdigung durchplanen, mag vielleicht auch daran liegen, dass man bedenken sollte, wie es auf dem Friedhofs-Torbogen eingemeißelt steht, dass „der Tod nicht zögert“. Darauf möchte man vorbereitet sein.

Das erfährt auch Sven Gerstendörfer, Werkstattleiter beim Steinmetz Schuster, immer wieder. Da kämen Leute, die ganz konkrete Vorstellungen davon haben, wie ihr Grabstein aussehen soll, einschließlich der Gravur. „Da frag ich mich“, so Gerstendörfer, „wollen die schon jetzt unbedingt sterben?“ Selbst die Art der Schrifttypen wollen viele nicht dem Fachmann überantworten. Mit seinem Hinweis, dass das nicht gut aussehe, beißt der Steinmetz nicht selten auf Granit. „Wenn Sie das fertig sehen“, erklärt er dem Kunden, „werden Sie traurig sein. Und dann werde auch ich traurig, weil ich es dann noch einmal machen muss.“

Muss ja nicht sein. Vielleicht hätten ja auch die Hinterbliebenen ein Gefühl für Ästhetik gehabt.

PK