Pfaffenhofen
Hungriger Mensch, wütender Mensch

SPD-Staatssekretärin Bärbel Kofler spricht in Pfaffenhofen über Entwicklungshilfe in Zeiten der nationalen Krise

14.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:42 Uhr

Die weltweiten Engpässe bei den Getreidelieferungen waren ein Aspekt der Ausführungen von Bärbel Kofler bei ihrem Besuch in Pfaffenhofen. Foto: Paul

Pfaffenhofen – Die Deutschen sind derzeit selbst massiv gebeutelt von explodierenden Preisen bei Strom, Gas und vor allem Lebensmitteln. Bleibt da noch Zeit und Muße, um sich mit Entwicklungshilfe zu beschäftigen? Gerade jetzt sei das sogar unbedingt nötig, befindet Bärbel Kofler (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Am Dienstagabend legte sie im Hotel Müllerbräu in Pfaffenhofen ihre Argumente in einer gemeinsamen Informationsveranstaltung mit ihrem Parteifreund, dem Bundestagsabgeordneten Andreas Mehltretter, dar.

Strategisch war der Termin vielleicht nicht ganz so klug gewählt – an einem Abend, an dem Bayern München gegen Barcelona spielt, meinte Bärbel Kofler zu Beginn selbstkritisch. So hatte sich denn auch nur ein knappes Dutzend Zuhörer im Hinterzimmer des Hotels eingefunden. Kofler stammt selbst aus Bayern – und könne das daher gut verstehen. Seit 2004 vertritt die aus Freilassing stammende Politikerin den Wahlkreis Traunstein im Bundestag. Von 2016 bis 2021 hatte die 55-Jährige das Amt der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung inne; seit vergangenem Jahr assistiert sie Ressortchefin Svenja Schulze (SPD) in ihrem jetzigen Amt.

Sie und ihre Kollegen in der SPD hätten bei Amtsantritt gehofft, vor allem gestalten zu können, berichtete die Politikerin. Aber nun sei die Regierung angesichts des Kriegs in der Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen vor allem mit Reagieren beschäftigt. Wobei die Not in der Welt ja wegen des neuen Konflikts in Europa nicht still steht: Mehr als 100 Millionen seien derzeit weltweit auf der Flucht vor anderen Kriegen, aber auch vor Naturkatastrophen, sagte sie.

Der Fokus liegt in ihrem Referat vor allem auf der Ernährungssituation. „Ein hungriger Mensch ist ein wütender Mensch“, bringt sie eine Parole unter die Leute, die jeder versteht. Zwei Milliarden Euro jährlich investiere die Bundesrepublik nach Koflers Worten pro Jahr zur Verbesserung der Ernährung in Entwicklungsländern.

Dabei hatte die Entwicklungshilfe in diesem Bereich lange Zeit durchaus auch Erfolge vorweisen können. Von 1990 bis 2017 sei die Zahl der Hungernden weltweit halbiert worden – und das trotz der Tatsache, dass die Weltbevölkerung in diesem Zeitraum um fast zwei Milliarden Menschen wuchs. „Aber seit etwa fünf Jahren steigt die Zahl wieder“, berichtet Kofler. Von rund 800 Millionen Menschen die nicht satt werden, spricht das Flüchtlingshilfswerk UNHCR gerade. Und es sei wohl eher unwahrscheinlich, dass sich dies in naher Zukunft verbessern dürfte, lautete ihr düsteres Fazit – gerade wegen des Kriegs in der Ukraine.

Kofler fuhr fort: Viele arme Länder wie beispielsweise der Kongo oder Ägypten würden fast vier Fünftel ihrer Getreideimporte – ohne die sie ihre Bevölkerung nicht satt bekommen – aus der Ukraine oder Russland, der Kornkammer der Welt, beziehen. Doch die Exporte stocken infolge der Kampfhandlungen. Obendrein sind diese beiden Länder auch führend bei der Produktion von Kalium und Stickstoff. Hakt da die Lieferung, gehen wiederum die Preise für Dünger nach oben.

Doch sie wolle nicht nur von der Not reden, meinte die Staatssekretärin weiterhin. Sonst könne bei Menschen hierzulande der Eindruck entstehen, dass all die Hilfe am Ende ja doch nichts bringe. „Doch das tut sie sehr wohl“, sagte sie. So berichtete Kofler im weiteren Teil beispielsweise von einem Projekt für stabile Wasserversorgung im Niger oder dem Einsatz von alternativen ökologischen Pflanzenschutzmitteln statt chemischen Insektiziden in Tansania.

Ein ganz wichtiges Element, so Koflers anschließendes Statement für künftige Entwicklungshilfe im Bereich Ernährung, müsse übrigens die Stärkung der Rolle der Frauen sein. Denn: „Sie sind diejenigen, die auf dem Feld arbeiten und die wissen, wie die Pflanzen gedeihen.“

PK